TUTTLINGEN — Die Erinne­rung an die Massa­ker des Zweiten Weltkriegs aber auch die heuti­gen Diskus­sio­nen über unsere Geschich­te im Zusam­men­hang mit der Corona-Politik standen im Mittel­punkt der Anspra­chen von OB Micha­el Beck und Erstem Bürger­meis­ter Emil Busch­le beim Volks­trau­er­tag am Sonntag.

„Auf erschre­cken­de Weise geht bei vielen Menschen das Bewusst­sein für unsere Geschich­te verlo­ren“, so OB Micha­el Beck in seiner Begrü­ßung. Deutlich werde dies unter anderem, wenn Maßnah­men gegen die Corona-Pande­mie als Dikta­tur bezeich­net würden oder die 2‑G-Regeln mit der Ausgren­zung von Juden während der NS-Dikta­tur vergli­chen werden. „Es gerät immer mehr in Verges­sen­heit, was Krieg und Dikta­tur wirklich bedeu­ten – nämlich millio­nen­fa­ches Leid und millio­nen­fa­ches Sterben“, so der OB.

Vor diesem Hinter­grund sei es wichtig, dass Veran­stal­tun­gen wie der Volks­trau­er­tag weiter gepflegt werden – und dass vor allem auch junge Menschen einbe­zo­gen werden. Bei der Gedenk­fei­er am Sonntag waren dies Schüler*innen der Hermann-Hesse-Realschu­le. Sie spann­ten einen Bogen von der klassi­schen Gedenk­fei­er zum Lied „Weiße Fahnen“ der Gruppe „Silber­mond“, das Krieg und Gewalt vor allem aus der Sicht von Kindern aufgreift. Dazu passten auch die Texte der Schüler*innen – die sich unter anderem fragten, wie Kindheit möglich, wenn diese von Krieg und Gewalt überla­gert wird. Mit gestal­tet wurde die Gedenk­fei­er auch von Martin Brenn­dör­fer vom Verband der Sieben­bür­ger Sachsen, der gemein­sam mit OB Micha­el Beck die Flamme am Vertrie­ben­en­denk­mal entzündete.

Die Gräuel­ta­ten des Zweiten Weltkriegs stell­te Erster Bürger­meis­ter Emil Busch­le in seiner Gedenk­an­spra­che in den Mittel­punkt. Stell­ver­tre­tend für viele Verbre­chen ging Busch­le vor allem auf das Massa­ker von Babij Jar ein – jener ukrai­ni­sche Ort, in dem im Septem­ber 1941 Solda­ten der Wehrmacht und die SS fast 34 000 Menschen jüdischen Glaubens ermor­de­ten. Gräuel­ta­ten wie diese ließen uns fassungs­los zurück, so Busch­le – zumal sie von Menschen began­gen wurden, die zuvor meist ein unauf­fäl­li­ges Leben geführt hätten. „Sie waren ganz norma­le Bürger. Arbei­ter, Handwer­ker, Bauern, Beamte oder Angestell­te. Freund­li­che Nachbarn, Famili­en­vä­ter, Ehemän­ner. Auf Befahl warfen sie alles über Bord: Anstand, Mitge­fühl, Scham, christ­li­che Nächstenliebe.“

Umso dankbar sei er, dass es gelun­gen sei, Versöh­nung in Europa zu errei­chen. Dies setze aber voraus, sich weiter kritisch mit der Geschich­te ausein­an­der zu setzen: „Deutsch­land weiß um seine Verant­wor­tung – eine Verant­wor­tung, die keinen Schluss­strich kennt.“