BERLIN (dpa) — Die Bundes­re­gie­rung will die Gasprei­se absen­ken. Doch die Vorsit­zen­de der Gaspreis­kom­mis­si­on Veroni­ka Grimm findet: Wichti­ger seien Sparan­rei­ze. Und der Finanz­mi­nis­ter bittet um noch etwas Zeit.

Die Vorsit­zen­de der Gaspreis­kom­mis­si­on, die «Wirtschafts­wei­se» Veroni­ka Grimm, hat vor zu großen Erwar­tun­gen an die geplan­te Gaspreis­brem­se gewarnt. «Wir werden dauer­haft unsere Abhän­gig­keit von Russland beenden», sagte die Volks­wirt­schafts-Profes­so­rin der Univer­si­tät Erlan­gen-Nürnberg den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe (Freitag).

«Der Gaspreis wird also aufgrund der höheren Flüssig­gas-Beschaf­fungs­prei­se trotz einer Gaspreis­brem­se deutlich höher bleiben als vor dem russi­schen Überfall auf die Ukrai­ne», so Grimm. Die Kommis­si­on könne nicht so tun, als sei nichts gewesen.

Auf das Konzept der geplan­ten Gaspreis­brem­se müssen die Haushal­te in Deutsch­land nach Angaben von Bundes­fi­nanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lindner noch einige Tage warten. «Kommen­de Woche, spätes­tens übernächs­te Woche haben wir da Klarheit», sagte der FDP-Politi­ker am Freitag dem Radio­sen­der 105,5 Spree­ra­dio. «Das ist kein einfa­ches Unter­fan­gen.» Um es gut zu machen, werde ein wenig Vorbe­rei­tungs­zeit mit der Kommis­si­on von Exper­ten und Prakti­kern gebraucht.

Grimm: Einmal­zah­lung würde eher zum Sparen beitragen

Eine von der Bundes­re­gie­rung einge­setz­te Exper­ten­kom­mis­si­on soll Empfeh­lun­gen für die Ausge­stal­tung der Preis­brem­se vorle­gen. Bei einer Klausur an diesem Wochen­en­de will die Kommis­si­on einen «belast­ba­ren Vorschlag» erarbei­ten und der Politik überge­ben. Der Co-Vorsit­zen­de der SPD, Lars Kling­beil, hatte am Donners­tag erklärt, die Kommis­si­on werde am Montag «ein kluges Modell» vorlegen.

Die Ökono­min Grimm warb für eine Gaspreis­brem­se in Form einer Einmal­zah­lung. «Wichtig wird sein, einen hohen Sparan­reiz zu erhal­ten. Bei einer Einmal­zah­lung wäre das ganz klar der Fall», sagte sie. «Einen viel gerin­ge­ren Sparan­reiz hätte man, würde man den Gaspreis um einen bestimm­ten Prozent­satz senken.» Wenn man den Menschen eine Einmal­zah­lung zukom­men lasse, hätten sie noch viel davon, weniger Gas zu verbrauchen.

Das Kommis­si­ons­mit­glied Karen Pittel, die Chefin des Ifo-Zentrums für Energie, Klima und Ressour­cen, hält ein Zwei-Stufen-Modell für wahrschein­lich. Die Kommis­si­on werde am Montag zunächst eine «Kurzfrist­lö­sung» zur schnel­len Entlas­tung von Bürgern und Unter­neh­men vorschla­gen, sagte Pittel im ZDF. Bis Monats­en­de habe das Gremi­um dann noch Zeit, länger­fris­ti­ge Umset­zungs­we­ge auszu­ar­bei­ten. Pittel sagte, sie sei dafür, dabei einen «gewis­sen Grund­kon­sum» zu subventionieren.

Warnung vor noch mehr Knapp­heit durch den Deckel

Die Ampel­ko­ali­ti­on aus SPD, Grünen und FDP hatte jüngst einen «Abwehr­schirm» angekün­digt, um Verbrau­cher und Unter­neh­men wegen der steigen­den Energie­prei­se zu unter­stüt­zen. Über eine Gaspreis­brem­se sollen mindes­tens für einen Teil des Verbrauchs die Preise so gedeckelt werden, dass priva­te Haushal­te und Firmen nicht überfor­dert sind.

Skeptisch äußert sich der wirtschafts­po­li­ti­sche Sprecher der EVP-Frakti­on im Europa­par­la­ment, Markus Ferber (CSU). Ein solcher Deckel berge die Gefahr, dass Liefe­ran­ten ihr Gas lieber in andere Teile der Welt verkau­fen, sagte Ferber im rbb24 Infora­dio. Das könne zu noch mehr Knapp­heit und damit noch höheren Preisen führen. «Was also zunächst als einfa­ches Instru­ment und einfa­che Lösung daher­kommt, kann ganz schnell zum Bumerang werden.»

Der Ökonom Gabri­el Felber­mayr warnte in der «Wirtschafts­wo­che» vor einem «Subven­ti­ons­wett­lauf» in Europa. «Und dann haben wir am Ende überall hohe Subven­tio­nen, zu wenig Einspar­ef­fek­te und einen weiter steigen­den Gaspreis.»

Giffey will schnel­le Entscheidung

Die Kommis­si­ons­vor­sit­zen­de Grimm beklag­te den Zeitdruck, dem das Gremi­um ausge­setzt sei. «Die Entschei­dung zur Einbe­ru­fung eines solchen Gremi­ums hätte schon vor ein paar Monaten fallen können, die Entwick­lung bei den Gasprei­sen war schließ­lich abseh­bar», sagte sie.

Berlins Regie­ren­de Bürger­meis­te­rin Franzis­ka Giffey (SPD) sagte im ZDF: «Wir haben eine Notsi­tua­ti­on. Wir müssen jetzt verhin­dern, dass Menschen in die Pleite gehen, in die Insol­venz und dass Betrie­be nicht weiter­ma­chen.» Schnel­lig­keit habe Priori­tät. Der Gaspreis­de­ckel werde sicher zwei Jahre oder länger nötig sein.

Lindner sagte angesichts stark steigen­der Verbrau­cher­prei­se: «Wir werden an Wohlstand als Gesell­schaft verlie­ren.» Grund seien die höheren Kosten für Energie­im­por­te. «Es wird nicht mehr so günstig sein wie zum Beispiel im letzten oder vorletz­ten Jahr.»