STUTTGART (dpa) — Die Menschen halten sich in der Infla­ti­on bei Käufen zuneh­mend zurück. Spürbar wird das in den deutschen Innen­städ­ten: Zahlrei­che Geschäf­te schlie­ßen. Nun verschwin­det ein weite­rer bekann­ter Name aus den Fußgängerzonen.

Das Laden­ster­ben geht weiter: Das franzö­si­sche Kosme­tik­un­ter­neh­men Yves Rocher macht seine Filia­len in Deutsch­land, Öster­reich und der Schweiz dicht. Es sei geplant, alle Läden in den kommen­den Monaten nach und nach zu schlie­ßen, teilte das Unter­neh­men am Donners­tag in Stutt­gart auf Anfra­ge mit. Der Schritt betref­fe etwa 350 Stellen. Die Beschäf­tig­ten wurden demzu­fol­ge bereits Mitte März infor­miert. Zusam­men mit dem Betriebs­rat habe man sich auf einen Sozial­plan geeinigt. Zuvor hatte die «Bild»-Zeitung berichtet.

Von den Schlie­ßun­gen sind den Angaben nach grund­sätz­lich 140 Filia­len betrof­fen. Einige davon hätten aber bereits in der Corona-Pande­mie geschlos­sen werden müssen. Als Grund nannte das Kosme­tik­un­ter­neh­men wirtschaft­li­che Proble­me: «Die vergan­ge­nen zwei Jahre haben auch uns vor enorme wirtschaft­li­che Heraus­for­de­run­gen gestellt», teilte eine Spreche­rin weiter mit. Mit dem derzei­ti­gen Geschäfts­mo­dell sei man nicht mehr in der Lage, nachhal­tig und erfolg­reich zu wirtschaften.

Die Marke soll jedoch nicht generell vom Markt in den drei Ländern verschwin­den. «Unsere Kundin­nen und Kunden finden unsere Produk­te auch weiter­hin in unserem Online-Shop und können per Direkt­ver­sand bestel­len», hieß es von dem Unternehmen.

Die deutsche Tochter­ge­sell­schaft des Kosme­tik­kon­zerns, zu dem mehre­re Marken gehören, betreut eigenen Angaben zufol­ge von Stutt­gart aus den Online­han­del sowie das Filial­netz in Deutsch­land, Öster­reich und der Schweiz. Die Groupe Rocher hat inter­na­tio­nal mehr als 15.000 Mitar­bei­te­rin­nen und Mitar­bei­ter und erziel­te einen Jahres­um­satz von mehr als 2,3 Milli­ar­den Euro.

Firmen­grün­der Yves Rocher gilt als Pionier im Bereich Natur­kos­me­tik. Er hob das Unter­neh­men im Jahr 1959 in der Breta­gne aus der Taufe. 1969 wurde die erste Filia­le in Paris eröff­net. Heute wirbt die Marke mit hochwer­ti­gen Produk­ten zu erschwing­li­chen Preisen und stellt unter anderem Cremes, Dusch­gel und Parfüms her.

In den vergan­ge­nen Monaten hatten sich immer wieder bekann­te Ketten ganz oder teilwei­se aus den deutschen Einkaufs­stra­ßen zurück­ge­zo­gen. Viel Aufmerk­sam­keit bekam etwa die Schlie­ßung zahlrei­cher Waren­häu­ser von Galeria-Karstadt-Kaufhof. Abgewi­ckelt werden mussten jedoch auch viele Geschäf­te der Schuh­händ­ler Görtz und Reno sowie der Textil­ket­te Adler Modemärk­te. Und auch der Modeher­stel­ler Gerry Weber hatte zuletzt angekün­digt, einen großen Teil seiner Filia­len zu schlie­ßen. In diesen Fällen hing das aber mit der Zahlungs­un­fä­hig­keit der Firmen zusam­men. Bei Yves Rocher ist das nicht der Fall.

Einer der Gründe für diese Entwick­lung dürfte die anhal­tend hohe Infla­ti­on sein: Die Teuerung zehrt seit Monaten an der Kaufkraft der Verbrau­cher. Für einen Euro können sie sich weniger leisten — und schrän­ken oft ihren Konsum ein. Das wieder­um hat spürba­re Folgen für die Konjunk­tur, für die der Privat­kon­sum eine wichti­ge Stütze ist.

Nach Angaben des Handels­ver­bands Deutsch­land (HDE) bringt das viele Betrie­be an die Grenzen. «Viele Handels­un­ter­neh­men erleben schwie­ri­ge Zeiten. Zuerst die Pande­mie mit Lockdowns, Geschäfts­schlie­ßun­gen und Maßnah­men, die die Kunden­zahl begrenz­ten, und nun die Folgen des russi­schen Krieges in der Ukrai­ne mit hoher Infla­ti­on und schlech­ter Konsum­stim­mung», sagte HDE-Haupt­ge­schäfts­füh­rer Stefan Genth.

Der HDE rechnet damit, dass in diesem Jahr rund 9000 Geschäf­te ihre Türen für immer schlie­ßen werden. In einem norma­len Vorkri­sen-Jahr seien es immer um die 5000 Läden gewesen. Falls sich die Progno­se bestä­tigt, bleiben abgese­hen von Kleinst­be­trie­ben bundes­weit 311.000 Geschäf­te übrig. Zum Vergleich: 2015 waren es noch fast 373.000.

Der größte Teil der Schlie­ßung entfällt dem HDE zufol­ge aber auf kleine­re Fachhänd­ler — auf Modebou­ti­quen, Schuh­lä­den und Bäcke­rei­en. «Vieler­orts wird das drama­ti­sche Folgen für die Innen­städ­te haben. Leerstän­de nehmen zu, Stadt­zen­tren werden unattrak­ti­ver und geraten in eine Abwärts­spi­ra­le», sagte Genth. Der Einzel­han­del brauche daher besse­re Rahmen­be­din­gun­gen, um sich zukunfts­fest aufstel­len zu können.

Von Julian Weber, dpa