Lockdown, Lockern, Lockdown, Lockern. Der politi­sche Kampf gegen Corona gleicht einem Zick-Zack-Kurs. Im Landtag muss sich die Regie­rung hefti­ge Kritik gefal­len lassen. Aber hinter­her ist man immer klüger, schallt es aus den Reihen der Regierungsfraktionen.

Die Landes­re­gie­run­gen beschlie­ßen derzeit im Kampf gegen die Corona-Pande­mie extre­me Eingrif­fe in die Grund­rech­te. Die Parla­men­te wollen mitre­den, auch wenn die Maßnah­men mit der Mehrheit der Regie­rungs­frak­tio­nen durch­ge­wun­ken werden. Am Montag kamen die Abgeord­ne­ten zusam­men, um über den anste­hen­den Lockdown und die drasti­schen Maßnah­men zu beraten, auf die sich Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) und die Minis­ter­prä­si­den­ten am Sonntag geeinigt hatten. Regie­rungs­chef Kretsch­mann vertei­dig­te die Strate­gie von Bund und Ländern — und warb um Verständ­nis für den Zickzack-Kurs.

Denn aus Sicht der Opposi­ti­on hat Grün-Schwarz den Sommer verschla­fen, um danach zu wenig zu tun und falsche Verspre­chun­gen zu machen, die man nun brechen müsse im Angesicht eines knall­har­ten Lockdowns. Weltfremd, chaotisch, zerstrit­ten — diese Eigen­schaf­ten zeich­nen das grün-schwar­ze Corona-Manage­ment aus Sicht der SPD aus. Frakti­ons­chef Andre­as Stoch forder­te am Montag einen Paradig­men­wech­sel. Die Maßnah­men dürften nicht mehr danach ausge­rich­tet sein, was gesell­schaft­lich wichtig oder nicht wichtig sei, sondern ob sie gegen das Virus wirkten. Stoch forder­te von der Landes­re­gie­rung eine «Wenn-Dann-Strate­gie» für die Zeit nach dem Lockdown. Er warf Grünen und CDU Wahlkampf­ge­tö­se vor und einen «lähmen­den Streit um Profilierungssucht».

FDP-Frakti­ons­chef Rülke fordert den Wechsel von einer Protek­ti­ons­stra­te­gie hin zu einer Contain­ment­stra­te­gie mit Blick auf beson­de­re Schutz­maß­nah­men für Risiko­grup­pen. Rülke findet fast so etwas wie Lob für den grünen Tübin­ger Oberbür­ger­meis­ter Boris Palmer, der in seiner Stadt beson­ders ältere Menschen schüt­zen will. Mit dem Wellen­bre­cher-Konzept habe die Regie­rung vermut­lich noch die Infek­ti­ons­zah­len gestei­gert, laute­te Rülkes schwers­ter Vorwurf.

Die AfD wittert gar eine unkoor­di­nier­te Angst­po­li­tik, die nicht nur schwe­re seeli­sche und psychi­sche Störun­gen im Menschen hervor­ru­fe, sondern gar psycho­so­ma­ti­sche und dauer­haf­te Verhal­tens­stö­run­gen im Alltags­le­ben der Bürger. Zuerst habe die Regie­rung mit der Schrot­flin­te geschos­sen, sagte Frakti­ons­chef Bernd Gögel (AfD) mit Blick auf die Univer­sal­maß­nah­men der Regie­rung. Nun schie­ße man sogar mit der Kanone, ohne zu wissen, was man treffen wolle.

CDU-Frakti­ons­chef Wolfgang Reinhart vertei­digt die Politik der Regie­rung mit eindring­li­chen Worten. Die Äußerun­gen kämen von «Schlau­ber­gern in der Ex-Post-Betrach­tung», hinter­her wisse man alles besser. Wenn man etwas aus der Krise gelernt habe, dann das, dass keiner die Wahrheit gepach­tet habe.

Kretsch­mann stellt die harte Lockdown-Politik als alter­na­tiv­los dar. Die Lage sei drama­tisch, das Virus treffe längst nicht nur die Alten. An der Unikli­nik in Freiburg liege das Durch­schnitts­al­ter der beatme­ten Patien­ten bei 58 Jahren. In Baden-Württem­berg ist die Zahl der bestä­tig­ten Corona-Infek­tio­nen inner­halb eines Tages nach Angaben des Gesund­heits­amts um 2177 Fälle gestie­gen, außer­dem wurden 99 zusätz­li­che Todes­fäl­le im Zusam­men­hang mit Covid-19 registriert.

Die Kontrol­le gewin­ne man nur zurück, wenn man nun entschie­de­ner handle, sagte Kretsch­mann. Er forder­te die Bürger erneut auf, auf Kontak­te zu verzich­ten. «Wenn wir uns an die Maßnah­men halten, stärken wir uns und schwä­chen das Virus.» Auch mit Blick auf das Weihnachts­fest appel­lier­te er an die Eigen­ver­ant­wor­tung der Bürger. «Der Innen­mi­nis­ter kann nicht die Polizei in die Wohnun­gen schicken und die gucken dann, wie viele Perso­nen um den Christ­baum rumhoppen.»

«Mehr an Klarheit ist nicht zu machen», sagte der Grüne. Erst wenn die Infek­ti­ons­zah­len wieder deutlich sänken, könne man Perspek­ti­ve und Planung bieten, sagte Kretsch­mann. Ein Verspre­chen machte der Minis­ter­prä­si­dent den Bürgern dann doch noch: «Wir werden keinen Corona-Wahlkampf führen», sagte er. Das habe er mit CDU-Spitzen­kan­di­da­tin Susan­ne Eisen­mann verein­bart. «Wir werden bis zum aller­letz­ten Tag vor der Wahl zusam­men­re­gie­ren und zusam­men­re­gie­ren müssen, weil das die Lage erfordert.»