2020 mussten Filmthea­ter wegen der Pande­mie schlie­ßen: Wird das Kino die Corona-Krise überle­ben? Seit seiner Geburts­stun­de vor 125 Jahren wurde ihm das Ende schon öfter vorhersagt.

Die Presse folgte der Einla­dung der Organi­sa­to­ren nicht. Und auch viele Passan­ten weiger­ten sich, im Keller des Pariser Grand Café erstmals einer öffent­li­chen Filmvor­füh­rung beizu­woh­nen. Der Eintritt betrug einen Franc. Dafür gab es zehn Kurzfil­me zu sehen, die zusam­men rund 20 Minuten dauerten.

An dem histo­ri­schen Ereig­nis vor 125 Jahren am 28. Dezem­ber nahmen neben dem Filmpio­nier Georges Méliès noch 32 weite­re Zuschau­er teil. Am Ende der Projek­ti­on waren nach den Worten der Organi­sa­to­ren alle «sprach­los, erstaunt und unbeschreib­lich überrascht». Der Erfolg war überwältigend.

Wegen der Corona-Krise finden zum 125. Geburts­tag des Kinos keine Werkschau­en und Festi­vals statt, anders als vor fünf Jahren zum 120. Jahres­tag. Damals würdig­te das Pariser Grand Palais die Brüder Augus­te und Louis Lumiè­re, die als Erfin­der des Kinos gelten, mit einer umfas­sen­den Ausstellung.

Mit ihrem Kinema­to­gra­phen — der Filmka­me­ra, Filmpro­jek­tor und Kopier­ma­schi­ne in einem vereint — zeigten die Fotoin­dus­tri­el­len unter anderem ihren Kurzfilm «La sortie de l’usine Lumiè­re à Lyon» (auf Deutsch: Arbei­ter verlas­sen das Lumiè­re-Werk in Lyon). Ihre erste geschlos­se­ne Vorfüh­rung mit dem Kinema­to­gra­phen fand am 22. März 1895 statt, die erste öffent­li­che im Salon Indien im Grand Café in Paris am 28. Dezem­ber 1895, einem Samstag.

Die Lumiè­re-Vorfüh­rung vor zahlen­dem Publi­kum ging in die Geschich­te des Films als die Geburts­stun­de des Kinos ein — trotz Vorar­bei­ten anderer, etwa des Ameri­ka­ners Thomas Alva Edison und der deutschen Brüder Sklad­anow­sky. Sie hatten knapp vier Wochen früher im Berli­ner Winter­gar­ten-Varie­té eine Filmvor­füh­rung veranstaltet.

Doch der Apparat der Gebrü­der Lumiè­re zur Aufzeich­nung und Wieder­ga­be von fotogra­fi­schen Bewegt­bil­dern hatte technisch den Sklad­anow­sky-Projek­tor Bioskop mit nur 24 Bildern in Folge eingeholt.

Das Grand Café in der Nähe der Garnier-Oper gibt es heute nicht mehr. Daran, dass dort das Kino geboren wurde, erinnert aber eine Gedenk­ta­fel an der Fassa­de des «Hotels Scribe» am Boule­vard des Capuci­n­es. Den Stumm­film-Kinovor­füh­run­gen in Kaffee­häu­sern, Varie­tés und Zirkus­zel­ten folgten bald Projek­tio­nen in Licht­spiel­häu­sern und Kinopalästen.

Heute haben Multi­ple­xe die Kinoland­schaft erobert, die mecha­ni­schen Projek­to­ren wurden von Digital-Projek­to­ren abgelöst und Strea­ming-Porta­le bringen das Kinoer­leb­nis auf den Bildschirm nach Hause. Sie haben nicht nur das Sehver­hal­ten der Zuschau­er verän­dert, die auf der Couch und im Zug Filme sehen können. Die Umsät­ze von Platt­form-Model­len wie Netflix und Amazons Prime Video haben mittler­wei­le die der statio­nä­ren Kinos überholt. Sie haben ein mehr als 100 Jahre altes Geschäfts­mo­dell gehörig ins Wanken gebracht.

Bringen Strea­ming-Porta­le das Kino um? Eine Frage, die sich seit Beginn der Corona-Krise erneut und verstärkt Kinobe­trei­ber und viele Filmschaf­fen­de stellen. Denn während die Licht­spiel­häu­ser, vor allem Programm­ki­nos, auch Arthouse- und Filmkunst­ki­nos, im Kampf gegen die Pande­mie schlie­ßen mussten, floriert bei Netflix und Co. das Geschäft. Bei Einnah­me­ver­lus­ten bis zu 70 Prozent geht die Angst des Kinoster­bens um.

Auf dem Weg vom franzö­si­schen Keller ins weltwei­te Netz wurde dem Kino das nahe Ende schon öfter vorher­sagt. So zum Beispiel mit der zuneh­men­den Verbrei­tung des Fernse­hens ab den späten 1950er Jahren, die zu einem Rückgang der Besucher­zah­len führten. Doch die Frage, wie das Kino der Zukunft ausse­hen könnte, wird immer dringlicher.

Viele in der Branche glauben, dass das Kino in seiner herkömm­li­chen Form sterben werde. Für Film- und Fernseh­pro­du­zent Uli Aselmann («Jugend ohne Gott») sollte das Kinoer­leb­nis wieder etwas Beson­de­res werden. Dazu könnten Gerüche und rütteln­de Sessel gehören. Gleich­zei­tig warnte er in einem Inter­view des Technik­por­tals «Chip», dass sich techni­sche Errun­gen­schaf­ten auch schnell totlie­fen, wenn sie überstra­pa­ziert würden. Deshalb seien gute Geschich­ten wichtig.

Andere wie Lars Henrik Gass fordern, das Kino als Kultur­ort zu musea­li­sie­ren und sie als subven­tio­nier­te Kultur­be­trie­be zu betrach­ten. Für den Leiter der Inter­na­tio­na­len Kurzfilm­ta­ge Oberhau­sen hat die Politik es verpasst, vor allem den Kinos, die Filme außer­halb des Mainstreams zeigen, eine zukunfts­träch­ti­ge Perspek­ti­ve zu bieten, wie er der Deutschen Welle sagte: Sei es als musea­le Branche oder als Ausstrah­len­de von Online-Angeboten.