Die einen machen Front gegen «Agrar­fa­bri­ken», die anderen wehren sich gegen «grüne Spinner»: Um die Landwirt­schaft in Deutsch­land gibt es hefti­ge Ausein­an­der­set­zun­gen. Gelingt jetzt ein Dialog?

Bundes­agrar­mi­nis­te­rin Julia Klöck­ner warb zum Start der neuen Regie­rungs­kom­mis­si­on zur Zukunft der Landwirt­schaft für Dialog­be­reit­schaft auf allen Seiten. «Damit die junge Genera­ti­on bereit ist, auch weiter­hin die Höfe ihrer Eltern und damit viel Arbeit zu überneh­men, brauchen wir einen gesell­schaft­li­chen Konsens, eine Art Befrie­dung», sagte die CDU-Politi­ke­rin am Montag.

Famili­en­ge­führ­te Betrie­be, die von ihrer Arbeit verläss­lich leben können, und mehr Ressour­cen­schutz dürften sich nicht ausschlie­ßen. Dies müsse in der Debat­te gleich­be­rech­tigt berück­sich­tigt werden.

«Die Bereit­schaft zum Kompro­miss muss uns leiten, nicht einsei­ti­ge Maximal­for­de­run­gen», sagte Klöck­ner. «Die Kommis­si­on kann hier für einen Ausgleich sorgen und die Protago­nis­ten versöh­nend an einen Tisch bringen.» Die vom Kabinett einge­setz­te «Zukunfts­kom­mis­si­on» hat am Montag die Arbeit aufge­nom­men. Ihr gehören Vertre­ter von Landwirt­schaft, Handel und Ernäh­rungs­bran­che, Verbraucher‑, Umwelt- und Tierschüt­zer sowie Wissen­schaft­ler an. Einen Zwischen­be­richt soll sie noch im Herbst vorle­gen, den Abschluss­be­richt im Frühsom­mer 2021.

Das von Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) vorge­schla­ge­ne Gremi­um soll noch im Herbst einen ersten Zwischen­be­richt vorle­gen. Natur- und Verbrau­cher­schüt­zer, aber auch Landwirt­schafts­ver­tre­ter sprachen von einer Chance auf neue Lösungen.

Vor dem Treffen demons­trier­ten Initia­ti­ven für eine «Agrar­wen­de» und forder­ten auf einem großen aufblas­ba­ren Schwein «Stoppt das Billig­fleisch-System!» Anders als sonst bei Branchen-Runden gingen einige Vertre­ter dann aber auch ins Kanzler­amt hinein, um mitzu­re­den. Der «Zukunfts­kom­mis­si­on» gehören Vertre­ter von Landwirt­schaft, Handel und Ernäh­rungs­bran­che, Verbraucher‑, Umwelt- und Tierschüt­zer sowie Wissen­schaft­ler an. Vorsit­zen­der ist der ehema­li­ge Präsi­dent der Deutschen Forschungs­ge­mein­schaft, der Germa­nist Peter Stroh­schnei­der. Der Abschluss­be­richt mit Empfeh­lun­gen soll im Frühsom­mer 2021 da sein — bis zur Bundes­tags­wahl im Herbst ist dann nicht mehr viel Zeit.

Zeigen muss sich auch, ob wirklich Bewegung in die schwer verhär­te­ten Fronten kommt. Den Anstoß für die Kommis­si­on hatte die Kanzle­rin bei einem «Agrar­gip­fel» Ende 2019 gegeben, als Tausen­de empör­te Bauern mit Trakto­ren in deutsche Städte rollten — um gegen neue Aufla­gen und überhaupt für mehr Wertschät­zung für ihre Arbeit zu demons­trie­ren. Zum Start hielt sich Merkel vorerst demons­tra­tiv zurück. Es hande­le sich um eine «unabhän­gi­ge Exper­ten­kom­mis­si­on», ließ sie ausrichten.

Klöck­ner appel­lier­te: «Die Bereit­schaft zum Kompro­miss muss uns leiten, nicht einsei­ti­ge Maximal­for­de­run­gen.» Famili­en­ge­führ­te Betrie­be, die von ihrer Arbeit verläss­lich leben können, und mehr Ressour­cen­schutz dürften sich nicht ausschlie­ßen. Umwelt­mi­nis­te­rin Svenja Schul­ze (SPD) beton­te, es führe kein Weg daran vorbei, dass die Land- und Ernäh­rungs­wirt­schaft umwelt­ver­träg­li­cher werden müsse. Die Kommis­si­on stehe in einer Reihe etwa mit jener, die den Kohle­aus­stieg vorbe­rei­tet hat. «Aus diesen Prozes­sen wissen wir: Wenn wider­strei­ten­de Inter­es­sen an einen Tisch gebracht werden, können daraus zukunfts­wei­sen­de und nachhal­ti­ge Lösun­gen entstehen.»

Zum Start kamen Dialog-Signa­le — aber auch eigene Positio­nie­run­gen. Der Bauern­ver­band erwar­tet Empfeh­lun­gen, mit denen eine nachhal­ti­ge, wirtschaft­li­che und zukunfts­fä­hi­ge Landwirt­schaft in Deutsch­land möglich bleibe. Die Vorsit­zen­de der Arbeits­ge­mein­schaft bäuer­li­che Landwirt­schaft, Elisa­beth Fresen sagte: «Wir können klima­scho­nen­de Landwirt­schaft machen, wir können eine artge­rech­te Tierhal­tung gewähr­leis­ten, all das können wir — aber nicht umsonst.» Der Tierschutz­bund forder­te Planungs­si­cher­heit, «die nicht Status Quo heißen darf, sondern Veränderung».

Darum gibt es die Kommission

Seit Jahren gibt es harte Ausein­an­der­set­zun­gen, wie Landwirt­schaft in Deutsch­land ausse­hen soll. Viele haben Bilder kleiner Öko-Höfe mit freilau­fen­den Hühnern im Kopf, doch die Branche ist längst auch hochmo­dern und auf Effizi­enz getrimmt. «Wachse oder weiche» sei das Motto, klagen Kriti­ker: Kleine Betrie­be müssen aufge­ben, große würden größer. «Wir machen Euch satt», halten Bauern dagegen. Umwelt­pro­ble­me und Tierleid beunru­hi­gen viele Bürger, trotz­dem verkau­fen sich billi­ges Fleisch, Milch und Käse nach wie vor bestens. Von neuen Umwelt­vor­ga­ben in engem Takt fühlen sich Bauern unter Druck gesetzt.

Das sind wichti­ge Themen

Die Zeit drängt für die Kommis­si­on. Laut einem Entwurf sind acht Plenums­sit­zun­gen geplant, und umkämpf­te Felder gibt es viele.

SUBVENTIONEN: Die milli­ar­den­schwe­re Agrar­för­de­rung ist der größte Haushalts­pos­ten der EU. Viele finden, das Geld müsse Bauern stärker für Umwelt- und Klima­schutz beloh­nen und sich weniger nach der bewirt­schaf­te­ten Fläche richten. Dagegen gibt es aber auch Wider­stand in Deutsch­land und anderen EU-Ländern. Ein Stück weit entschei­det die Bundes­re­gie­rung selbst, wie die EU-Mittel an die Bauern verteilt werden. Und es gibt natio­na­le Förder­pro­gram­me für Umwelt und Natur­schutz in der Landwirt­schaft. Bauern sagen: Wir schüt­zen gern Umwelt, Klima und Tiere, wir müssen dafür aber bezahlt werden.

PREISE und TIERWOHL: Die Kräfte­ver­hält­nis­se im Lebens­mit­tel­markt mit den großen Super­markt­ket­ten setzen kleine­re Produ­zen­ten unter Druck. Auch die Orien­tie­rung an Weltmärk­ten und Freihan­dels­ab­kom­men sind umstrit­ten. Corona-Ausbrü­che in Schlacht­hö­fen haben Zustän­de in der Fleisch­pro­duk­ti­on ins Visier gerückt. Doch das ist nicht alles. Was ist ein Liter Milch wert, was ein Ei? Da sind auch die Verbrau­cher gefragt. Klöck­ner will eine Abgabe, die Tierpro­duk­te teurer macht und Stall-Umbau­ten mitfi­nan­ziert. Verbrau­cher­schüt­zer monie­ren, dass besse­re Quali­tät im Laden kaum zu erken­nen sei. Ein staat­li­ches Tierwohl-Logo für Fleisch steckt seit Monaten politisch fest.

KLIMA‑, UMWELT- und NATURSCHUTZ: Viele Tiere produ­zie­ren viel Mist und Gülle, und zu viel Dünger auf den Feldern schadet Flüssen, Seen und dem Grund­was­ser. Deshalb werden Dünge­re­geln verschärft. Unkraut- und Schäd­lings­gif­te, darun­ter Glypho­sat, haben Neben­wir­kun­gen für die Arten­viel­falt. Stich­wort Insek­ten­ster­ben — auch da sind neue Vorga­ben in Arbeit. Mit Lachgas und Methan entste­hen in der Landwirt­schaft Treib­haus­ga­se, die den Klima­wan­del anfeu­ern. Gleich­zei­tig leiden Bauern unmit­tel­bar unter Folgen der Erder­wär­mung, etwa häufi­ge­ren Dürre-Perioden, und fordern Hilfe bei einer neuen Versicherung.