GÜTERSLOH (dpa) — Damit in Kitas kindgerechte Bedingungen herrschen, braucht es viel mehr Erzieherinnen, als in diesem Jahrzehnt ausgebildet werden könnten — so die düstere Prognose einer Studie.
Für eine kindgerechte Personalausstattung bei gleichzeitigem Kitaplatzausbau fehlen einer aktuellen Studie zufolge bis 2030 mehr als 230.000 Erzieher und Erzieherinnen. Das geht aus am Dienstag vorgelegten Analysen der Bertelsmann-Stiftung hervor.
Die Lücke zwischen voraussichtlichem Angebot an Fachkräften und prognostiziertem Bedarf für optimale Qualität in der frühkindlichen Bildung bei bedarfsgerechtem Ausbau der Plätze lasse sich dieses Jahrzehnt nicht vollständig schließen, sagten Autorinnen der Studie.
Die Prognosen zeigten dagegen, dass es bei zusätzlichen Anstrengungen durchaus realistisch sei, das Ost-West-Gefälle noch in diesem Jahrzehnt aufzulösen: Noch immer gibt es im Westen zu wenig Plätze, während im Osten eine Fachkraft deutlich zu viele Kinder betreut. Eine flächendeckende kindgerechte Qualität sei jedoch auch mit einer Angleichung der Bedingungen in den Ländern nicht erreicht, betonten die Autorinnen. Es brauche daher mehr Ausbildungskapazitäten und mehr Berufsschullehrer. Auch Arbeitsbedingungen müssten besser werden, bei sinkenden Geburtenraten müsse vor allem im Osten das Personal gehalten werden, so die Fachfrauen.
Aktuelle Daten zeigen deutlichen Ausbau
Die aktuellsten Daten der Bertelsmann-Stiftung zeigen für das vergangene Jahrzehnt bereits einen «enormen quantitativen sowie qualitativen Ausbau des frühkindlichen Bildungssystems». So arbeiteten 2020 mehr als 635.000 Fachkräfte in den Einrichtungen — ein Anstieg um 61 Prozent im Vergleich zu 2011. Der Personalzuwachs liegt am massiven Kitaplatzausbau: Fast 61 Prozent der Kinder bis sechs Jahren besuchen inzwischen eine Kita oder andere vorschulische Einrichtungen — ein Anstieg von 22 Prozent seit 2011. Die größten Sprünge gab es im Westen bei den unter Dreijährigen: 2020 hatten 31 Prozent der Krippenkinder einen Betreuungsplatz, 2011 waren es noch knapp 20 Prozent. Zum Vergleich: Im Osten hatte zuletzt mehr als jedes zweite unter dreijährige Kind (53 Prozent) einen Krippenplatz (2011: 47 Prozent).
Verbessert haben sich auch die Personalschlüssel in den allermeisten Bundesländern. Im Durchschnitt kümmert sich in deutschen Kindergärten eine Fachkraft um 8,7 Kinder (2013: 9,6). In Krippengruppen kommt eine Erzieherin auf 4,1 Kinder (2013: 4,6). Im Ländervergleich zeigen sich jedoch Qualitätsunterschiede: Je nach Gruppentyp kümmert sich rechnerisch eine ostdeutsche Erzieherin um zwei bis knapp drei Kinder mehr als ihre westdeutsche Kollegin — obwohl auch hier bereits deutliche Verbesserungen zu verzeichnen seien. Durchschnittlich betreue eine Fachkraft in ostdeutschen Kindergartengruppen rund 13 Prozent weniger Kinder als noch 2013, heißt es in der Studie.
Insbesondere im Osten erreichen die Personalschlüssel damit jedoch noch lange nicht das von Fachleuten empfohlene Niveau: In Krippen sehen die Empfehlungen ein Betreuungsverhältnis von einer Fachkraft pro drei Kinder vor, in Kindergärten sollten es nicht mehr als 7,5 sein, um frühkindliche Bildungschancen, die über reine Betreuung hinausgehen, zu gewährleisten.
Verbände fordern weitere Anstrengungen
Mehrere Verbände haben die Politik angesichts einer Studie über erheblichen Personalmangel in Kitas zu weiteren Anstrengungen aufgefordert. «Die Städte haben in den vergangenen Jahren viel Kraft in bessere Kindertagesbetreuung und die Ausbildung von pädagogischen Fachkräften gesteckt», betonte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy. Es gehe voran beim Kitaplatz-Ausbau, wie auch die Analyse der Bertelsmann Stiftung zeige. Allerdings sei deren Prognose zur künftigen Personalentwicklung «sehr optimistisch».
Der Bedarf an Betreuungsplätzen werde noch weiter steigen, besonders in Groß- und Universitätsstädten, sagte Dedy. Zugleich kehrten jedes Jahr Erzieherinnen und Erzieher ihrem Beruf den Rücken. Der Bund müsse den Qualitätsausbau auch über das Jahr 2022 hinaus — dann laufen die Zuweisungen nach dem Gute-Kita-Gesetz aus — weiter mitfinanzieren. Für eine kindgerechte Personalausstattung bei gleichzeitigem Kitaplatzausbau fehlen laut Bertelsmann-Studie bis 2030 mehr als 230.000 Erzieherinnen und Erzieher.
Mindeststandards gefordert
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft forderte von einer neuen Bundesregierung, flächendeckende Mindeststandards für eine bessere Fachkraft-Kind-Relation einzuführen. Der Beruf müsse gesellschaftlich deutlich aufgewertet und besser bezahlt werden. In Richtung Bund hieß es: «Qualitätsverbesserungen müssen aus einem Sondervermögen dauerhaft finanziert werden.»
Die Qualifikation des pädagogischen Personals sei angesichts stark gestiegener Ansprüche an Fachkräfte besonders wichtig, meinte die Stiftung «Haus der kleinen Forscher». Sprachförderung, aber auch Bildung etwa auch aus Bereichen Mathematik oder digitale Welt seien heute bereits in den Kitas relevant. Daher brauche es gute Weiterbildungsmöglichkeiten für erfahrene und neue Erzieher sowie für Quereinsteiger aus anderen Berufsfeldern.