BERLIN (dpa) — Zwei Monate nach der Bundes­tags­wahl steht der Koali­ti­ons­ver­trag der Ampel-Partei­en. Das haben SPD, Grüne und FDP vor.

SPD, Grüne und FDP wollen nach den Worten des wohl künfti­gen Bundes­kanz­lers Olaf Scholz (SPD) eine «Koali­ti­on auf Augen­hö­he» bilden. «Uns eint der Wille, das Land besser zu machen», sagte Scholz in Berlin bei der Vorstel­lung des Koali­ti­ons­ver­trags der drei Parteien.

«Wir wollen mehr Fortschritt wagen», beton­te Scholz und versi­cher­te, das Ziel der Ampel-Partei­en sei nicht der kleins­te gemein­sa­me Nenner, sondern eine «Politik der großen Wirkung».

Der voraus­sicht­li­che künfti­ge Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Einrich­tung eines ständi­gen Bund-Länder-Krisen­stabs im Kanzler­amt zum Kampf gegen die drama­ti­sche Entwick­lung in der Corona-Krise angekün­digt. Die neue Bundes­re­gie­rung werde die Einrich­tung eines solchen Krisen­sta­bes veran­las­sen, sagte Scholz.

Pflege­kräf­te sollen wegen der beson­de­ren Belas­tun­gen in der Corona-Krise einen erneu­ten Bonus bekom­men. Die künfti­gen Ampel-Koali­ti­ons­part­ner hätten sich verstän­digt, dafür eine Milli­ar­de Euro bereit zu stellen.

SPD-Kanzler­kan­di­dat Olaf Scholz hat sich für eine Corona-Impfpflicht in bestimm­ten Einrich­tun­gen mit Risiko­grup­pen ausge­spro­chen. «Impfen ist der Ausweg aus dieser Pande­mie», sagte er. «In Einrich­tun­gen, in denen beson­ders vulnerable Gruppen betreut werden, sollten wir die Impfung verpflich­tend machen. Eine Auswei­tung dieser Regelung bleibt zu prüfen.»

SPD, Grüne und FDP wollen Strom­kun­den entlas­ten. Zum 1. Januar 2023 soll die Finan­zie­rung der milli­ar­den­schwe­ren EEG-Umlage zur Förde­rung des Ökostroms über den Strom­preis abgeschafft werden, wie es in dem Koali­ti­ons­ver­trag heißt.

Angestrebt wird ein auf das Jahr 2030 vorge­zo­ge­ner Kohle­aus­stieg. «Zur Einhal­tung der Klima­schutz­zie­le ist auch ein beschleu­nig­ter Ausstieg aus der Kohle­ver­stro­mung nötig. Idealer­wei­se gelingt das schon bis 2030», heißt es in dem Koali­ti­ons­ver­trag der drei Partei­en. Demnach soll ein vorge­zo­ge­ner Kohle­aus­stieg über einen massi­ven Ausbau Erneu­er­ba­rer Energien und über den Bau moder­ner Gaskraft­wer­ke gelin­gen. Bislang ist gesetz­lich verein­bart, dass Deutsch­land bis spätes­tens 2038 aus der Kohle­ver­stro­mung aussteigt.

Grünen-Chef Robert Habeck sieht die künfti­ge Bundes­re­gie­rung klima­po­li­tisch auf dem richti­gen Weg. «Wir sind auf 1,5‑Grad-Pfad mit diesem Koali­ti­ons­ver­trag», sagte Habeck. Gemeint ist das im Pariser Klima­ab­kom­men veran­ker­te Ziel, die Erder­wär­mung möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorin­dus­tri­el­len Zeit zu begrenzen.

Die im Koali­ti­ons­ver­trag vorge­se­hen Maßnah­men würden dafür sorgen, dass die Ziele der bishe­ri­gen Bundes­re­gie­rung zur Reduk­ti­on der CO2-Emissio­nen bis 2030 übertrof­fen würden, sagte Habeck.

Der Koali­ti­ons­ver­trag ebnet nach Worten der Grünen-Vorsit­zen­den Annale­na Baerbock den Weg Deutsch­lands in die Klima­neu­tra­li­tät. Die Ampel-Partei­en wollten nicht den kleins­ten gemein­sa­men Nenner suchen, sondern in den entschei­den­den Berei­chen einen Paradig­men­wech­sel einlei­ten, sagte Baerbock.

Die Ampel-Partei­en haben sich auf ein neues Bundes­mi­nis­te­ri­um für Bauen verstän­digt. Vorge­se­hen ist zudem eine Erwei­te­rung des Wirtschafts­mi­nis­te­ri­ums um das Thema Klimaschutz.

Der gesetz­li­che Mindest­lohn soll auf 12 Euro pro Stunde erhöhen. Nach der einma­li­gen Anpas­sung werde die unabhän­gi­ge Mindest­lohn­kom­mis­si­on über die etwaigen weite­ren Erhöhungs­schrit­te befin­den, heißt es.

Die angestreb­te künfti­ge Ampel-Regie­rung will die Mietpreis­brem­se verlän­gern und verschär­fen. In Gebie­ten mit angespann­tem Wohnungs­markt soll die Miete binnen drei Jahren nur noch bis zu 11 Prozent steigen dürfen statt wie bisher bis zu 15 Prozent.

Die voraus­sicht­li­che Ampel-Koali­ti­on will eine «kontrol­lier­te Abgabe von Canna­bis an Erwach­se­ne zu Genuss­zwe­cken in lizen­zier­ten Geschäf­ten» einfüh­ren. Dadurch würden «die Quali­tät kontrol­liert, die Weiter­ga­be verun­rei­nig­ter Substan­zen verhin­dert und der Jugend­schutz gewährleistet».

In einer gemein­sa­men Bundes­re­gie­rung wollen SPD, Grüne und FDP eine Bewaff­nung von Drohnen der Bundes­wehr ermög­li­chen. Diese könnten zum Schutz der Solda­ten im Auslands­ein­satz beitragen.

Das Mindest­al­ter zum Erwerb eines Pkw-Führer­scheins soll gesenkt werden und beglei­te­tes Fahren bereits ab 16 statt wie bisher mit 17 Jahren ermög­li­chen. Damit sollten Jugend­li­che schon frühzei­tig für die Gefah­ren im Straßen­ver­kehr geschult werden.

Bisher ist das beglei­te­te Fahren ab 17 Jahren möglich. Bis zum 18. Geburts­tag besteht die Aufla­ge, den Pkw nur in Beglei­tung einer mindes­tens 30-jähri­gen Begleit­per­son zu fahren.

Die Förde­rung für Elektro­au­tos und Plug-In-Hybri­de soll erst refor­miert und dann bis Ende 2025 auslau­fen. Die gelten­de Innova­ti­ons­prä­mie zum Kauf eines E‑Autos werde noch bis Ende 2022 fortgeführt.

Wer im Homeof­fice arbei­tet, soll auch im kommen­den Jahr noch eine beson­de­re Pauscha­le bei der Steuer­erklä­rung geltend machen können. SPD, Grüne und FDP wollen die derzeit gelten­de Homeof­fice-Pauscha­le für Arbeit­neh­mer bis Ende 2022 verlängern.

Derzeit kann man pro Tag im Homeof­fice 5 Euro anset­zen, maximal aber 600 Euro im Jahr. Aller­dings zählt die Summe zu den Werbungs­kos­ten, für die allen Steuer­zah­lern pauschal ohnehin 1000 Euro angerech­net werden. Nur wer mit seinen Ausga­ben hier über 1000 Euro kommt, profi­tiert also von der Sonder­re­gel. Bisher war sie auf die Jahre 2020 und 2021 befris­tet und mit der Corona-Pande­mie begründet.

Die neue Regie­rungs­ko­ali­ti­on will möglichst wenig Überwa­chung und Speiche­rung von Kommu­ni­ka­ti­ons­da­ten. Um Mobbing und Extre­mis­mus in den Sicher­heits­be­hör­den entge­gen­zu­wir­ken, soll eine neue Beschwer­de­stel­le geschaf­fen werden: der unabhän­gi­ge Polizei­be­auf­trag­te des Bundes­ta­ges. Für die Bundes­wehr gibt es so eine Stelle bereits.

Der Grünen-Vorsit­zen­de Robert Habeck hat den Koali­ti­ons­ver­trag von SPD, Grünen und FDP als ein Dokument des Mutes und der Zuver­sicht bezeich­net. Während der Verhand­lun­gen zur Bildung einer Ampel-Koali­ti­on hätten sich einige Krisen drama­tisch zugespitzt, sagte Habeck mit Blick auf die Flücht­lings­si­tua­ti­on in Osteu­ro­pa und die Corona-Krise.

Während SPD, Grüne und FDP um Worte gerun­gen hätten, sei die Sorge in Deutsch­land umgegan­gen. Man werde alles Notwen­di­ge tun, um die vierte Welle beherrsch­bar zu halten. In einer Zeit großer Sorge und Verun­si­che­rung brauche es ein Dokument des Mutes und der Zuver­sicht — «ein solches legen wir Ihnen hiermit heute vor». Leitbild sei eine handeln­de Gesell­schaft, ein inves­tie­ren­der Staat und ein Deutsch­land, das einfach funktioniere.

Die angestreb­te Ampel-Koali­ti­on steht aus Sicht von FDP-Chef Chris­ti­an Lindner für einen Kurswech­sel. Die drei Partei­en SPD, Grüne und FDP hätten ihre Unter­schied­lich­kei­ten in Wahlkämp­fen nicht verbor­gen, sagte er. «Aber wir haben uns in einem Punkt eine Gemein­sam­keit erhal­ten, nämlich den Status quo zu überwinden.»

Dafür habe die junge Genera­ti­on sie auch gewählt. Im Land sei zu spüren, dass es den Wunsch nach Verän­de­rung gebe. Zu den großen Aufga­ben, vor denen die neue Regie­rung stehe, zählten die Alterung der Gesell­schaft und das Reduzie­ren von Kohlenstoff.