LONDON (dpa) — Laut Progno­sen wird es in Großbri­tan­ni­en bald Tausen­de Kranken­haus­ein­lie­fe­run­gen pro Tag geben. Zudem drohen massi­ve Ausfäl­le im Gesund­heits­we­sen. Die Haupt­stadt erklärt bereits den Katastrophenfall.

Die briti­sche Haupt­stadt London hat wegen der rapiden Ausbrei­tung der Omikron-Varian­te des Corona-Virus am Samstag den Katastro­phen­fall ausge­ru­fen. «Der Anstieg der Omikron-Fälle in unserer Haupt­stadt ist sehr besorg­nis­er­re­gend», teilte Bürger­meis­ter Sadiq Khan am Samstag mit.

«Deshalb rufen wir erneut den Katastro­phen­fall aus.» Khan verwies darauf, dass die Zahl der Covid-Patien­ten in Londons Kranken­häu­sern wieder massiv steigt. Bereits Anfang Januar hatte die Stadt wegen Covid-19 den Katastro­phen­fall ausge­löst. Damals stand das Gesund­heits­sys­tem kurz vor dem Kollaps. Konkret bedeu­tet das, dass spezi­el­le Notfall­plä­ne in Kraft treten und sich die betei­lig­ten Einhei­ten enger abstimmen.

Bürger­meis­ter Khan rief alle in London auf, sich möglichst schnell impfen zu lassen. In etlichen briti­schen Städten wurden wieder Impfzen­tren geöff­net — auch in Stadi­en oder auf Weihnachts­märk­ten -, wo man sich auch ohne Termin eine Sprit­ze geben lassen kann.

In Großbri­tan­ni­en wurden am Samstag 10.059 neue Omikron-Fälle gemel­det — dreimal so viele wie am Tag zuvor. Insge­samt gibt es damit im Verei­nig­ten König­reich rund 25.000 bestä­tig­te Omikron-Fälle. In London hat die neue Virus-Varian­te bereits die bislang dominie­ren­de Varian­te Delta verdrängt.

Das wissen­schaft­li­che Berater­gre­mi­um der briti­schen Regie­rung fordert einem BBC-Bericht zufol­ge deutlich stren­ge­re Maßnah­men in England, um eine Überlas­tung des Gesund­heits­sys­tems durch Omikron zu verhin­dern. Mit den aktuel­len eher modera­ten Maßnah­men werde es Berech­nun­gen zufol­ge bald mindes­tens 3000 Kranken­haus­ein­lie­fe­run­gen pro Tag in England geben, hieß es in einem unver­öf­fent­lich­ten Sitzungs­pro­to­koll, aus dem die BBC am Samstag zitierte.

«Wenn das Ziel ist, die Zahl der Infek­tio­nen zu reduzie­ren und dieses Level an Kranken­haus­ein­wei­sun­gen zu vermei­den, müssten sehr schnell stren­ge­re Maßnah­men einge­führt werden», so die Wissen­schaft­ler. «Das Timing ist entschei­dend.» Verschie­be man eine Verschär­fung auf 2022, würde der Druck auf das Gesund­heits­sys­tem deutlich weniger effek­tiv gemin­dert. Die Exper­tin­nen und Exper­ten empfeh­len Maßnah­men, die den späte­ren Stufen des Lockdowns im vergan­ge­nen Frühjahr entspre­chen — etwa die Beschrän­kun­gen sozia­ler Kontak­te auf wenige Haushal­te sowie in Innenräumen.

Briti­sche Medizi­ne­rin­nen und Medizi­ner warnen zudem vor massi­ven Perso­nal­aus­fäl­len. An Weihnach­ten könnten der British Medical Associa­ti­on zufol­ge ohne verschärf­te Maßnah­men in England 32.000 bis 130.000 Beschäf­tig­te im Natio­na­len Gesund­heits­dienst (NHS) fehlen, wie der «Guardi­an» berich­te­te. Letzte­res entsprä­che einem Zehntel der gesam­ten Belegschaft.

Der Guy’s und St Thomas’ Trust, der in London mehre­re Kranken­häu­ser betreibt, berei­tet sich wegen Hunder­ter Krank­mel­dun­gen schon jetzt darauf vor, Perso­nal aus anderen Berei­chen auf die Inten­siv­sta­tio­nen und Notauf­nah­men zu verle­gen, um dort ausge­fal­le­ne Beschäf­tig­te zu vertre­ten. «Omikron hat nun einen signi­fi­kan­ten Einfluss auf unsere Arbeit», hieß es am Freitag in einem Schrei­ben an das Perso­nal, aus dem der «Guardi­an» zitier­te. Das zeige sich nicht nur daran, dass die Zahl der einge­lie­fer­ten Covid-Patien­ten in der vergan­ge­nen Woche um rund ein Drittel gestie­gen sei, sondern auch daran, dass viele der Beschäf­tig­ten erkrankt seien.

«So geht es los», schrieb der Berli­ner Virolo­ge Chris­ti­an Drosten auf Twitter mit Bezug auf die Schil­de­run­gen im «Guardi­an». «Omikron wird zu massi­ven krank­heits­be­ding­ten Arbeits­aus­fäl­len führen. Auch in essen­ti­el­len Berufsgruppen.»

Aktuell werden täglich bereits 800 bis 900 Covid-Patien­ten pro Tag ins Kranken­haus einge­lie­fert. Der briti­sche Premier Boris Johnson steht nach einer Rebel­li­on von fast 100 Abgeord­ne­ten seiner eigenen Partei bei einer kürzli­chen, modera­ten Verschär­fung der Corona-Maßnah­men politisch unter Druck. Außer­dem fehlt es ihm nach etlichen Berich­ten über Lockdown-Partys in der Downing Street zuneh­mend an der Autori­tät zur Verhän­gung strik­te­rer Maßnahmen.

Am Freitag sind allein in London 27.000 neue Corona-Infek­tio­nen gemel­det worden. Omikron ist bereits die mit Abstand dominie­ren­de Varian­te. In Großbri­tan­ni­en insge­samt wurde mit mehr als 93.000 Infek­tio­nen ein neuer Tages­re­kord aufge­stellt. Am Wochen­en­de wollten Vertre­ter aller vier briti­schen Landes­tei­le über die Situa­ti­on beraten.