BERLIN (dpa) — Vor sieben Jahren wurde der Mindest­lohn in Deutsch­land einge­führt — seither ist er um 1,10 Euro gestie­gen. Nun ist die nächs­te Erhöhungs­stu­fe da. Über die weite­re Entwick­lung gibt es aber Streit.

Der gesetz­li­che Mindest­lohn in Deutsch­land steigt zum 1. Januar auf 9,82 Euro je Stunde. Derzeit liegt er bei 9,60 Euro. Zum 1. Juli 2022 gibt es eine weite­re Erhöhung auf dann 10,45 Euro.

Diese Erhöhungs­schrit­te folgen den Vorga­ben der Mindest­lohn­kom­mis­si­on, die mit Vertre­te­rin­nen und Vertre­tern von Arbeit­ge­bern und Gewerk­schaf­ten besetzt ist. Wegen der höheren Lohnun­ter­gren­ze und wegen des steigen­den Fachkräf­te­be­darfs können die Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer nach einer Unter­neh­mens­um­fra­ge des Ifo-Insti­tuts im neuen Jahr insge­samt mit deutli­chen Lohner­hö­hun­gen rechnen.

Erhöhung auf 12 Euro geplant

Beim Mindest­lohn will Bundes­ar­beits­mi­nis­ter Huber­tus Heil (SPD) Anfang des Jahres ein Gesetz für eine Erhöhung auf 12 Euro noch in diesem Jahr vorle­gen. Damit will Heil ein Verspre­chen der Ampel­ko­ali­ti­on umsetzen.

Über den Schritt zu 12 Euro Mindest­lohn gibt es aber noch Streit. DGB-Vorstands­mit­glied Stefan Körzell forder­te zum Jahres­wech­sel: «Die Koali­ti­on muss die 12 Euro zügig in 2022 auf den Weg bringen, denn im üblichen Verfah­ren der Mindest­lohn­kom­mis­si­on würden wir erst zum Ende des Jahrzehnts auf diesen Betrag kommen.» Deutsch­lands Arbeit­ge­ber haben hinge­gen angekün­digt, eine Klage gegen eine gesetz­li­che Anhebung des Mindest­lohns prüfen zu wollen.

Kritik an 12-Euro-Plan

Handwerks­prä­si­dent Hans Peter Wolls­ei­fer hatte der dpa gesagt, 12 Euro schon 2022 würde zahlrei­che Tarif­ver­trä­ge obsolet machen. Der einzi­ge Weg aus diesem Dilem­ma sei es, sich die 12 Euro als Zielset­zung vorzu­neh­men — «aber nicht schon für das Jahr 2022».

Arbeit­ge­ber­prä­si­dent Rainer Dulger hatte die 12-Euro-Pläne der Regie­rung als «grobe Verlet­zung der Tarif­au­to­no­mie» kriti­siert. «Ob, wann und wie wir das Vorge­hen der Bundes­re­gie­rung quali­fi­ziert juris­tisch überprü­fen lassen, kommt ganz darauf an, wann dieser politi­sche Mindest­lohn durch­ge­setzt werden soll», sagte Dulger der dpa. «Die Tarif­au­to­no­mie ist verfas­sungs­recht­lich geschützt.» 12 Euro Mindest­lohn waren ein zentra­les Wahlkampf-Verspre­chen des jetzi­gen Bundes­kanz­lers Olaf Scholz (SPD).

Eine generel­le gesetz­li­che Lohnun­ter­gren­ze gibt es in Deutsch­land seit 2015. Einge­führt wurde sie auf einem Niveau von 8,50 Euro. Die Gewerk­schaf­ten argumen­tie­ren, dass dies damals schon zu niedrig gewesen sei und deshalb eine einma­li­ge Erhöhung per Gesetz angezeigt sei. Die Mindest­lohn­kom­mis­si­on entschei­det über die regel­mä­ßi­gen Erhöhungs­schrit­te auf der Basis der voran­ge­gan­ge­nen Tarif­ent­wick­lung, die vom Statis­ti­schen Bundes­amt im Tarif­in­dex ermit­telt wird.

«Armuts­fes­ter Mindest­lohn überfällig»

Körzell sagte: «Ein armuts­fes­ter Mindest­lohn ist überfäl­lig.» Dafür gälten 60 Prozent des mittle­ren Einkom­mens bei Vollbe­schäf­ti­gung als Maßstab. Das wird in Deutsch­land laut Körzell mit «mindes­tens 12 Euro» erreicht. «Mindes­tens 8,5 Millio­nen Menschen, meist sind dies Frauen, würden davon profi­tie­ren», sagte er.

Allge­mein können viele Arbeit­neh­mer 2022 mit deutli­chen Lohner­hö­hun­gen rechnen. Laut Unter­neh­mens­um­fra­ge des Ifo-Insti­tuts gehen von 630 befrag­ten Perso­nal­chefs 78 Prozent davon aus, «dass in ihrer Beleg­schaft insge­samt die Löhne um durch­schnitt­lich 4,7 Prozent steigen werden». Im Dienst­leis­tungs­be­reich werde der Lohnan­stieg mit durch­schnitt­lich 5,8 Prozent voraus­sicht­lich am höchs­ten ausfal­len, heißt es in der Studie, die der dpa vorliegt und über die der «Spiegel» zuvor berich­tet hat.