BERLIN/MAINZ (dpa) — Echte Siegchan­cen hat Gerhard Trabert angesichts der breiten Unter­stüt­zung für Amtsin­ha­ber Stein­mei­er nicht. Aber der Arzt will mit seiner Kandi­da­tur das Thema sozia­le Gerech­tig­keit in den Blick rücken.

Die Linke schlägt einen eigenen Kandi­da­ten für die Bundes­prä­si­den­ten­wahl vor: den Mainzer Sozial­me­di­zi­ner Gerhard Trabert.

Die Partei­vor­sit­zen­de Susan­ne Hennig-Wellsow bezeich­ne­te den 65-Jähri­gen, der für sein Engage­ment für Obdach­lo­se, Arme und Geflüch­te­te bekannt ist, am Sonntag­abend auf Twitter als «Menschen der Tat mit großem Herzen». Der partei­lo­se Arzt soll bei der Bundes­ver­samm­lung im Febru­ar gegen Amtsin­ha­ber Frank-Walter Stein­mei­er antre­ten. Dieser kann mit einer breiten Mehrheit für seine Wieder­wahl rechnen, da ihn sowohl die Ampel-Koali­ti­on aus SPD, Grünen und FDP als auch CDU und CSU unterstützen.

Eine offizi­el­le Vorstel­lung Traberts als Kandi­dat für das Amt des Bundes­prä­si­den­ten ist für Diens­tag geplant, wie ein Linke-Partei­spre­cher am Abend bestä­tig­te. Zuerst hatte die «Süddeut­sche Zeitung» über die Kandi­da­tur berichtet.

«Mehr sozia­le Gerech­tig­keit wagen»

«Würdig und eine gute Wahl für das Amt des Bundespräsident​en», schrieb Links­frak­ti­ons­chef Dietmar Bartsch am Sonntag­abend auf Twitter. «Profes­sor Gerhard Trabert ist tagtäg­lich mit dem Arztmo­bil unter­wegs, um obdach­lo­se Menschen zu versor­gen, war in vielen Krisen­ge­bie­ten als Arzt und Seenot­ret­ter tätig, wurde mit dem Bundes­ver­dienst­kreuz geehrt.»

«Meine Kandi­da­tur steht unter dem Slogan: Mehr sozia­le Gerech­tig­keit wagen», sagte Trabert der Deutschen Presse-Agentur. Im Programm der neuen Bundes­re­gie­rung könne er dies nicht erken­nen. «Viele Politi­ker sind so weit entfernt von der Lebens­rea­li­tät der Empfän­ger von Trans­fer­leis­tun­gen, dass sie nicht mehr nachvoll­zie­hen können, was es bedeu­tet, von Hartz IV leben zu müssen.» Es müsse Aufga­be eines Bundes­prä­si­den­ten sein, das Thema der Ungleich­heit in Deutsch­land stärker zu akzen­tu­ie­ren. Gerade in der Pande­mie werde viel zu wenig beach­tet, dass Krank­heit und Sterb­lich­keit sehr mit dem sozia­len Status verbun­den seien. Trabert warf der Bundes­re­gie­rung außer­dem vor, angesichts der Not von Flücht­lin­gen im Mittel­meer der humani­tä­ren Verant­wor­tung Deutsch­lands in keiner Weise gerecht zu werden.

Zivile Einsät­ze zur Seenotrettung

Der Medizi­ner ist Gründer und Vorsit­zen­der des Vereins Armut und Gesund­heit in Deutsch­land. Er nahm wieder­holt an zivilen Einsät­zen zur Seenot­ret­tung von Migran­ten im Mittel­meer teil. Bei der Bundes­tags­wahl im Septem­ber hatte Trabert im Wahlkreis Mainz als Direkt­kan­di­dat der Linken für den Bundes­tag kandi­diert, er wurde aber nicht gewählt.

Die Bundes­ver­samm­lung tritt am 13. Febru­ar zusam­men. Sie wird 1472 Mitglie­der zählen — die 736 Abgeord­ne­ten des Bundes­tags und eine gleich große Zahl von Menschen, die die 16 Landta­ge entsen­den. Die Linke stellt dort nach dpa-Recher­chen 71 Mitglie­der. Die AfD hatte ebenfalls angekün­digt, einen Kandi­da­ten aufzu­stel­len, aber noch keinen Namen genannt.

Bei Stein­mei­ers erster Wahl zum Bundes­prä­si­den­ten vor fünf Jahren hatte die Linke ebenfalls einen Gegen­kan­di­da­ten aufge­stellt, damals schick­te sie den Armuts­for­scher Chris­toph Butter­weg­ge ins Rennen.