KIEW (dpa) — Die Ukrai­ne bekommt weite­re Waffen und Unter­stüt­zung. Die braucht das Land auch, denn im Osten greift Russland unerbitt­lich an. Ein Überblick über die Entwick­lun­gen in der Nacht und ein Ausblick auf den Tag.

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj wird die Inter­es­sen seines kriegs­ge­plag­ten Landes bei den Gipfeln von G7 und Nato Ende Juni vertreten.

Er habe dankbar die Einla­dun­gen zu den Spitzen­tref­fen angenom­men, teilte Selen­skyj am Mittwoch­abend auf Twitter mit. Unklar blieb zunächst, ob der ukrai­ni­sche Staats­chef dafür sein Land verlas­sen wird oder wie bei anderen Treffen per Video zugeschal­tet wird. Selen­skyj sah insge­samt große Fortschrit­te bei der inter­na­tio­na­len Unter­stüt­zung für sein Land, wie er in seiner abend­li­chen Video­an­spra­che sagte.

Die militä­ri­sche Lage — vor allem in der Ostukrai­ne — blieb dagegen äußerst gespannt. «Der erbit­ter­te Kampf um das Gebiet Luhansk geht weiter», teilte der ukrai­ni­sche Oberkom­man­die­ren­de Walerij Saluschnyj mit. Die russi­schen Truppen griffen dort aus neun Richtun­gen zugleich an, schrieb er auf Facebook.

Viele inter­na­tio­na­le Kontak­te der Ukraine

Selen­skyj liste­te in seinem abend­li­chen Video alle inter­na­tio­na­len Kontak­te vom Mittwoch auf: Telefo­na­te mit US-Präsi­dent Joe Biden und dem briti­schen Premier­mi­nis­ter Boris Johnson, ein Treffen mit den Regie­rungs­chefs aus Albani­en und Monte­ne­gro, Edi Rama und Dritan Abazo­vic. Von dem Treffen der US-geführ­ten Ukrai­ne-Kontakt­grup­pe am Mittwoch in Brüssel gehe das Signal aus, dass Waffen­lie­fe­run­gen verste­tigt werden, sagte Selenskyj.

Biden kündig­te nach dem Telefo­nat mit Selen­skyj weite­re Waffen­lie­fe­run­gen im Umfang von einer Milli­ar­de US-Dollar an. Außer­dem stell­ten die USA weite­re 225 Millio­nen US-Dollar (rund 217 Millio­nen Euro) an humani­tä­rer Unter­stüt­zung für das Land bereit.

Bundes­ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rin Chris­ti­ne Lambrecht (SPD) sagte die Liefe­rung von drei Mehrfach­ra­ke­ten­wer­fern vom Typ Mars II zu. Dies ist aller­dings ein System weniger als erwar­tet. Anfang Juni hatte es am Rande einer General­de­bat­te im Bundes­tag noch aus Regie­rungs­krei­sen gehei­ßen, Deutsch­land werde vier Mehrfach­ra­ke­ten­wer­fer liefern.

Selen­skyj sagte, zur Gruppe der sieben führen­den westli­chen Indus­trie­na­tio­nen habe Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) ihn einge­la­den. Die Einla­dung zur Nato komme von General­se­kre­tär Jens Stolten­berg. Das G7-Treffen soll vom 26. bis 28. Juni in dem alpinen Luxus­ho­tel Schloss Elmau in Bayern statt­fin­den. Zu den G7 gehören neben den USA und Deutsch­land noch Japan, Großbri­tan­ni­en, Frank­reich, Itali­en und Kanada, außer­dem ist die EU bei allen Treffen vertreten.

Direkt im Anschluss beginnt in der spani­schen Haupt­stadt Madrid der Nato-Gipfel, bei dem es vor allem um die Stärkung der Ostflan­ke gegen Russland geht. Stolten­berg sagte zur Frage, ob Selen­skyj nach Madrid kommen werde: «Er ist willkom­men, persön­lich zu kommen. Wenn das für ihn nicht möglich ist, wird er per Video­kon­fe­renz zu uns sprechen.»

Zu den engen inter­na­tio­na­len Kontak­ten der Ukrai­ne würde auch ein erwar­te­ter Besuch von Scholz, Frank­reichs Präsi­dent Emmanu­el Macron und Itali­ens Regie­rungs­chef Mario Draghi passen. Wie bei anderen Besuchen in Kiew unter Kriegs­be­din­gun­gen war aber nicht zu erwar­ten, dass diese Reise offizi­ell bestä­tigt wird, bevor die drei Politi­ker sicher angekom­men sind.

Kämpfe um das Gebiet Luhansk

«Um unsere Truppen zu vertrei­ben, setzt der Feind Flugzeu­ge, Mehrfach-Raketen­wer­fer und Artil­le­rie ein», schrieb der Oberkom­man­die­ren­de Saluschnyj über die Kämpfe im Osten. Der Schlüs­sel der ukrai­ni­schen Vertei­di­gungs­ope­ra­ti­on sei die seit Tagen umkämpf­te Stadt Sjewjer­odo­nezk. Die Großstadt als Sitz der ukrai­ni­schen Verwal­tung im Gebiet Luhansk ist bereits zu großen Teilen in russi­schen Händen. Für die Ukrai­ne wäre die Aufga­be der Stadt eine bedeu­ten­de symbo­li­sche Nieder­la­ge. Für Russland wieder­um ist die vollstän­di­ge Erobe­rung des Gebie­tes Luhansk ein wichti­ges Kriegsziel.

Noch weniger russi­sches Gas für Deutschland

Der russi­sche Energie­kon­zern Gazprom hat die Gaslie­fer­men­gen durch die Ostsee­pipe­line Nord Stream 1 nach Deutsch­land erneut reduziert. Von der Nacht zu Donners­tag an sollten täglich nur noch maximal 67 Millio­nen Kubik­me­ter durch die Leitung gepumpt werden, kündig­te Gazprom an. Erneut begrün­de­te das Staats­un­ter­neh­men diesen Schritt mit Verzö­ge­run­gen bei Repara­tur­ar­bei­ten. Schon am Diens­tag hatte Gazprom die Reduk­ti­on des Tages­vo­lu­mens von 167 Millio­nen um rund 40 Prozent auf 100 Millio­nen Kubik­me­ter Gas pro Tag verkün­det und auf Verzö­ge­run­gen bei der Repara­tur von Gasver­dich­tern verwiesen.

Nach Einschät­zung von Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck will Russland mit den Liefer­kür­zun­gen Unruhe stiften. «Die Begrün­dung der russi­schen Seite ist schlicht vorge­scho­ben. Es ist offen­kun­dig die Strate­gie, zu verun­si­chern und die Preise hochzu­trei­ben», hatte der Grünen-Politi­ker gesagt. Aktuell könnten die Mengen am Markt beschafft werden, wenn auch zu hohen Preisen. Es werde aktuell noch einge­spei­chert: «Die Versor­gungs­si­cher­heit ist gewährleistet.»

Das wird heute wichtig

«Die Ukrai­ne hat alles getan, was möglich war, um den Kandi­da­ten­sta­tus zu erhal­ten», sagte Selen­skyj über die EU-Ambitio­nen seines Landes. Kiew hatte kurz nach dem russi­schen Überfall vom 24. Febru­ar den Beitritt zur EU beantragt. Die EU-Kommis­si­on will am Donners­tag ihre Empfeh­lung abgeben, ob dem Land der Kandi­da­ten­sta­tus gewährt werden sollte. Anschlie­ßend wollen sich die EU-Staaten bei ihrem EU-Gipfel Ende kommen­der Woche damit befas­sen. Die EU-Staaten müssen letzt­lich einstim­mig darüber entscheiden.

Der russi­sche Präsi­dent Wladi­mir Putin wieder­um will beim Inter­na­tio­na­len Wirtschafts­fo­rum in St. Peters­burg angesichts der westli­chen Sanktio­nen mit Vertre­tern der Automo­bil­bran­che sprechen.