BERLIN (dpa) — Wärme­räu­me für Bedürf­ti­ge, Laufzeit­ver­län­ge­rung für Kernkraft­wer­ke, Verbot von Gassper­ren für Privat­ver­brau­cher: Die Politik ringt darum, wie Deutsch­land ohne große Verwer­fun­gen durch den Winter kommt.

Angesichts der Gaskri­se kommt aus der FDP und der Union weiter Druck, eine Laufzeit­ver­län­ge­rung der verblie­be­nen deutschen Atomkraft­wer­ke in Betracht zu ziehen. Zugleich gewinnt die Debat­te an Fahrt, wie sozia­le Härten abgefe­dert werden können — auch mit Blick auf eine mögli­che Zuspit­zung der Lage im Winter. CSU-Chef Markus Söder warnte im ARD-Sommer­in­ter­view: «Es ist ein wirkli­ches Chaos, das da im Winter vor uns steht. Und mein Gefühl und meine Sorge ist einfach, dass der Ernst der Lage noch nicht bei allen angekommen.»

Die Politik müsse angesichts eines zu befürch­ten­den Gasman­gels «alles dafür tun, gut durch den Winter zu kommen», sagte der stell­ver­tre­ten­de FDP-Frakti­ons­vor­sit­zen­de Lukas Köhler der Tages­zei­tung «Welt». «Dazu gehört auch eine ideolo­gie­freie Debat­te darüber, ob wir die noch laufen­den Kernkraft­wer­ke diesen Winter verlän­gern müssen. Die sind zwar kein Allheil­mit­tel, aber in einer Mangel­la­ge muss das Gas zum Heizen der Wohnun­gen und für die Indus­trie zur Verfü­gung stehen», forder­te Köhler.

Söder sagte im ARD-Inter­view weiter: Es mache keinen Sinn, «Strom für 10 Millio­nen Haushal­te — das sind nämlich die drei AKWs, die noch da sind — abzuschal­ten». Deutsch­land will zum Jahres­en­de komplett aus der Atomener­gie aussteigen.

Grüne wollen AKWs nicht verlängern

Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck und Umwelt­mi­nis­te­rin Steffi Lemke (beide Grüne) hatten von länge­ren AKW-Laufzei­ten abgera­ten. «Einem kleinen Beitrag zur Energie­ver­sor­gung stünden große wirtschaft­li­che, recht­li­che und sicher­heits­tech­ni­sche Risiken entge­gen», hieß es in einem Prüfver­merk der Minis­te­ri­en. Auch die drei Betrei­ber lehnen einen Weiter­be­trieb ab. Söder kriti­sier­te die Ableh­nung der Grünen: «Das ist eine rein ideolo­gi­sche Position.»

Unter­stüt­zung wurde für den Vorstoß Lemkes zu einem Morato­ri­um für Gas- und Strom­sper­ren laut. Die auch für Verbrau­cher­schutz zustän­di­ge Minis­te­rin will Bürge­rin­nen und Bürger vor solchen Sperren bewah­ren, sollten Preis­ga­ran­tien seitens der Versor­ger nicht einge­hal­ten werden können. «Strom- und Energie­sper­ren sind ein barba­ri­scher Akt. (…) Man muss sie verbie­ten», sagte der Haupt­ge­schäfts­füh­rer des Paritä­ti­schen Wohlfahrts­ver­bands, Ulrich Schnei­der, der «Frank­fur­ter Rundschau». Kurzfris­tig könne ein Morato­ri­um helfen, wie es während einer frühen Phase der Corona-Pande­mie für Mietzah­lun­gen gegol­ten habe.

Lemke hatte der «Bild am Sonntag» gesagt, derzeit sei die Gasver­sor­gung gesichert — aller­dings müsse man sich auf «schwie­ri­ge Zeiten» im Winter einstel­len, in denen Verbrau­cher beson­de­ren Schutz benötigten.

Linke fordert staat­li­che Preisaufsicht

Ein Verbot von Gas- und Strom­sper­ren sei der richti­ge Weg, um Menschen «zumin­dest für den Moment in einer existen­zi­el­len Lage zu schüt­zen», sagte Linken-Chefin Janine Wissler der «Rheini­schen Post». «Aller­dings werden viele ohne eine konti­nu­ier­li­che Unter­stüt­zung, wie einen längst fälli­gen sozia­len Klima­bo­nus, nicht aus der Falle kommen, ihre hohen Rechnun­gen nicht beglei­chen zu können.» Um zu verhin­dern, dass Energie­kon­zer­ne sich auf Kosten der Verbrau­cher berei­chern, sei auch eine staat­li­che Preis­auf­sicht nötig.

Die wirtschafts­po­li­ti­sche Spreche­rin der Unions­frak­ti­on, Julia Klöck­ner, äußer­te sich kritisch zum Vorstoß, «Wärme­inseln» für den Fall eines sehr kalten Winters vorzu­se­hen. «Wärme­inseln für Ärmere bereit­zu­stel­len, das kann sicher nicht die Lösung sein, so weit sollten wir es in Deutsch­land nicht kommen lassen. Keiner sollte in seinen vier Wänden frieren müssen», sagte sie der «Rheini­schen Post». Angesichts drohen­der Gasknapp­heit und hoher Energie­prei­se hatte der Städte- und Gemein­de­bund die Einrich­tung von Wärme­räu­men insbe­son­de­re für ältere Menschen ins Spiel gebracht.

Der energie­po­li­ti­sche Sprecher der Unions­frak­ti­on, Andre­as Jung (CDU), forder­te in der «Welt»: «Die Koali­ti­on muss sofort einen Energie­spar­plan für alle Bundes­ge­bäu­de umset­zen und sich mit Ländern und kommu­na­len Spitzen­ver­bän­den auf einen natio­na­len Gasspar­pakt verständigen.»