NEW YORK (dpa) — Carlos Santa­na ist beim legen­dä­ren «Woodstock»-Festival aufge­tre­ten, hat den Latino-Rock erfun­den und mehr als 100 Millio­nen Alben verkauft. Jetzt wird der ameri­ka­nisch-mexika­ni­sche «Gitar­ren­gott» 75 Jahre alt.

Seit Jahrzehn­ten tourt Carlos Santa­na um die Welt und veröf­fent­licht ein Album nach dem anderen — aber Arbeit sei das alles nicht gewesen.

«Nichts war je ein Beruf. Es war ein Geschenk. Es war keine Arbeit, es war Staunen», sagte der «Gitar­ren­gott» jüngst dem «Billboard»-Magazin. Am Mittwoch (20. Juli) wird Santa­na 75 Jahre alt — aber «unsterb­lich» sei er sowie­so schon, sagt der Super­star. «Wenn ich mich selbst sehe, wie mich Leute auf der Welt behan­deln, scheint das sehr überir­disch zu sein.»

Bis Ende des Jahres hat der Musiker schon wieder einen vollge­pack­ten Tour-Plan, mit Konzer­ten vor allem in den USA und Kanada. Zwei neue Alben hat er seit 2019 veröf­fent­licht, zudem entsteht laut Branchen­platt­form «Varie­ty» derzeit eine Dokumen­tar­film über ihn, unter der Regie von Rudy Valdez. Aber immer wieder hatte Santa­na zuletzt auch mit gesund­heit­li­chen Proble­men zu kämpfen: Eine Herz-OP im vergan­ge­nen Jahr, eine Corona-Infek­ti­on, und erst vor kurzem brach er bei einem Konzert auf der Bühne zusam­men. Große Hitze und Flüssig­keits­man­gel seien der Grund gewesen und es gehe ihm wieder besser, teilte der Sänger danach mit.

Musik ist sein natür­li­ches Element

Der Einstieg in die Musik sei für ihn völlig natür­lich gewesen, erzähl­te Santa­na einmal der Deutschen Presse-Agentur. «Ich weiß gar nicht, was das Wort Karrie­re heißt, denn mein Vater, sein Vater und dessen Vater waren Musiker. Für uns war das also immer eine Art zu leben, keine Karrie­re oder ein Beruf.»

Der 1947 in der mexika­ni­schen Klein­stadt Autlán de Navar­ro gebore­ne und in Tijua­na aufge­wach­se­ne Musiker wollte schon als Kind genau so werden wie sein Vater. «Ich war hinge­zo­gen zur Musik, weil ich alle — Kinder, ältere Menschen und vor allem Frauen — gesehen haben, wie sie meinen Vater angeschaut haben. Jedes Mal, wenn er gespielt hat, haben die Frauen gesagt: “Oh, Don Jose!” Und ich wollte das auch. Ich wusste damals nicht, wie man es nennt, aber heute nennen wir es vergöttern.»

Der kleine Carli­tos fing an, Geige zu spielen, sein Vater gab ihm Unter­richt. Die Mutter brach­te ihm unter­des­sen das «Streben nach Spitzen­leis­tun­gen» bei. «Meine Mutter sagte: “Ja, wir sind arm, aber wir sind nicht dreckig und eklig, mach das Haus sauber.”»

Später wechsel­te Santa­na zur Gitar­re. Als die Familie nach San Francis­co in die USA umzog, konnte der Teenager dort viele seiner musika­li­schen Vorbil­der wie B.B. King live auf der Bühne sehen. In den 1960er Jahren gründe­te er die «Santa­na Blues Band». Als der 22-jähri­ge Santa­na 1969 beim «Woodstock»-Festival schweiß­ge­ba­det und mit strub­be­li­gen Locken in hautenger Weste «Soul Sacri­fice» spiel­te, wurden er und seine Band mit einem Schlag berühmt — dabei erschien das erste Album der Band erst zwei Wochen später. «Es war beängs­ti­gend, auf ein Meer von Menschen zu blicken, ohne überhaupt eine Platte auf dem Markt zu haben. Und plötz­lich stehst du auf der Bühne mit Jimi Hendrix, Sly Stone, The Who und all den anderen.»

Bald war der «Gott der Gitar­re» mit Hut, Schnurr­bart und schul­ter­lan­gen Locken mindes­tens genau­so berühmt wie «all die anderen» — er gilt als einer der virtuo­ses­ten Gitar­ren­spie­ler aller Zeiten, wurde mit zahlrei­chen Musik­prei­sen ausge­zeich­net, und seine mehr als 40 Alben verkauf­ten sich millionenfach.

Klänge wie eine innige Umarmung

Seine Musik sei einfach eine «Art guter Service­leis­tung», sagt Santa­na. Er braucht nur ein paar Noten anzustim­men, dann erken­nen Millio­nen Menschen weltweit seinen ganz spezi­el­len Sound. «Der Klang, für den ich stehe, wird mit der ersten Note erkannt», sagt der Vater dreier Kinder, der mit seiner zweiten Ehefrau im Westen der USA lebt. «Manch­mal muss man einen Ton lange halten, um tiefer darin zu versin­ken. Es ist so, als ob man jeman­den liebt und es beim Wieder­se­hen nach langer Zeit eine innige Umarmung gibt.»

Santa­na spiel­te mit Band, mit Gastmu­si­kern oder auch allei­ne und integrier­te immer neue Einflüs­se in seine Musik: Jazz, Klassik, afrika­ni­sche und indische Elemen­te. Seinem Latino-Gitar­ren­sound blieb er trotz allem treu — schließ­lich war dieser zu seinem Marken­zei­chen gewor­den. Songs wie «Oye Como Va» und «Samba Pa Ti» wurden zu Klassi­kern. Nachdem einige Alben schlech­ter liefen, gelang Santa­na 1999 ein sensa­tio­nel­les Comeback mit «Super­na­tu­ral», das mit neun Grammys ausge­zeich­net wurde und sich 25 Millio­nen Mal verkauf­te — und Songs wie «Smooth» und «Maria, Maria» zu Welthits machte.

Aber Hits seien ihm gar nicht mehr so wichtig, sagt Santa­na. Es gehe um die Musik an sich. «Jede Note, die ich im Lauf meines Lebens noch spiele, soll himmlisch und korrekt sein.»

Von Chris­ti­na Horsten, dpa