OXFORD/BERLIN (dpa) — Sich gesund ernäh­ren und möglichst die Umwelt dabei schüt­zen — das lässt sich oft gut verein­ba­ren. Doch wie sieht es bei zusam­men­ge­setz­ten Super­markt-Produk­ten aus?

Wer beim Lebens­mit­tel­ein­kauf der Umwelt etwas Gutes tun will, sollte Fleisch, Fisch und Käse meiden und lieber verstärkt zu Obst, Gemüse und Brot greifen. Das belegt eine briti­sche Studie, in der die Umwelt­aus­wir­kun­gen von mehr als 57.000 im Super­markt erhält­li­chen Produk­ten einge­schätzt wurden, darun­ter viele verar­bei­te­te Lebens­mit­tel. Wie die Autoren in den «Procee­dings» der US-Natio­na­len Akade­mie der Wissen­schaf­ten («PNAS») zudem berich­ten, weisen viele nahrhaf­te Produk­te eine gerin­ge Umwelt­be­las­tung auf.

Die Themen Klima und Umwelt sind 84 Prozent der Deutschen bei der Ernäh­rung wichtig oder sehr wichtig. Das berich­tet der aktuel­le Ernäh­rungs­re­port des Bundes­mi­nis­te­ri­ums für Ernäh­rung und Landwirt­schaft. Gleich­zei­tig fühlen sich 27 Prozent weniger oder gar nicht gut über die entspre­chen­den Zusam­men­hän­ge informiert.

Tatsäch­lich schei­nen sich nicht wenige Verbrau­cher überfor­dert zu fühlen, wenn es darum geht, Entschei­dun­gen für eine umwelt­freund­li­che Ernäh­rung zu treffen. Hinzu kommt, dass Super­markt­pro­duk­te häufig aus Kombi­na­tio­nen verschie­de­ner Zutaten bestehen.

Auswir­kun­gen auf Emissio­nen, Landnut­zung und Wasserverbrauch

Um auch die Umwelt­fol­gen solcher Produk­te besser abschät­zen zu können, hat ein Team unter Leitung von Forschern der Univer­si­tät von Oxford einen Algorith­mus entwi­ckelt, mit dem es die Gesamt­wir­kun­gen von mehr als 57.000 im Einzel­han­del erhält­li­chen Lebens­mit­teln und Geträn­ken im Verei­nig­ten König­reich und Irland abschätz­te. Die Autoren quanti­fi­zier­ten dabei etwa die Auswir­kun­gen der Lebens­mit­tel auf Treib­haus­gas­emis­sio­nen, Landnut­zung und Wasserverbrauch.

Daraus ermit­tel­ten sie dann einen einzi­gen zusam­men­ge­setz­ten Umwelt­aus­wir­kungs­wert pro 100 Gramm des jewei­li­gen Produkts, der von 0 (keine Auswir­kun­gen) bis zu 100 (größte Auswir­kun­gen) reicht. «Zum ersten Mal haben wir eine trans­pa­ren­te und vergleich­ba­re Metho­de zur Bewer­tung des ökolo­gi­schen Fußab­drucks von verar­bei­te­ten Lebens­mit­teln mit mehre­ren Zutaten», fasst Koautor Peter Scarbo­rough zusam­men. «Diese Arten von Lebens­mit­teln machen den größten Teil unserer Super­markt­ein­käu­fe aus, aber bis jetzt gab es keine Möglich­keit, ihre Auswir­kun­gen auf die Umwelt direkt zu vergleichen.»

Tieri­sche Produk­te schnei­den schlecht ab

Den höchs­ten Wert erreich­ten in der Studie Produk­te aus getrock­ne­tem Rindfleisch wie Biltong oder Beef Jerky — derar­ti­ge Dörrfleisch-Produk­te finden sich als Snacks auch hierzu­lan­de in immer mehr Super­märk­ten. In der Regel hatten Produk­te aus Fleisch, Fisch und Käse einen eher höheren Wert, während sich viele Desserts und Backwa­ren im mittle­ren Bereich und Produk­te aus Obst, Gemüse, Zucker und Mehl wie Suppen, Salate, Brot und viele Frühstücks­flo­cken am unteren Ende der Skala befanden.

In der Studie wurden zudem die Umwelt­fol­gen von Fleisch und Fleisch­al­ter­na­ti­ven, darun­ter Würst­chen oder Burger auf pflanz­li­cher Basis, vergli­chen. Dabei wiesen viele der Alter­na­tiv­pro­duk­te nur ein Fünftel bis weniger als ein Zehntel der Umwelt­aus­wir­kun­gen ihrer fleisch­ba­sier­ten Äquiva­len­te auf.

«Die briti­schen Ergeb­nis­se decken sich insge­samt mit dem, was wir für die aktuel­len Ernäh­rungs­ge­wohn­hei­ten in Deutsch­land ermit­telt haben», kommen­tiert Rolf Sommer, Leiter des Bereichs Landwirt­schaft und Landnut­zung beim WWF Deutsch­land, in einer unabhän­gi­gen Einschät­zung. «Wir sind vielfäl­tig abhän­gig von den Ökosys­tem­leis­tun­gen einer intak­ten Natur», führt Sommer aus. «Unsere Ernäh­rungs­mus­ter gefähr­den daher unsere eigene Ernäh­rungs­si­cher­heit.» Der Agrar­ex­per­te fasst zusam­men: «Mehr Obst, Gemüse, Hülsen­früch­te und Nüsse und dafür weniger tieri­sche Produk­te, das ist eine gute Formel für die Umwelt und die eigene Gesundheit.»

Nachhal­ti­ge Lebens­mit­tel sind nahrhafter

Diese Empfeh­lung passt nicht nur zu den globa­len Leitli­ni­en der «Plane­ta­ry Health Diet», die 2019 von der «Eat-Lancet»-Kommission vorge­stellt wurden und Zielvor­ga­ben für eine ausge­wo­ge­ne und umwelt­ge­rech­te Ernäh­rung enthal­ten. Sie verwei­sen auch auf eine andere Feststel­lung der aktuel­len Studie. Deren Autoren beobach­te­ten, dass nachhal­ti­ge­re Lebens­mit­tel tenden­zi­ell auch nahrhaf­ter seien.

Die Analy­se zeigte zudem große Unter­schie­de inner­halb einer Produkt­ka­te­go­rie. Je nach Inhalts­stof­fen und Zusam­men­set­zung könnten beispiels­wei­se unter­schied­li­che Pesto-Saucen deutlich vonein­an­der abwei­chen­de Umwelt­aus­wir­kun­gen und Nährwer­te haben, ähnli­che Verglei­che stell­ten die Forscher für Kekse, Lasagne und Würst­chen an. Für die Autoren bedeu­tet dies, dass selbst Verbrau­cher, für die eine größe­re Ernäh­rungs­um­stel­lung nicht möglich oder attrak­tiv genug ist, durch die Wahl bestimm­ter und entspre­chend gekenn­zeich­ne­ter Lebens­mit­tel einen Beitrag zur Verrin­ge­rung der Umwelt­fol­gen und für ihre eigene Gesund­heit leisten könnten.

Insge­samt hoffen die Forscher darauf, dass die von ihnen entwi­ckel­te Metho­de einen ersten Schritt bildet, der Verbrau­chern, Einzel­händ­lern und politi­schen Entschei­dungs­trä­gern ermög­licht, fundier­te Entschei­dun­gen über die Umwelt­aus­wir­kun­gen von Lebens­mit­teln und Geträn­ken zu treffen.