STUTTGART (dpa) — Für Deutsch­lands wohl umtrie­bigs­ten Oberbür­ger­meis­ter geht es jetzt ums Ganze: Boris Palmer will eine dritte Amtszeit in Tübin­gen. Sollte er die Wahl verlie­ren, will er ganz raus aus der Politik.

Für ihn ist es eine Wahl ohne Netz und doppel­ten Boden: Tübin­gens Oberbür­ger­meis­ter Boris Palmer kämpft am heuti­gen Sonntag um eine dritte Amtszeit — und damit auch um seine politi­sche Zukunft. Sollte er im ersten Wahlgang nicht an erster Stelle liegen, werde er im zweiten Wahlgang gar nicht mehr antre­ten, hatte der bundes­weit bekann­te Politi­ker angekün­digt. Palmer tritt als unabhän­gi­ger Kandi­dat an, weil er sich mit seiner Partei verkracht hat. Die Mitglied­schaft des 50-Jähri­gen bei den Grünen ruht bis Ende 2023 wegen Streits um Tabubrü­che und Rassismusvorwürfe.

Rund 69 000 Tübin­ge­rin­nen und Tübin­ger sind wahlbe­rech­tigt. Für die OB-Wahl sind sechs Kandi­da­ten zugelas­sen. Palmers aussichts­reichs­te Konkur­ren­tin­nen sind Ulrike Baumgärt­ner (Grüne) und Sofie Geisel (SPD, von der FDP unter­stützt). Erlangt niemand die absolu­te Mehrheit im ersten Wahlgang, ist ein zweiter erfor­der­lich. Dieser ist für den 13. Novem­ber geplant. Dann reicht eine relati­ve Mehrheit aus.

Wettbe­werbs­nach­teil im Wahlkampf: Wenige Tage vor der Wahl, also in der entschei­den­den Phase, infizier­te sich Palmer erstmals mit dem Corona­vi­rus. Nach Tagen der Isola­ti­on ist er aber nach eigenen Angaben vom Samstag nun wieder corona-negativ. Er werde am Wahlsonn­tag im Rathaus zugegen sein, sagte er.

Palmer ist bereits seit 16 Jahren Stadt­ober­haupt. «Wenn ich diese Wahl nicht für mich entschei­den kann, ist die politi­sche Figur Boris Palmer am Ende», zitier­te ihn die «Pforz­hei­mer Zeitung». Dann sei er Privat­mensch und werde sich auch in der Partei mit Wortmel­dun­gen zurück­hal­ten. «Dann bin ich Pensio­när, habe drei Kinder und setze mich bei schönem Wetter aufs Fahrrad. Ich hatte die vergan­ge­nen 20 Jahre sowie­so viel zu wenig Zeit für die Familie.» Er wolle aber Partei­mit­glied der Grünen bleiben.

Für einen Bürger­meis­ter einer 90.000-Einwohner-Stadt hat Palmer einen enormen Bekannt­heits­grad, was an häufi­gen Talkshow-Auftrit­ten und provo­kan­ten Äußerun­gen vor allem in den sozia­len Medien liegen dürfte. Wird ihm sein Amtsbo­nus und seine Bekannt­heit zu einer absolu­ten Mehrheit verhel­fen? Oder haben die Tübin­ger genug von dem provo­kant-pöbeln­den Politiker?