Die Kanzle­rin war unzufrie­den mit dem letzten Bund/Län­der-Treffen zur Bekämp­fung der Pande­mie. In ihrem Video­pod­cast appel­liert sie nun erneut direkt an die Bürger. Unter­des­sen geht die Debat­te um möglichst einheit­li­che Maßnah­men weiter.

«Wir sind nicht macht­los gegen das Virus, unser Verhal­ten entschei­det, wie stark und wie schnell es sich ausbrei­tet. Und das Gebot der Stunde heißt für uns alle: Kontak­te reduzie­ren. Viel weniger Menschen treffen», sagte sie in ihrem Videopodcast.

Vor einer Woche hatte die Kanzle­rin an dieser Stelle in einem drama­ti­schen Appell die Bürger zur Mithil­fe aufge­for­dert. Die Video­bot­schaft hatte viele Reaktio­nen hervor­ge­ru­fen. Eine Woche später habe sich die Pande­mie­la­ge noch weiter zugespitzt, sagte Merkel. «Für mich gilt das, was ich Ihnen letzte Woche gesagt habe, noch Wort für Wort (…) Und so folgt jetzt noch einmal der Podcast vom vergan­ge­nen Samstag», so die Kanzle­rin, bevor erneut die Anspra­che von vergan­ge­ner Woche abgespielt wird.

Darin hatte Merkel dazu aufge­ru­fen, Kontak­te außer­halb der eigenen Familie deutlich zu verrin­gern und darum gebeten, auf Reisen und Feiern, die «nicht wirklich zwingend notwen­dig» sind, zu verzich­ten. «Bitte bleiben Sie, wenn immer möglich, zu Hause, an Ihrem Wohnort.»

In der kommen­den Woche will sich Merkel erneut mit den Minis­ter­prä­si­den­ten der Länder treffen. Bereits jetzt werden die Rufe nach schär­fe­ren und vor allem einheit­li­che­ren Corona-Regeln lauter.

Wirtschafts­mi­nis­ter Peter Altmai­er sprach sich wie zuvor Bayerns Minis­ter­prä­si­dent Markus Söder (CSU) dafür aus, notfalls auch mehr Kompe­ten­zen auf den Bund zu verla­gern. «Entschei­dun­gen eines einzel­nen Bundes­lan­des können Auswir­kun­gen auf alle anderen Bundes­län­der haben. Deshalb brauchen wir dringend mehr gemein­sa­me Entschei­dun­gen», erklär­te er in den Zeitun­gen der Funke-Medien­grup­pe. «Entwe­der durch alle Länder zusam­men oder — wo das zu schwer­fäl­lig ist — auf Bundes­ebe­ne, wo die Länder ja durch­aus betei­ligt sind», fügte er offen­bar mit Blick auf den Bundes­rat hinzu.

Mecklen­burg-Vorpom­merns Minis­ter­prä­si­den­tin Manue­la Schwe­sig (SPD), die in der Pande­mie einen beson­ders vorsich­ti­gen und strik­ten Kurs fährt, sagte der «Bild»: «Ich sehe den Anstieg der Zahlen mit Sorge. Es ist gut, dass wir die Corona-Ampel einge­führt haben. Wir müssen aber nächs­te Woche bei der Konfe­renz der Minis­ter­prä­si­den­ten beraten, ob weite­re Schrit­te erfor­der­lich sind.»

Auch Saarlands Minis­ter­prä­si­dent Tobias Hans (CDU) hat Gesprächs­be­darf, will aber zunächst abwar­ten, ob die letzten Beschlüs­se von Bund und Ländern wirken. Sein Land habe sie schnell umgesetzt. «Ob diese ausrei­chen, wird sich in den kommen­den zehn bis vierzehn Tagen zeigen. Diese Zeit sollten wir abwar­ten, bevor wir weite­re Schrit­te einlei­ten», sagte er ebenfalls «Bild».

Merkel hatte sich bereits mit den Beschlüs­sen der vergan­ge­nen Runde mit den Minis­ter­prä­si­den­ten vor einein­halb Wochen unzufrie­den gezeigt. «Die Ansagen von uns sind nicht hart genug, um das Unheil von uns abzuwen­den», sagte die CDU-Politi­ke­rin bei den Beratun­gen laut Teilnehmern.

Bundes­weit liegt die Zahl der Neuin­fek­tio­nen inzwi­schen über dem Warnwert von 50 pro 100.000 Einwoh­ner binnen sieben Tagen. Nach Angaben des Robert Koch-Insti­tuts vom Samstag­mor­gen haben die Gesund­heits­äm­ter in Deutsch­land 14.714 neue Corona-Infek­tio­nen gemel­det, so viele wie noch nie seit Beginn der Corona-Pande­mie in Deutsch­land. Da es aller­dings am Donners­tag zeitwei­se zu Daten­lü­cken bei der Übermitt­lung von Infek­ti­ons­zah­len gekom­men war, könnten in der jüngs­ten Zahl der Neuin­fek­tio­nen entspre­chen­de Nachmel­dun­gen enthal­ten sein. Die Zahl der Todes­fäl­le in Verbin­dung mit einer Covid-19-Erkran­kung überschritt am Samstag die Marke von 10.000.

Bayerns Minis­ter­prä­si­dent Markus Söder (CSU), der in der Corona-Krise eher auf Merkels Linie liegt, will trotz zuneh­men­der Kritik an seinem eher strik­ten Kurs festhal­ten. «Ich habe keinen Grund, meinen Kurs zu ändern», sagte der CSU-Chef der «Augsbur­ger Allge­mei­nen». «Wir haben mit allen grund­sätz­li­chen Einschät­zun­gen Recht behalten.»

Für den SPD-Gesund­heits­exper­ten Karl Lauter­bach gibt es nur zwei Möglich­kei­ten: freiwil­li­ge Kontakt­be­schrän­kun­gen eines Jeden oder «immer neue Zwangs-Lockdowns». «Wird das Virus laufen gelas­sen, schie­ßen die Zahlen so schnell in die Höhe, dass die Kranken­häu­ser überfor­dert sind und viel zu viele Menschen an Corona sterben», sagte der schon seit Monaten warnen­de Epide­mio­lo­ge der «Neuen Osnabrü­cker Zeitung» («NOZ»). «Wir müssen also ganz schnell die persön­li­chen Kontak­te herun­ter­fah­ren, damit wir nicht in einem Monat im Gesund­heits­not­stand aufwachen.»

Der Landkreis­tags­prä­si­dent Reinhard Sager wies auf die Proble­me vieler Gesund­heits­äm­ter hin, die Masse an Neuin­fek­tio­nen noch nachzu­ver­fol­gen. Die Länder forder­te er auf, sie schnell perso­nell zu verstär­ken, so wie im Sommer verein­bart. Auf Grund­la­ge des Pakts von Bund und Ländern sei «derzeit noch keine Neuein­stel­lung erfolgt», so Sager in der «NOZ». Der Pakt müsse rasch umgesetzt werden. «Seitens der Länder muss es hier um Schnel­lig­keit gehen.»

Vizekanz­ler Olaf Scholz äußer­te Verständ­nis für junge Menschen, die hungrig aufs Leben sind. «Ich verste­he alle, die jeden Tag voll auskos­ten, die feiern und Freun­de treffen wollen», sagte der Finanz­mi­nis­ter und SPD-Kanzler­kan­di­dat dem Nachrich­ten­por­tal watson. Doch es brauche Geduld. «Die aktuel­len Einschrän­kun­gen zum Schutz vor Corona sind für viele nervig, für andere bedrü­ckend und für wieder andere auch wirtschaft­lich eine Zumutung. Leider sind sie nötig, um Schlim­me­res zu verhin­dern. Wir sollten weiter alles tun, um die zu schüt­zen, die wir lieben und deren Gesund­heit uns wichtig ist.»

Im beson­ders betrof­fe­nen Berlin gelten ab Samstag neue Beschrän­kun­gen. Ein Mund-Nasen-Schutz muss nun auch auf Märkten und auf zehn beson­ders beleb­ten Straßen, in Shopping­malls und Warte­schlan­gen getra­gen werden. Rund 1000 Polizis­ten wollen jeweils am Samstag und Sonntag kontrol­lie­ren, wie die verschärf­ten Regeln einge­hal­ten werden.