BERLIN (dpa) — Bundes­in­nen­mi­nis­te­rin Nancy Faeser bringt Verschär­fun­gen bei Abschie­bun­gen ins Spiel. Die Vorschlä­ge stoßen auf ein geteil­tes Echo.

Der Vorschlag von Bundes­in­nen­mi­nis­te­rin Nancy Faeser (SPD) für einen auf bis zu vier Wochen verlän­ger­ten Ausrei­se­ge­wahr­sam stößt auch inner­halb der SPD auf Kritik. Die Auswei­tung des Ausrei­se­ge­wahr­sams und die Ausdeh­nung der Polizei­be­fug­nis­se seien «aus sozial­de­mo­kra­ti­scher Sicht mehr als schwie­rig», sagte der Bundes­vor­sit­zen­de der Arbeits­ge­mein­schaft Migra­ti­on und Vielfalt in der SPD, Aziz Bozkurt, der «Stutt­gar­ter Zeitung» und den «Stutt­gar­ter Nachrichten».

Nordrhein-Westfa­lens Minis­ter­prä­si­dent Hendrik Wüst (CDU) und Bayerns Innen­mi­nis­ter Joachim Herrmann (CSU) verlang­ten dagegen mehr Anstren­gun­gen der Bundes­re­gie­rung für schnel­le­re Abschiebungen.

Bozkurt sagte den Zeitun­gen, Verschär­fun­gen bei Abschie­be­re­ge­lun­gen führten keines­falls zu mehr Abschie­bun­gen, jedoch ergäben sich schwie­ri­ge humani­tä­re Fragen. «Es scheint die seehof­ersche Symbol­po­li­tik zurück­ge­kehrt zu sein, die nieman­dem hilft und kein Problem löst — beson­ders in den Kommu­nen nicht, die Unter­stüt­zung benötigen.»

Derzeit ist der Ausrei­se­ge­wahr­sam bis zu zehn Tage lang möglich, Faeser schlägt eine Erwei­te­rung auf bis zu 28 Tage vor. Damit sollen die Behör­den mehr Zeit bekom­men, um eine Abschie­bung vorzubereiten.

Beratun­gen für Gesetzentwürfe

Die Neure­ge­lung ist Teil eines Diskus­si­ons­ent­wurfs, den das Minis­te­ri­um nach Gesprä­chen mit Ländern und Kommu­nen erarbei­tet hat. Mit diesen soll nun weiter über das Thema beraten werden, bevor das Minis­te­ri­um Gesetz­ent­wür­fe vorlegt. Vorge­schla­gen wird von Faeser unter anderem auch, dass Wider­spruch und Klage gegen Einrei­se- und Aufent­halts­ver­bo­te keine aufschie­ben­de Wirkung mehr haben.

Der Ausrei­se­ge­wahr­sam soll verhin­dern, dass sich jemand einer in naher Zukunft bevor­ste­hen­den Abschie­bung entzieht. Daneben gibt es auch die Abschie­bungs­haft, die sich aller­dings über Monate erstre­cken kann. «Unter engen rechts­staat­li­chen Voraus­set­zun­gen» sollen die Beamten bei einer Abschie­bung zudem weite­re Räumlich­kei­ten betre­ten dürfen. Damit solle sicher­ge­stellt werden, dass Betrof­fe­ne auch tatsäch­lich in Gemein­schafts­un­ter­künf­ten angetrof­fen werden, hieß es zur Begründung.

Schar­fe Kritik kam von der Organi­sa­ti­on Pro Asyl und der Linken. «Wir haben gegen die Pläne große Beden­ken verfas­sungs­recht­li­cher und europa­recht­li­cher Art», sagte der Leiter der Europa­ab­tei­lung, Karl Kopp, dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND). «Denn beim Abschie­be­ge­wahr­sam werden Leute einge­sperrt, die nichts verbro­chen haben. Dieser Gewahr­sam soll jetzt noch verlän­gert werden.»

Der Wahlkampf steht vor der Tür

Der flücht­lings­po­li­ti­sche Sprecher von Pro Asyl, Tareq Alaows, sagte der Funke Medien­grup­pe: «Wer nach Abschie­bun­gen um jeden Preis ruft, vielleicht weil ein Wahlkampf vor der Tür steht, der bestä­tigt nur die Positio­nen der Rechten wie der AfD und vergif­tet die Stimmung im Land gegen­über Geflüch­te­ten.» Faeser tritt als Spitzen­kan­di­da­tin ihrer Partei bei der hessi­schen Landtags­wahl im Oktober an.

Der Vize-Vorsit­zen­de der Linken, Ates Gürpi­nar, verur­teil­te die Vorschlä­ge harsch. «Ich finde es skanda­lös, dass man Menschen hinter Gitter bringt, deren einzi­ges Verge­hen die Suche nach Schutz und einem besse­ren Leben ist», erklär­te er. «Solan­ge sich die Situa­ti­on in den Herkunfts­län­dern nicht verbes­sert, solan­ge werden sich die Verzwei­fel­ten weiter auf den Weg machen. Grenz­zäu­ne und Abschie­be­ge­fäng­nis­se werden diese Menschen nicht davon abhal­ten, in Deutsch­land ein siche­res und besse­res Leben zu suchen.» Er warf Faeser vor, das Geschäft der AfD zu betreiben.

Bayerns Innen­mi­nis­ter Herrmann begrüß­te die Faesers Vorschlä­ge dagegen grund­sätz­lich. «Bedau­er­lich ist aller­dings, dass das schon wieder so lange gedau­ert hat», sagte der CSU-Politi­ker dem «Münch­ner Merkur». «Jetzt kommt es darauf an, das Ganze schnell umzuset­zen.» Doch daran mange­le es bislang bei den Ankün­di­gun­gen. Er forder­te zudem weite­re Schrit­te, etwa die Einstu­fung weite­rer Herkunfts­län­der als siche­re Herkunftsstaaten.

Wüst: «zu wenig, zu langsam, zu zögerlich»

Auch NRW-Minis­ter­prä­si­dent Hendrik Wüst forder­te mehr Tempo. Die Kommu­nen seien am Limit, sagte er der Funke Medien­grup­pe. «Trotz­dem verschenkt diese Bundes­re­gie­rung erneut wertvol­le Zeit. Für eine unmit­tel­ba­re Entlas­tung müsste Minis­te­rin Faeser die bereits mit den Ländern verein­bar­ten Neure­ge­lun­gen bei Abschie­bun­gen sofort umset­zen.» Doch statt Konse­quenz gebe es nur Diskus­si­ons­pa­pie­re, «zu wenig, zu langsam, zu zöger­lich. Das gelingt uns am besten, wenn weniger zu uns kommen, die gar kein Recht auf Asyl haben.»

2022 wurden nach Angaben der Bundes­re­gie­rung knapp 13.000 ausrei­se­pflich­ti­ge Perso­nen aus Deutsch­land abgescho­ben. Laut Auslän­der­zen­tral­re­gis­ter waren Ende 2022 insge­samt gut 304.000 Menschen ausrei­se­pflich­tig, davon etwa 248.000 mit einer Duldung. Neben abgelehn­ten Asylbe­wer­bern können auch Touris­ten, Arbeit­neh­mer und auslän­di­sche Studen­ten ausrei­se­pflich­tig werden, wenn ihr Visum bezie­hungs­wei­se ihre Aufent­halts­er­laub­nis abgelau­fen ist.

Gedul­de­te sind Menschen, die zwar ausrei­se­pflich­tig sind, aber aus bestimm­ten Gründen nicht abgescho­ben werden können. Das kann beispiels­wei­se daran liegen, dass sie keine Ausweis­do­ku­men­te haben, krank sind oder ein minder­jäh­ri­ges Kind haben, das eine Aufent­halts­er­laub­nis besitzt.