Die AfD feiert sich dafür, in der dritten Corona-Welle Hunder­te Mitglie­der zu versam­meln. «Deutsch­land. Aber normal» lautet ihr Slogan für die Bundes­tags­wahl. Spitzen­kan­di­da­ten gibt es noch nicht.

DRESDEN (dpa) — Noch ohne Spitzen­kan­di­da­ten und mit dem Image einer Anti-Verbots­par­tei hat die AfD ihren Bundes­tags­wahl­kampf einge­läu­tet. Auch bei den Maßnah­men zur Eindäm­mung der Corona-Pande­mie sprachen sich die Teilneh­mer eines Bundes­par­tei­ta­ges in Dresden gegen jegli­che Form von Zwang aus.

Zu Beginn des zweitä­gi­gen Partei­ta­ges mit mehr als 570 anwesen­den Delegier­ten in der Dresd­ner Messe feier­te der Vorsit­zen­de Jörg Meuthen seine Partei dafür, dass sie — anders als andere Partei­en — auf einer Präsenz­ver­an­stal­tung bestan­den hatte. Die AfD wolle «zeigen, dass diese Verbotsor­gi­en, dieses Einsper­ren, diesen Lockdown-Wahnsinn, dass es all das nicht braucht, wenn man den Menschen vertraut», sagte Meuthen mit Blick auf Corona.

Vor der Debat­te über das Programm für die Bundes­tags­wahl am 26. Septem­ber verab­schie­de­ten die Delegier­ten eine «Corona-Resolu­ti­on». Darin fordert die Partei «jedwe­den, auch indirek­ten, Zwang zur Durch­füh­rung von Tests, Impfun­gen, unter anderem durch Einfüh­rung sogenann­ter Schnell­test-Apps und des grünen Impfpas­ses, sowie Benach­tei­li­gun­gen für Masken­be­frei­te zu unterlassen».

Der Thürin­ger Landes- und Frakti­ons­chef Bjön Höcke sprach im Zusam­men­hang mit Corona von einer «herbei­ge­tes­te­ten Pande­mie» und einem «Test-Wahnsinn». Er sagte: «Die Testung und die Anzahl der Testung führt überhaupt dazu, dass wir eine Pande­mie haben.»

Eine Mehrheit der Delegier­ten votier­te dafür, mit einem Spitzen­duo in den Wahlkampf zu ziehen. Die Wahl dieses Zweier­teams solle aber noch nicht auf dem Partei­tag erfol­gen. Statt­des­sen dürfen darüber zu einem späte­ren Zeitpunkt die Mitglie­der der Partei entscheiden.

Der sächsi­sche Landes- und Frakti­ons­vor­sit­zen­de Jörg Urban warb erfolg­los für eine Wahl schon auf dem Partei­tag. Er sagte, es sei «ein Gebot der Vernunft», dass die AfD die kurze Zeit bis zur Bundes­tags­wahl am 26. Septem­ber nutze, «um unsere Spitzen­kan­di­da­ten bekannt zu machen». Als mögli­cher Spitzen­kan­di­dat ist unter anderem der sächsi­sche Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­te und Co-Partei­vor­sit­zen­de Tino Chrup­al­la im Gespräch. Auch die digital­po­li­ti­sche Spreche­rin der Bundes­tags­frak­ti­on, Joana Cotar aus Hessen, kann sich womög­lich Hoffnun­gen machen. Bei der Bundes­tags­wahl 2017 bilde­ten Alexan­der Gauland und Alice Weidel das Spitzenteam.

Die AfD geht mit dem Slogan «Deutsch­land. Aber normal» in den Wahlkampf. Dem Nachrich­ten­sen­der Phoenix sagte Cotar, damit sei auch das Gefühl gemeint, «dass konser­va­tiv, was früher vollkom­men normal war, plötz­lich irgend­wie rechts­ra­di­kal sein soll».

Die «Norma­li­tät» sei in den vergan­ge­nen 16 Jahren von Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel (CDU) und den regie­ren­den Partei­en zerstört worden, sagte Meuthen, «beglei­tet von sozia­lis­ti­schen Opposi­ti­ons­par­tei­en wie den sogenann­ten Grünen und den Linken, denen diese Zerstö­rung sogar noch nicht weit und nicht schnell genug geht».

Meuthen zitier­te auch den CDU-Slogan des Bundes­tags­wahl­kamp­fes 1976: «Freiheit statt Sozia­lis­mus». Heute stehe die AfD für Freiheit, die Grünen stünden für Sozia­lis­mus, sagte Meuthen.

Chrup­al­la rief die Delegier­ten auf, «die inner­par­tei­li­chen Klein­krie­ge der letzten Monate» hinter sich zu lassen und geeint in den Wahlkampf zu gehen. Anders als auf dem Partei­tag in Kalkar im vergan­ge­nen Novem­ber ging Meuthen diesmal nicht auf die inter­nen Rivali­tä­ten und Richtungs­kämp­fe in der Partei ein. «Wir müssen bereit sein, Verant­wor­tung zu überneh­men. Die anderen versa­gen allesamt, es kommt auf uns zu, unwei­ger­lich», sagte er.

Meuthen wies der Landtags­wahl in Sachsen-Anhalt am 6. Juni eine Schlüs­sel­stel­lung bei den Wahlen dieses Jahres zu. «Wir haben, wenn wir es diesmal richtig angehen, bei dieser Wahl die große Chance, erstmals und sogar mit einigem Abstand zur stärks­ten politi­schen Kraft in einem Bundes­land zu werden.» Damit ginge erstmals in der Geschich­te der AfD der Auftrag zu einer Regie­rungs­bil­dung einher. Deshalb brauche man «maxima­len Einsatz» für diesen Landtagswahlkampf.

Ein Antrag, Meuthen als Partei­vor­sit­zen­den vorzei­tig abzuwäh­len, schaff­te es am Samstag zwar nicht auf die Tages­ord­nung. Am Sonntag könnte jedoch über den Vorschlag abgestimmt werden, die Wieder­wahl von Bundes­vor­stands­mit­glie­dern in Zukunft nur noch zweimal zu ermög­li­chen. Damit dürfte Meuthen bei der für Ende Novem­ber geplan­ten Neuwahl der Partei­spit­ze nicht mehr antreten.

Auf Meuthen angespro­chen, sagte Höcke vor Journa­lis­ten: «Ich habe ja eben sehr deutlich gemacht, dass Herr Meuthen in meinen Augen nicht das politisch-histo­risch-philo­so­phi­sche Tiefen­be­wusst­sein besitzt, um diese Partei in ihrer Lage zu führen.» Er besit­ze «nicht die Integra­ti­ons­fä­hig­keit, um diese Partei zu führen — das hat er leider gezeigt.»

Meuthen sei trotz­dem ein Gesicht der Partei und eine wichti­ge Stimme der AfD auch in Zukunft, sagte Höcke. Er könne auch weiter ein Teil des Orches­ters sein, «aber nicht die erste Geige spielen». Höcke ist der bekann­tes­te Vertre­ter einer Strömung inner­halb der AfD, die vom Verfas­sungs­schutz als rechts­extre­mis­ti­sche Bestre­bung beobach­tet wird.

Einig waren sich die Delegier­ten in ihrer Ableh­nung der Europäi­schen Union. Keine Mehrheit fand sich in Dresden jedoch für einen Antrag mit dem Titel «Ja zum Dexit».

Am Rande des Partei­ta­ges gab es Protes­te. Nach Angaben der Polizei betei­lig­ten sich etwa 100 Menschen an einem Fahrrad­kor­so. Am Morgen blockier­ten sie eine Zufahrts­stra­ße zum Messe­ge­län­de, so dass viele Teilneh­mer des Partei­ta­ges einen Umweg nehmen mussten. Auch unmit­tel­bar vor der Messe­hal­le protes­tier­ten Dutzen­de Menschen gegen die Politik der AfD.