BERLIN (dpa) — Ein Rekord­tem­po haben SPD, Grüne und FDP nicht gerade hinge­legt. Aber ihr Ziel, dass die erste bundes­wei­te Ampel­ko­ali­ti­on bis Weihnach­ten stehen soll, schei­nen sie zu erreichen.

SPD, Grüne und FDP wollen am Mittwoch ihren Koali­ti­ons­ver­trag für eine gemein­sa­me Bundes­re­gie­rung vorstel­len. Die drei Partei­en luden überein­stim­mend zu einer Presse­kon­fe­renz um 15.00 Uhr in Berlin ein.

Gut acht Wochen nach der Bundes­tags­wahl sollen damit bisher zwischen den Partei­en vertrau­lich behan­del­te Details der Zusam­men­ar­beit öffent­lich werden.

Am heuti­gen Mittwoch kommt die Haupt­ver­hand­lungs­run­de der drei Partei­en zu ihrer abschlie­ßen­den Sitzung zusam­men. Im Anschluss stellen die Vorsit­zen­den der drei Partei­en sowie Kanzler­kan­di­dat Olaf Scholz den in den letzten Wochen ausver­han­del­ten Koali­ti­ons­ver­trag vor.

Die Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen hatten am 21. Oktober begon­nen, nachdem die drei Ampel­par­tei­en zuvor in Sondie­run­gen den Grund­stein dafür gelegt hatten. Geführt wurden sie in einer Haupt­ver­hand­ler­run­de aus je sechs hochran­gi­gen Vertre­tern jeder Partei sowie in 22 Arbeits­grup­pen. In diesen handel­ten die Fachpo­li­ti­ker der Partei­en die Details des Koali­ti­ons­ver­trags aus.

Wahl zum Kanzler in Nikolauswoche

Ein Koali­ti­ons­ver­trag muss bei SPD und FDP jeweils durch Partei­ta­ge und bei den Grünen in einer Mitglie­der­be­fra­gung gebil­ligt werden. In der Nikolaus­wo­che soll der bishe­ri­ge Finanz­mi­nis­ter Olaf Scholz (SPD) im Bundes­tag zum Kanzler gewählt werden. Damit endet nach 16 Jahren die Ära von Kanzle­rin Angela Merkel (CDU), die bei der Bundes­tags­wahl am 26. Septem­ber nicht wieder kandi­diert hatte.

In einem Sondie­rungs­pa­pier hatten SPD, Grüne und FDP bereits einige «Vorfest­le­gun­gen» getrof­fen und dabei auch einige Streit­the­men abgeräumt. Sie schrie­ben sich darin «eine umfas­sen­de Erneue­rung unseres Landes» und «einen Aufbruch» für Deutsch­land auf die Fahnen, um die großen Heraus­for­de­run­gen wie Klima­wan­del, Digita­li­sie­rung, Siche­rung des Wohlstands oder sozia­len Zusam­men­halt zu bewältigen.

Wohl mit Rücksicht auf die Wahlver­spre­chen der FDP wurde verein­bart, dass keine neuen Substanz­steu­ern einge­führt und Steuern wie die Einkommen‑, Unter­neh­mens- oder Mehrwert­steu­er nicht erhöht würden. Im ersten Jahr einer Ampel­ko­ali­ti­on soll der gesetz­li­che Mindest­lohn auf zwölf Euro pro Stunde erhöht werden. Dies war ein zentra­les Wahlver­spre­chen der SPD. Das Wahlal­ter für Bundes­tags- und Europa­wah­len soll von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden.

Beschleu­nig­ter Kohleausstieg

Zur Einhal­tung der Klima­schutz­zie­le wurde in dem Papier auch festge­legt, den Ausstieg aus der Kohle­ver­stro­mung zu beschleu­ni­gen und möglichst auf 2030 vorzu­zie­hen. Bisher ist der Kohle­aus­stieg bis spätes­tens 2038 geplant. Ein generel­les Tempo­li­mit auf Autobah­nen, wie von den Grünen gefor­dert, soll nicht kommen. Zum Thema Migra­ti­on wurde verein­bart, Asylver­fah­ren, die Verfah­ren zur Famili­en­zu­sam­men­füh­rung und die Rückfüh­run­gen zu beschleu­ni­gen. Es sollen legale Zugangs­we­ge nach Deutsch­land geschaf­fen werden.

Nach dem üblichen Rhyth­mus von Bundes­tags­wo­chen käme das Plenum in der Nikolaus­wo­che erstmals am 8. Dezem­ber zusam­men. Sollte dann die Kanzler­wahl statt­fin­den, wären seit der Bundes­tags­wahl 73 Tage vergan­ge­nen. Zum Vergleich: Nach der Wahl 2017 dauer­te die Regie­rungs­bil­dung 171 Tage — so lange wie nie zuvor. Vier Jahre vorher waren es 86 Tage gewesen. Dagegen kamen die erste und die zweite rot-grüne Bundes­re­gie­rung von Kanzler Gerhard Schrö­der (SPD) 1998 und 2002 jeweils in nur 30 Tagen zustande.