Schon in wenigen Tagen soll in der EU ein zweiter Impfstoff gegen Corona einge­setzt werden. Und die Produk­ti­on des ersten Präpa­rats soll mit einer neuen Fabrik massiv erhöht werden. Trotz­dem brauchen die Menschen Geduld.

Als zweiter Corona-Impfstoff ist ab sofort das Mittel des US-Herstel­lers Moder­na in der Europäi­schen Union zugelas­sen. Dies entschied die EU-Kommis­si­on am Mittwoch auf Empfeh­lung der Arznei­mit­tel­be­hör­de EMA, wie Kommis­si­ons­che­fin Ursula von der Leyen mitteilte.

Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) kündig­te in Berlin an: «Wir gehen von einem Start der Liefe­rung von ersten Dosen in der nächs­ten Woche aus.» Die EMA hatte zuvor in Amster­dam die beding­te Zulas­sung empfoh­len. Spahn sagte, von den mehr als 160 Millio­nen EU-weit bestell­ten Moder­na-Dosen werde Deutsch­land über 50 Millio­nen erhal­ten. Im ersten Quartal kämen aber wegen der zunächst begrenz­ten Produk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten nur knapp zwei Millio­nen Moder­na-Dosen nach Deutsch­land. Die gesam­ten 160 Millio­nen Moder­na-Dosen sollen nach Angaben der EU-Kommis­si­on bis Septem­ber gelie­fert werden.

Von der Leyen sprach von einer guten Nachricht. EMA-Chefin Emer Cooke sagte, der Moder­na-Impfstoff liefe­re «ein weite­res Instru­ment im Kampf gegen die derzei­ti­ge Notsi­tua­ti­on». Das Verfah­ren sei schnell und zuver­läs­sig gewesen.

Moder­nas Mittel braucht zwei Impfdo­sen im Abstand von vier Wochen, um wirksam zu sein. Von Pfizer/Biontechs Mittel wird nach drei Wochen eine zweite Dosis verab­reicht. Beide Mittel hatten in Testrei­hen eine hohe Wirksam­keit von um die 94 Prozent und nur wenige Neben­wir­kun­gen gezeigt. Moder­na mit Sitz in Cambridge im US-Bundes­staat Massa­chu­setts hatte erklärt, in den ersten drei Monaten 2021 würden 100 bis 125 Millio­nen Impfdo­sen des Vakzins mit dem Namen «mRNA-1273» produ­ziert — davon bis zu 25 Millio­nen für außer­halb der USA. Der Impfstoff ist für Perso­nen ab 18 Jahren zugelassen.

Spahn sagte, die EU-Kommis­si­on habe in den vergan­ge­nen Tagen begon­nen, mit Moder­na über die Liefer­plä­ne zu verhan­deln. Wie sich die Liefe­run­gen über die Wochen entwi­ckel­ten, könne die Regie­rung den fürs Impfen zustän­di­gen Bundes­län­dern mittei­len, wenn dies mit Moder­na und den anderen EU-Staaten verein­bart sei. «Das wird jetzt sehr zeitnah und zügig geschehen.»

Biontech/Pfizer hatten am 21. Dezem­ber als erste die EU-Zulas­sung bekom­men. Spahn erläu­ter­te, der Moder­na-Impfstoff müsse nicht bei minus 70, sondern nur bei minus 20 Grad gekühlt werden. In den USA wird das Moder­na-Vakzin nach einer Notfall­zu­las­sung bereits seit kurz vor Weihnach­ten gespritzt.

Nach Kritik am schlep­pen­den Impfstart sagte Spahn: «Es wird genug Impfstoff für alle in Deutsch­land geben.» Er beton­te: «Wir haben genug, mehr als genug Impfstoff für alle bestellt — und zwar von mehre­ren Herstel­lern.» Er sagte: «Ich kann jetzt noch zehn Verträ­ge schlie­ßen über zusätz­li­che Mengen. Wir haben nicht ein Mengen­pro­blem.» Biontech und Pfizer hätten früh klarge­macht, «dass sie für den weltwei­ten Bedarf nur 50 Millio­nen Dosen bis Ende letzten Jahres haben vorpro­du­zie­ren können».

Wenn Biontech wie geplant im kommen­den Monat an einem neuen Stand­ort im hessi­schen Marburg die Produk­ti­on starte, dann könne es die Produk­ti­on massiv ausbau­en. «Das führt zu frühe­ren Liefe­run­gen bestell­ter Dosen.» Es hande­le sich um einen Rekord beim Aufbau einer solchen Produk­ti­ons­stät­te. Norma­ler­wei­se dauere dies ein bis zwei Jahre. «In diesem Fall wären es dann wenige Monate.» Hierfür drücke der Staat bei den Geneh­mi­gungs­pro­zes­sen aufs Tempo. Spahn beton­te, dass Deutsch­land auch mit Marburg keinen Impfall­ein­gang in der EU mache: «Es wird für Europa produziert.»

Dem Ziel größe­rer Produk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten auch bei anderen Herstel­lern habe auch eine Beratung mit Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel (CDU), Wirtschafts­mi­nis­ter Peter Altmai­er (CDU) und Finanz­mi­nis­ter Olaf Scholz (SPD) gedient. «Wo es betriebs­wirt­schaft­lich nicht reicht (…), da stehen wir als Staat parat.» Die Beratung sei ein in der Regie­rung üblicher Austausch gewesen. Es hatte Speku­la­tio­nen geben, Spahn werde die Zustän­dig­keit für das Impfen entzo­gen. Spahn beton­te wie am Vortag schon Merkel das gegen­sei­ti­ge Vertrau­en auch in der Krise.

Der Minis­ter hob die Bedeu­tung des «Etappen­ziels» hervor, bis Mitte Febru­ar alle Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner von Alten- und Pflege­hei­men zu impfen. «Wenn das geschafft ist, wenn einmal die Pflege­be­dürf­ti­gen und die Ältes­ten in unserer Gesell­schaft geimpft sind, dann verliert diese Pande­mie schon einen großen Teil ihres Schre­ckens.» Der Hinter­grund ist: Das Sterb­lich­keits­ri­si­ko für Covid-19-Kranke steigt mit dem Alter stark an. Insbe­son­de­re wenn es außer für Biontech und Moder­na noch weite­re Zulas­sun­gen gebe, könne im Sommer allen in Deutsch­land ein Impfan­ge­bot gemacht werden, so Spahn erneut.

«Die Tage des Impfstarts sind Tage der Zuver­sicht», sagte er. Er verste­he, dass viele Menschen Fragen hätten, wenn nicht überall die Dinge gleich so funktio­nier­ten wie sie sollten. Fehler müssten behoben werden. Zugleich wies Spahn Kritik zurück — etwa aus den Ländern am Impfstart. Wie vorher geplant seien noch im alten Jahr 1,34 Millio­nen Impfdo­sen direkt vom Werk weg an die Länder gelie­fert worden. «Es werden bis zum 1. Febru­ar 3,98 Millio­nen sein.» Seit Mitte vergan­ge­ner Woche seien die Liefer­ter­mi­ne bekannt — sobald die Herstel­ler diese dem Minis­te­ri­um mitteil­ten, gingen sie sofort an die Länder. Eine Änderung bei einem dieser Termi­ne sei geklärt worden.

Wie das Mittel von Biontech/Pfizer ist auch das von Moder­na ein sogenann­ter mRNA-Impfstoff. Enthal­ten sind geneti­sche Infor­ma­tio­nen des Erregers, aus denen der Körper ein Virus­ei­weiß herstellt. In den nächs­ten Monaten sollen noch weite­re Impfstof­fe in Europa auf den Markt kommen. Spahn sagte zur Frage, ob dann ausge­wählt werden könne: «Wenn es so weit ist, dass wir von mehr als einem Impfstoff mehr als genug haben, dann wird das ohne Zweifel gehen können.»