STUTTGART (dpa/lsw) — In gut vier Wochen sollen so gut wie alle Corona-Schutz­maß­nah­men wegfal­len. Baden-Württem­berg trägt das zwar mit. Aber Kretsch­mann will für den Ernst­fall gewapp­net sein und verlangt von der Ampel Nachbesserungen.

Baden-Württem­berg zieht bei der nun geplan­ten schritt­wei­sen Aufhe­bung der Corona-Maßnah­men bis Mitte März grund­sätz­lich mit. Das bedeu­tet, dass aller Voraus­sicht nach in vierein­halb Wochen auch im Südwes­ten so gut wie alle Schutz­maß­nah­men wegfal­len dürften — dann blieben nur noch die Masken und das Abstandhalten.

Kretsch­mann sieht «Grund zur Hoffnung und Zuversicht»

Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann hält den dreistu­fi­gen Öffnungs­plan für verant­wort­bar, mahnte aber zur Vorsicht. Bund und Länder seien sich am Mittwoch in ihrer Konfe­renz einig gewesen: «Es ist Zeit, weiter kontrol­liert zu lockern», sagte der Grünen-Politi­ker in Stutt­gart. «Noch haben wir die Pande­mie nicht hinter uns gelas­sen, aber wir haben allen Grund zur Hoffnung und zur Zuversicht.»

Er appel­lier­te jedoch an die Menschen im Südwes­ten, weiter vorsich­tig zu bleiben und sich — wenn noch nicht gesche­hen — impfen zu lassen. Mehr Freiheit bedeu­te auch wieder mehr Eigen­ver­ant­wor­tung jedes Einzel­nen. «Dann haben wir gute Chancen auf ein Ende der Pande­mie und dann werden wir unsere Freiheit ganz zurückgewinnen.»

Der 20. März dürfte eine Art «Freedom Day» werden

Bund und Länder beschlos­sen am Mittwoch einen Drei-Stufen-Plan für Öffnun­gen. In dem Papier heißt es: «In einem dritten und letzten Schritt ab dem 20. März 2022 sollen alle tiefgrei­fen­de­ren Schutz­maß­nah­men entfal­len, wenn die Situa­ti­on in den Kranken­häu­sern dies zulässt.»

Kretsch­mann gibt Beden­ken zu Protokoll

Kretsch­mann dringt aber darauf, dass die Länder auch nach dem 20. März im Notfall noch tiefgrei­fen­de Corona-Maßnah­men verfü­gen können. Er will zum Beispiel weiter Kultur- und Sport­ver­an­stal­tun­gen unter­sa­gen oder die Zuschau­er­zahl beschrän­ken können, wenn es die Infek­ti­ons­la­ge erfor­dert. Kretsch­mann ließ in das Beschluss­pa­pier eine entspre­chen­de Proto­kol­lerklä­rung einfügen.

Damit die Länder ihre Möglich­kei­ten behal­ten, müsste die Koali­ti­on aus SPD, Grünen und FDP im Bundes­tag einen neuen Beschluss des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes herbei­füh­ren. Ansons­ten könnten die Länder nicht mal mehr das Tragen von Masken vorschrei­ben. «Denn meiner Ansicht ist es nicht sinnvoll, jetzt mutig Locke­run­gen zu begehen und gleich­zei­tig den Instru­men­ten­kas­ten zu vermin­dern», sagte Kretschmann.

SPD sieht Kretsch­mann in Opposi­ti­ons­rol­le zur Ampel

Die SPD im Land kriti­sier­te Kretsch­manns Aussche­ren. Die Proto­kol­lerklä­rung ergebe keinen Sinn, weil im Beschluss von Bund und Ländern vorge­se­hen sei, dass es eine «Regelung zu ergän­zen­den Schutz­maß­nah­men für den Fall eines lokalen Ausbruchs­ge­sche­hens in einzel­nen Landkrei­sen, Bezir­ken oder kreis­frei­en Städten» geben soll, sagte Partei- und Frakti­ons­chef Andre­as Stoch. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Mittwoch­abend gesagt: «Es wird einen hochef­fek­ti­ven Basis­schutz geben.» Stoch meinte deshalb: «Für mich wird es langsam Zeit, dass Minis­ter­prä­si­dent Kretsch­mann seine Opposi­ti­ons­rol­le zur Bundes­re­gie­rung aufgibt.» Auch die Grünen gehör­ten zur Ampel. «Da muss man nicht immer in das Horn der CDU blasen, vor allem wenn es inhalt­lich nicht weiterhilft.»

Baden-Württem­berg muss nun Öffnungs­plan umsetzen

Bund und Länder beschlos­sen am Mittwoch zudem, dass in einem ersten Schritt Kontakt­be­schrän­kun­gen für Geimpf­te und Genese­ne komplett wegfal­len — das ist in Baden-Württem­berg schon der Fall. Die Zugangs­re­gel im Einzel­han­del nur für Geimpf­te und Genese­ne (2G) soll gekippt werden — im Südwes­ten war diese Regel noch in der Alarm­stu­fe II vorge­se­hen, derzeit gilt aber nur die Alarm­stu­fe I. Es sollen nach dem Beschluss von Mittwoch aber weiter medizi­ni­sche Masken getra­gen werden.

In einem zweiten Schritt soll demzu­fol­ge ab dem 4. März der Zugang zur Gastro­no­mie und Hotel­le­rie nicht nur Geimpf­ten und Genese­nen, sondern auch Perso­nen mit negati­vem Test (3G) ermög­licht werden. Bei überre­gio­na­len Großver­an­stal­tun­gen — inklu­si­ve Sport — soll gelten: im Innen­be­reich eine Auslas­tung bis 60 Prozent der Höchst­ka­pa­zi­tät, das heißt maximal 6000 Zuschau­er. Im Außen­be­reich sollen bis zu 75 Prozent der Höchst­ka­pa­zi­tät, maximal 25.000 Zuschau­er, zugelas­sen werden.

Es zeich­net sich ab, dass im Südwes­ten Mitte nächs­ter Woche eine neue Corona-Verord­nung mit neuen Regeln gilt. Es ist wahrschein­lich, dass Baden-Württem­berg schon dann in die Warnstu­fe zurück­kehrt und in den meisten Berei­chen dann die 3G-Regeln gelten. Damit würde das Land dem nun beschlos­se­nen Fahrplan um gut eine Woche vorgreifen.

Wirtschaft erfreut über «Exit-Datum»

FDP-Frakti­ons­chef Hans-Ulrich Rülke hält den Öffnungs­pfad für «sinnvoll und nachvoll­zieh­bar». Die Forde­run­gen Kretsch­manns zu tiefgrei­fen­de­ren Aufla­gen lehnte er ab: «Dass Herr Kretsch­mann dann Kultur- und Sport­ver­an­stal­tun­gen nicht mehr unter­sa­gen kann, begrü­ßen wir sehr.» Die Proto­kol­lerklä­rung werde folgen­los bleiben.

Der Wirtschaft im Südwes­ten fiel ein Stein vom Herzen. «Es war mehr als geboten, jetzt nicht nur Öffnungs­schrit­te festzu­le­gen, sondern dem Exit ein Datum zu geben», erklär­te Wolfgang Grenke, Präsi­dent des Baden-Württem­ber­gi­schen Indus­trie- und Handels­kam­mer­ta­ges (BWIHK). Er drang auf einen klaren Fahrplan für die Gastro­no­mie und Hotel­le­rie sowie die Touris­mus- und Freizeit­bran­che. Wegen der noch gelten­den Beschrän­kun­gen zeigten sich Kunden für das wichti­ge Oster­ge­schäft sehr verun­si­chert und zurückhaltend.