BERLIN (dpa) ‑Sie wird nun wegen des Ukrai­ne-Kriegs wieder disku­tiert: die Atomkraft. Eigent­lich sollen die verblie­be­nen Kernkraft­wer­ke geschlos­sen werden — Annale­na Baerbock will, dass es dabei bleibt.

Außen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock sieht derzeit keinen Grund für eine verlän­ger­te Laufzeit der letzten drei Atomkraft­wer­ke in Deutsch­land. Den endgül­ti­gen Ausstieg aus der Atomkraft zum Jahres­en­de halte sie für richtig anhand «der Fakten­la­ge, die ich gerade kenne und mit Blick auf das, was unsere Heraus­for­de­rung ist», sagte die Grünen-Politi­ke­rin am Freitag­abend im «Bild»-Format «Die richti­gen Fragen». Und die Heraus­for­de­rung sei angesichts des russi­schen Kriegs gegen die Ukrai­ne und der drohen­den Energie­kri­se eben nicht die Versor­gung mit Strom, sondern mit Gas. «Ich sehe nicht, dass Atomkraft hier die Antwort ist.»

Doch diese Positi­on ist in der Ampel-Koali­ti­on zumin­dest umstrit­ten. Wider­spruch kam von Finanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lindner. «In den kommen­den Jahren werden wir keinen Überfluss an bezahl­ba­rem Strom haben. Deshalb sollten wir jede Kapazi­tät sichern», sagte der FDP-Vorsit­zen­de den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe (Samstag). «Vor allem könnte uns die Kernener­gie ermög­li­chen, in den nächs­ten Jahren weniger klima­schäd­li­che Braun­koh­le zur Verstro­mung nutzen zu müssen. Damit sparen wir viele tausend Tonnen CO2», sagte er weiter. Daher müsse eine befris­te­te Weiter­nut­zung der drei verblie­be­nen Kernkraft­wer­ke vorur­teils­frei geprüft werden, forder­te Lindner.

Baerbock: Deutsch­land aktuell «in einer Notsituation»

Die drei verblie­be­nen Kernkraft­wer­ke Neckar­west­heim 2, Emsland und Isar 2 müssen nach gelten­dem Recht spätes­tens am 31. Dezem­ber abgeschal­tet werden. An der Netto­strom­erzeu­gung in Deutsch­land haben sie im laufen­den Jahr einen Anteil von rund sechs Prozent. Mit Erdgas wurden bisher etwa zehn Prozent des Stroms erzeugt. Zuletzt wurden deshalb Rufe nach einer länge­ren Nutzung in Deutsch­land produ­zier­ter Atomener­gie für die Strom­erzeu­gung lauter, als Ausgleich für fehlen­de Gaslie­fe­run­gen aus Russland. Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck (Grüne) betont indes immer wieder, dass der Haupt­man­gel nicht beim Strom drohe, sondern bei Gas und Wärme für die Indus­trie — und Atomkraft­wer­ke dafür keine Abhil­fe schaffen.

Baerbock beton­te nun: «In so schwie­ri­gen Entschei­dungs­pro­zes­sen ist es immer wichtig, dass man auf Fakten­grund­la­gen jeden Schritt geht.» Deutsch­land befin­de sich aktuell «in einer Notsi­tua­ti­on», in der alles erneut geprüft werden müsse. Deswe­gen habe Habecks Wirtschafts­mi­nis­te­ri­um nach einem ersten «Stress­test» für die Strom­ver­sor­gung einen zweiten unter verschärf­ten Bedin­gun­gen veran­lasst, dessen Ergeb­nis­se es nun abzuwar­ten gelte. Bei den Schluss­fol­ge­run­gen dürfe man sich auch nicht von «massi­ven Inter­es­sen» lenken lassen, warnte sie.