PARIS (dpa) — Die sich zuspit­zen­de Ukrai­ne-Krise dürfte einer der Schwer­punk­te bei den ersten inter­na­tio­na­len Gesprä­chen der neuen Außen­mi­nis­te­rin sein. Auch Baerbocks Besuch in Polen könnte heikel werden.

Deutsch­lands neue Außen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock beginnt heute in Paris mit einer Serie von Antritts­be­su­chen in Europa.

Am Vormit­tag stand für die Grünen-Politi­ke­rin ein Treffen mit ihrem franzö­si­schen Kolle­gen Jean-Yves Le Drian auf dem Programm. Anschlie­ßend wollte Baerbock mit dem Zug nach Brüssel weiter­rei­sen. Dort waren Gesprä­che mit dem EU-Außen­be­auf­trag­ten Josep Borrell, dem US-Klima­schutz­be­auf­trag­ten John Kerry und Nato-General­se­kre­tär Jens Stolten­berg geplant.

Am Freitag fliegt Baerbock nach Warschau zu einem Treffen mit ihrem polni­schen Kolle­gen Zbigniew Rau.

Krise zwischen USA und Russland

Baerbock beginnt ihre Gesprä­che auf inter­na­tio­na­lem Parkett vor dem Hinter­grund einer sich zuspit­zen­den Ukrai­ne-Krise. US-Präsi­dent Joe Biden und sein russi­scher Kolle­ge Wladi­mir Putin hatten bei ihrem etwa zweistün­di­gen Video­gip­fel zuletzt keine Entspan­nung erzielt.

Die USA werfen Russland seit Wochen einen Truppen­auf­marsch unweit der Grenze zur Ukrai­ne vor. Befürch­tet wird im Westen eine russi­sche Invasi­on der Ex-Sowjet­re­pu­blik. Russland weist das zurück und wirft der Ukrai­ne vor, mehr als 120.000 Solda­ten an die Linie zu den von prorus­si­schen Separa­tis­ten kontrol­lier­ten Gebie­ten verlegt zu haben.

Zu Beginn ihrer Reise beton­te Baerbock die Verläss­lich­keit der Außen­po­li­tik der neuen Ampel-Regie­rung von SPD, Grünen und FDP. «Auf die neue Bundes­re­gie­rung können sich unsere Partner in der Europäi­schen Union verlas­sen, vom ersten Tag an. Europa ist der Dreh- und Angel­punkt für unsere Außenpolitik.»

Streit in der EU

Voraus­set­zung für ein starkes und geein­tes Europa sei, «dass wir als EU unsere Grund­wer­te ernst nehmen und die Regeln, die wir uns gemein­sam gegeben haben, auch durch­set­zen», mahnte Baerbock. «Gerade bei Rechts­staat­lich­keit und Menschen­rech­ten können wir nicht zulas­sen, dass Europas Funda­men­te wegbrö­ckeln», sagte sie, ohne Länder wie Ungarn oder Polen zu nennen.

In der EU gibt es seit Jahren Streit mit den Regie­run­gen von Ungarn und Polen, weil sie sich ausweis­lich etlicher Gerichts­ur­tei­le nicht an EU-Recht halten. Kriti­ker werfen Warschau und Budapest vor, die Justiz entge­gen der EU-Standards zu beein­flus­sen. So baut Polens natio­nal­kon­ser­va­ti­ve PiS-Regie­rung das Justiz­sys­tem um. Die EU-Kommis­si­on hat wegen der Refor­men Vertrags­ver­let­zungs­ver­fah­ren gegen die Regie­rung in Warschau eröffnet.

Ziel von Baerbocks Antrittsbesuchen

Angesichts von Baerbocks klaren Worten zur Rechts­staat­lich­keit könnte vor allem der Besuch in Polen heikel werden. Vor dem Hinter­grund der Ukrai­ne-Krise gerät zudem auch die neue Bundes­re­gie­rung wegen der umstrit­te­nen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 unter Druck aus den USA. Auch aus Warschau dürften die Forde­run­gen lauter werden, die Gasröh­re zwischen Russland und Deutsch­land nicht in Betrieb zu nehmen.

Vor allem gehe es ihr bei den Antritts­be­su­chen darum, den engsten Partnern zuzuhö­ren, beton­te Baerbock zu Beginn ihrer Reise. «Wir werden unsere Vorstel­lun­gen und Inter­es­sen nicht über die Köpfe unserer Nachbarn hinweg verfol­gen, und schon gar nicht auf deren Kosten.» Ob das im Zusam­men­hang mit Nord Stream 2 als Zeichen in Richtung Warschau gedacht war?

Sie werde vom ersten Tag an der inter­na­tio­na­len Klima­po­li­tik «den Platz geben, den sie auf der diplo­ma­ti­schen Agenda verdient: Ganz oben», sagte Baerbock weiter. Die wichtigs­te Aufga­be von Diplo­ma­tie sei es, Krisen vorzu­beu­gen, einzu­däm­men und bestmög­lichst zu lösen. «Und keine Krise ist bedroh­li­cher für die Zukunft der Mensch­heit als die Klima­kri­se.» Mit den europäi­schen Partnern wolle sie auch darüber sprechen, «wie wir unsere Klima­part­ner­schaf­ten mit anderen Regio­nen der Welt stärken».