KIEW (dpa) — Außen­mi­nis­te­rin Baerbock war im Mai als erstes Mitglied der Bundes­re­gie­rung in Kiew. Vier Monate später kehrt sie zurück, um ihr Solida­ri­täts­ver­spre­chen an die Ukrai­ne zu erneuern.

Außen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock hat der Ukrai­ne weite­re Unter­stüt­zung bei der Besei­ti­gung von Minen in ehema­li­gen Kampf­ge­bie­ten zugesi­chert. Neben der Liefe­rung von Waffen sei dies wichtig, um das Leben von Menschen in den zeitwei­se von der russi­schen Armee einge­nom­me­nen Gebie­ten siche­rer zu machen, sagte Grünen-Politi­ke­rin beim Besuch eines Minen­felds in Welyka Dymer­ka in der Nähe von Kiew. Ob sie bei ihrem Besuch auch weite­re Waffen zusagen werde, wollte Baerbock nicht sagen. Darüber werde sie erst nach ihrem Treffen mit Außen­mi­nis­ter Dmytro Kuleba im Laufe des Tages berichten.

Baerbock warf der russi­schen Armee vor, die Voror­te Kiews «mit Minen verseucht» und gezielt Anti-Perso­nen-Minen einge­setzt zu haben, um Zivilis­ten zu töten. Ihr sei berich­tet worden, dass nach dem Abzug der russi­schen Truppen aus dem Raum Kiew «selbst im Kinder­spiel­zeug in priva­ten Wohnun­gen Minen gefun­den worden sind, die offen­sicht­lich nichts anderes zum Ziel hatten, unschul­di­ge Menschen, selbst Kinder zu töten».

Sechs Millio­nen für Kampfmittelbeseitigung

In Welyka Dymer­ka unter­stützt Deutsch­land ein ziviles Projekt zur Räumung von Minen. Insge­samt hat die Bundes­re­gie­rung sechs Millio­nen Euro für die Kampf­mit­tel­be­sei­ti­gung durch die Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­ti­on HALO bereit­ge­stellt. Die Aufsto­ckung um eine weite­re Milli­on ist nach Angaben des Auswär­ti­gen Amts bis Ende des Jahres geplant. Vertei­di­gungs­mi­nis­te­rin Chris­ti­ne Lambrecht (SPD) kündig­te diese Woche zudem die Ausbil­dung ukrai­ni­scher Solda­ten für die Minen­räu­mung in Deutsch­land an.

Zweiter Besuch der Außenministerin

Baerbock ist zu ihrem zweiten Ukrai­ne-Besuch seit Kriegs­be­ginn in Kiew. Sie wolle mit der Reise zeigen, «dass wir der Ukrai­ne weiter beiste­hen, so lange es nötig ist – mit der Liefe­rung von Waffen, mit humani­tä­rer und finan­zi­el­ler Unter­stüt­zung», sagte sie bei ihrer Ankunft.

Mit dem Besuch will die Grünen-Politi­ke­rin auch ein Zeichen gegen drohen­de Kriegs­mü­dig­keit in Deutsch­land setzen. «Für mich ist klar, Putin setzt darauf, dass wir der Anteil­nah­me am Leid der Ukrai­ne müde werden», sagte sie. «Er glaubt, dass er unsere Gesell­schaf­ten mit Lügen spalten und mit Energie­lie­fe­run­gen erpres­sen kann. Und, dass er uns die Energie nehmen kann, uns gegen diesen bruta­len Angriff auf unser aller Werte zu vertei­di­gen.» Diese Rechnung Putins dürfe und werde nicht aufge­hen. «Denn ganz Europa weiß, dass die Ukrai­ne unsere Friedens­ord­nung verteidigt.»

Mit dem Sonder­zug nach Kiew

Die Grünen-Politi­ke­rin reiste in der Nacht zu Samstag mit einem Sonder­zug und einer kleinen Delega­ti­on von Polen aus nach Kiew. Der Luftraum über der Ukrai­ne ist seit Kriegs­be­ginn gesperrt. In Kiew will Baerbock unter anderem Gesprä­che mit Außen­mi­nis­ter Dmytro Kuleba führen.

Baerbock erinner­te bei ihrer Ankunft daran, dass sich die Ukrai­ne­rin­nen und Ukrai­ner nun schon seit mehr als sechs Monaten gegen die russi­schen Angrei­fer stemm­ten. In dieser schreck­li­chen Zeit zwischen Hoffen und Bangen hätten die Menschen in der Ukrai­ne auch auf die Hilfe Deutsch­lands vertraut. «Ich bin heute nach Kiew gereist, um zu zeigen, dass sie sich weiter auf uns verlas­sen können.»

Zwei Themen konkre­te Themen

Baerbock nannte zwei konkre­te Themen, die ihr bei dem Besuch wichtig sind: die deutsche Hilfe beim Räumen von Minen und die Unter­stüt­zung bei der Aufar­bei­tung began­ge­ner Kriegs­ver­bre­chen. Ihre ukrai­ni­schen Gesprächs­part­ner dürften ihre Forde­run­gen nach schwe­ren Waffen bekräf­ti­gen. Minis­ter­prä­si­dent Denys Schmyhal hatte bei seinem Deutsch­land­be­such in der vergan­ge­nen Woche von Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) die Liefe­rung deutscher Leopard-2-Kampf­pan­zer gefordert.

Scholz beton­te anschlie­ßend, Deutsch­land wolle sich auf die Bereit­stel­lung von Luftab­wehr­sys­te­men und Artil­le­rie konzen­trie­ren — und vor allem keine Allein­gän­ge machen. Bisher hat auch kein anderer Nato-Verbün­de­ter Kampf­pan­zer westli­cher Bauart in die Ukrai­ne geschickt.

Die Bundes­re­gie­rung hat der Ukrai­ne bisher Waffen im Wert von 734 Millio­nen Euro bereits gelie­fert oder zugesagt, darun­ter auch einiges an schwe­ren Waffen: zehn schwe­re Artil­le­rie­ge­schüt­ze vom Typ Panzer­hau­bit­ze 2000, 15 Flugab­wehr­pan­zer, drei Mehrfach­ra­ke­ten­wer­fer und drei Berge­pan­zer. Geplant ist zudem die Liefe­rung von vier Luftver­tei­di­gungs­sys­te­men vom Typ Iris‑T. Bei einer inter­na­tio­na­len Konfe­renz auf dem US-Luftwaf­fen­stütz­punkt Ramstein in Rhein­land-Pfalz hatte Vertei­di­gungs­mi­nis­te­rin Chris­ti­ne Lambrecht (SPD) am Donners­tag aller­dings auf weite­re Zusagen schwe­rer Waffen verzichtet.

Diese Minis­ter waren schon in Kiew

Baerbock war Mitte Mai als erstes deutsches Regie­rungs­mit­glied seit Kriegs­be­ginn nach Kiew gereist. Sie hatte damals die deutsche Botschaft wieder­eröff­net und Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj sowie Kuleba getrof­fen. Außer­dem besuch­te sie die teilwei­se zerstör­ten Voror­te Butscha und Irpin.

Scholz besuch­te Kiew Mitte Juni zusam­men mit dem franzö­si­schen Präsi­den­ten Emmanu­el Macron, dem italie­ni­schen Minis­ter­prä­si­den­ten Mario Draghi und dem rumäni­schen Präsi­den­ten Klaus Iohan­nis. Die vier Staats- und Regie­rungs­chefs ebneten dort den Weg für den EU-Kandi­da­ten­sta­tus der Ukrai­ne. Aber auch Entwick­lungs­mi­nis­te­rin Svenja Schul­ze (SPD), Agrar­mi­nis­ter Cem Özdemir (Grüne) und Gesund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) haben die Ukrai­ne in den letzten sechs Monaten besucht. Zuletzt waren aus der Bundes­re­gie­rung Arbeits­mi­nis­ter Huber­tus Heil (SPD) und Innen­mi­nis­te­rin Nancy Faeser (SPD) vor sechs Wochen dort.