ROM (dpa) — Itali­en steht vor den zwei wichtigs­ten Touris­ten­mo­na­ten — doch aktuell stöhnt das Land unter Trocken­heit, Hitze und Waldbrän­den. Die histo­ri­schen Wetter­ex­tre­me könnten auch Urlau­ber treffen.

Dürre, Hitze, Brände und sogar eine Heuschre­cken­pla­ge auf Sardi­ni­en: Itali­en ächzt unter einem Sommer­an­fang der klima­ti­schen Extreme.

Während eine histo­ri­sche Trocken­pe­ri­ode schon seit Wochen den Norden des Mittel­meer­lan­des heimsucht, werden nun pünkt­lich zum Start der Urlaubs­sai­son auffal­lend hohe Tempe­ra­tu­ren und immer mehr Feuer regis­triert. Die arg leiden­den Regio­nen fordern von der Regie­rung in Rom von Tag zu Tag eindring­li­cher den Wetter-Notstand — von den Maßnah­men könnten auch Gäste und Touris­ten betrof­fen sein.

Von «besorg­nis­er­re­gen­den Daten» sprach Zivil­schutz­chef Fabri­zio Curcio. In einigen Teilen des Landes wird seit vielen Wochen Alarm geschla­gen. Itali­ens längs­ter Fluss Po, die Lebens­ader der reichen Regio­nen im Norden, führt so wenig Wasser wie seit 70 Jahren nicht, nämlich nur noch 20 Prozent der eigent­lich im Juni gewohn­ten Menge.

Vom Strom zum Rinnsal

Statt eines mächti­gen Stroms ist der Po an einigen Stellen nur noch ein Rinnsal, Satel­li­ten­auf­nah­men zeigen in beein­dru­cken­der Weise die freige­leg­ten Sandbän­ke. Attilio Fonta­na, Regio­nal­prä­si­dent der Lombar­dei, sagte: «Wir haben noch nie so eine Krise erlebt.» Die Gewit­ter, die in den vergan­ge­nen Abenden über Teilen Nordita­li­ens verein­zelt nieder­gin­gen, führten keine Beruhi­gung der Lage herbei.

Auch der bei vielen Deutschen sehr belieb­te Garda­see leidet unter der Trocken­heit. Der Wasser­stand sei derzeit etwa einen halben Meter niedri­ger als vor einem Jahr, sagte Pierlu­cio Ceresa vom Verband der Gemein­den am Garda­see der Deutschen Presse-Agentur. Auf das Baden im See habe das aller­dings keine Auswir­kun­gen. Ceresa mahnte jedoch, vor dem Sprin­gen in den See etwa von Felsen, die Tiefe zu prüfen. Wegen der Trocken­heit im Fluss Po gab es bereits die Idee, Wasser aus dem Garda­see — dem größten See in Itali­en — zu entneh­men. Dagegen wehrte sich der Gemeindeverband.

Landwirt­schaft leidet unter der Dürre

Vor allem die Landwirt­schaft leidet. «Wir machen uns große Sorgen um den Anbau von Mais, Soja und Reis», sagte Landwirt­schafts­mi­nis­ter Stefa­no Patua­nel­li. Der Agrar­ver­band Coldi­ret­ti rechne­te vor, dass etwa in der Toska­na in Mittel­ita­li­en 30 Prozent der Ernten dieses Jahres verlo­ren gehen werden — «und das ist der bestmög­li­che Fall».

Itali­en droht ein Kampf um das Wasser, der nicht nur Bauern, sondern jeden Einwoh­ner und auch Touris­ten treffen kann. Zivil­schutz­chef Curcio sagte in einem TV-Inter­view am Montag, dass an einem Notde­kret zur Bewäl­ti­gung der Krise gearbei­tet werde. «Dabei ist nicht ausge­schlos­sen, dass in den am schlimms­ten betrof­fe­nen Gegen­den auch tagsüber teilwei­se das Wasser abgeschal­tet wird», kündig­te er an.

Schon jetzt werden in vielen Orten bereits erste Maßnah­men angewandt: In Mailand etwa wurde das Wasser in den großen Brunnen abgestellt, die priva­te Autowä­sche wurde unter­sagt. In der Gemein­de Casten­a­so bei Bologna in der Region Emilia-Romagna dürfen Gästen in Friseur­sa­lons nur noch maximal einmal die Haare gewaschen werden, um Wasser zu sparen. Die Lombar­dei fragte unter­des­sen bereits in der benach­bar­ten Schweiz um Wasser aus dem Kanton Tessin an.

Urlau­ber kommen weiter

Um im dritten Corona-Sommer keine Gäste zu verlie­ren, werden Touris­ten beruhigt. «Die Lage ist zwar ernst, aber zu schaf­fen, wenn alle etwas mithel­fen», sagte der Touris­mus-Asses­sor der Toska­na, Leonar­do Marras, der dpa. Reise­ab­sa­gen wegen der Trocken­heit habe er noch keine regis­triert. Itali­en ist ein belieb­tes Reise­ziel in diesem Jahr, die Regie­rung verzeich­net im Juni fast viermal so viele Flugbu­chun­gen aus dem Ausland im Vergleich zum Juni 2021. Die Zahl der Fluggäs­te aus Deutsch­land habe sich verdoppelt.

Neben der Trocken­heit fällt in diesen Tagen vor allem die Hitze auf. Am Montag vermel­de­ten diver­se Wetter­diens­te Juni-Hitze­re­kor­de etwa in Rom mit bis zu 40 Grad und Florenz sogar über 40 Grad. Ein Hochdruck­ge­biet namens Charon pumpt aktuell die heißen Luftmas­sen aus Afrika nach Europa — Charon war in der griechi­schen Mytho­lo­gie der Fährmann, der die Toten in einem Boot zum Eingang der Unter­welt brach­te. Der natio­na­le Wissen­schafts­rat sagte für den ganzen Sommer überdurch­schnitt­li­che Tempe­ra­tu­ren voraus.

Wegen der Dürre überall im Land häufen sich derzeit auch die Feuer. Am Montag sorgte ein Großbrand im Westen Roms für eine gewal­ti­ge Rauch­säu­le, die der warme Wind über die ganze Stadt wehte. In einigen Vierteln der Ewigen Stadt fielen sogar Asche­par­ti­kel vom Himmel. Innen­mi­nis­te­rin Lucia­na Lamor­ge­se dankte den Einsatz­kräf­ten in Rom und der die Haupt­stadt umgeben­den Region Latium dafür «sehr schwe­re Konse­quen­zen für das Gebiet verhin­dert zu haben». Sie mahnte die Bürger, verant­wor­tungs­be­wusst zu sein, um Brände zu vermeiden.

Heuschre­cken­pla­ge auf Sardinien

Vom 15. bis 27. Juni wurden die Feuer­weh­ren nach eigenen Angaben im ganzen Land zu 10 336 Wald- und Busch­brän­den gerufen. Das waren über 1000 Einsät­ze mehr als im selben Zeitraum 2021. Vor allem Sizili­en, Apuli­en, das Latium mit der Haupt­stadt Rom, Kalabri­en und Kampa­ni­en waren von den Bränden betrof­fen. Allein am Diens­tag wurden die Canad­air-Lösch­flug­zeu­ge des Zivil­schut­zes zu mindes­tens 15 Einsät­zen gerufen. Dabei hat die eigent­li­che Saison der Waldbrän­de — meist im Juli und August — noch gar nicht begonnen.

Und als wären Hitze, Trocken­heit und Feuer nicht schon schlimm genug, kämpfen einige Gegen­den auf Sardi­ni­en auch noch gegen Heuschre­cken. Bereits 30.000 Hektar Acker­land wurden auf der Insel nach Angaben der Agrar­or­ga­ni­sa­ti­on Coldi­ret­ti von den Insek­ten zerstört. Die Heuschre­cken lieben die heißen, trocke­nen Bedingungen.

Von Manuel Schwarz und Johan­nes Neude­cker, dpa