Die dritte Corona-Welle rollt durchs Land. An breite Locke­run­gen der harten Beschrän­kun­gen ist nicht zu denken. Und auch der ersehn­te Oster­ur­laub dürfte für viele ausfal­len. Oder gibt es Kompromisse?

BERLIN (dpa) — Angesichts hoher Corona-Infek­ti­ons­zah­len müssen sich die Menschen in Deutsch­land auf eine grund­sätz­li­che Verlän­ge­rung des Lockdowns bis weit nach Ostern einstellen.

Ein Beschluss­ent­wurf aus dem Kanzler­amt für die heuti­ge Bund-Länder-Runde nennt als Datum dafür den 18. April. Zudem müsse die Anfang März beschlos­se­ne Notbrems­re­ge­lung «konse­quent umgesetzt werden», heißt es darin. Betont wird, zusätz­li­che Öffnun­gen würden bei exponen­ti­el­lem Wachs­tum der Infek­ti­ons­zah­len auch unter­halb einer Inzidenz­schwel­le von 100 ausschei­den. Das Papier, das der dpa aus mehre­ren Quellen vorlag, hat den Stand 21. März, 17.30 Uhr.

Eine Passa­ge des Entwurfs, über die noch heftig gestrit­ten werden dürfte, sieht weite­re Verschär­fun­gen für Landkrei­se mit mehr als 100 Neuin­fek­tio­nen pro 100.000 Einwoh­ner binnen einer Woche vor. In diese Katego­rie fällt eine stetig steigen­de Zahl an Wohnor­ten. Bei den Verhand­lun­gen von Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) mit den Regie­rungs­chefs der Länder sind wie immer weitrei­chen­de Änderun­gen an dem Papier möglich. Einen Beschluss gibt es erst ganz am Ende. Am 12. April sollen Bund und Länder laut Entwurf erneut zusammenkommen.

Seit der Bund-Länder-Runde am 3. März hat sich die Lage drastisch gewan­delt. Anfang März ging es vor allem um einen Stufen­plan für mögli­che Locke­run­gen — jedoch nicht als Einbahn­stra­ße. Festge­legt wurde damals ein Mecha­nis­mus für die Rückkehr zu Beschrän­kun­gen: Diese «Notbrem­se» soll gezogen werden, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz in einer Region oder in einem Bundes­land an drei aufein­an­der folgen­den Tagen über die Schwel­le von 100 steigt. Bundes­weit lag diese Inzidenz laut Robert Koch-Insti­tut (RKI) am Montag bei 107,3. Am Sonntag waren es noch 103,9 gewesen, am Samstag 99,9.

Forde­run­gen von Inten­siv­me­di­zi­nern, Gastge­wer­be und Lehrern

Inten­siv­me­di­zi­ner pochen angesichts der Zahlen auf einen stren­ge­ren Lockdown mit Verschär­fun­gen des Kontakt­ver­bots. «Ich erwar­te von den Minis­ter­prä­si­den­ten und der Kanzle­rin, dass sie sich an diesem Montag auf bundes­weit einheit­li­che und ganz einfa­che Verschär­fun­gen einigen», sagte Chris­ti­an Karagi­ann­idis, Präsi­dent der Deutschen Gesell­schaft für Inter­nis­ti­sche Inten­siv­me­di­zin und Notfall­me­di­zin (Divi), der «Rheini­schen Post».

Die Chefin des Deutschen Hotel- und Gaststät­ten­ver­bands (Dehoga), Ingrid Hartges, forder­te in der Zeitung Öffnun­gen für die Branche. «Hotels und Gaststät­ten in Deutsch­land brauchen endlich eine Perspek­ti­ve, wann wir unter welchen Voraus­set­zun­gen öffnen können», sagte sie.

Der Präsi­dent des Deutschen Lehrer­ver­ban­des, Heinz-Peter Meidin­ger, kriti­sier­te in der «Rheini­schen Post»: «Wenn es den Bundes­län­dern ernst damit gewesen wäre, Schulen trotz stark steigen­der Inzidenz­zah­len offen­zu­hal­ten, hätte man dafür sorgen müssen, dass jetzt Lehrkräf­te geimpft und Schulen mit Schnell­tests in ausrei­chen­der Zahl ausge­stat­tet sind. Davon sind wir aber an 9 von 10 Schulen noch meilen­weit entfernt.»

Diese Punkte enthält der vom Kanzler­amt verschick­te Beschlussentwurf:

ZUSÄTZLICHE MASSNAHMEN: Die Passa­ge, die wegen des exponen­ti­el­len Wachs­tums weite­re Verschär­fun­gen für Landkrei­se mit einer Inzidenz von mehr als 100 vorsieht, steht in eckigen Klammern. Das bedeu­tet, dass sie beson­ders strit­tig ist. Unter anderem ist die Rede von einer nächt­li­chen Ausgangs­be­schrän­kung bis 05.00 Uhr, «sofern dem nicht gewich­ti­ge Gründe entge­gen­ste­hen». Die Anfangs­uhr­zeit ist hier offen gelas­sen — auch sie müsste verhan­delt werden. Zudem wird ins Gespräch gebracht, Schulen und Kitas zu schlie­ßen oder gar nicht zu öffnen, sofern Erzie­her, Lehrer und Schüler oder betreu­te Kinder nicht zweimal pro Woche getes­tet werden könnten. Ab einer Inzidenz von 200 könnte es demnach eine Schlie­ßung von Schulen und Kitas geben.

REISEN: Angesichts der bevor­ste­hen­den Oster­ta­ge heißt es im Entwurf: «Bund und Länder appel­lie­ren weiter­hin eindring­lich an alle Bürge­rin­nen und Bürger, auf nicht zwingend notwen­di­ge Reisen im Inland und auch ins Ausland zu verzich­ten». Und weiter: «Das Auftre­ten von verschie­de­nen Covid-19-Varian­ten und deren weltwei­te Verbrei­tung haben gezeigt, dass der grenz­über­schrei­ten­de Reise­ver­kehr auch weiter­hin auf das absolut erfor­der­li­che Mindest­maß begrenzt werden muss.» Dieser Passus könnte sich auf die derzeit beson­ders umstrit­te­nen Reisen von Deutschen nach Mallor­ca beziehen.

Noch völlig offen ist demnach, ob es künftig für alle Reisen­den aus dem Ausland unabhän­gig von dorti­gen Inziden­zen eine Quaran­tä­ne- und eine Testpflicht geben soll. Dieser Punkt steht ebenfalls in eckigen Klammern und zudem unter einem «Prüfvor­be­halt».

Auch das von den SPD-Ländern ins Gespräch gebrach­te Konzept eines «kontakt­ar­men Urlaubs» im eigenen Bundes­land steht noch in eckigen Klammern und bedarf weite­rer Gesprä­che. Es zielt auf die Möglich­keit, Urlaub in Ferien­woh­nun­gen oder ‑häusern, Appar­te­ments oder Wohnmo­bi­len zu machen, sofern diese über eigene sanitä­re Anlagen verfü­gen und Urlau­ber sich dort auch mit Essen versor­gen können. Aus der Union hieß es hierzu bereits skeptisch, dass das dafür notwen­di­ge Beher­ber­gungs­ver­bot schon einmal juris­tisch für Ärger gesorgt habe.

BEFRISTETE MODELLPROJEKTE:
Im Rahmen von zeitlich befris­te­ten Modell­pro­jek­ten sollen die Länder nach dem Entwurf in je einer Region mit einer niedri­gen Inzidenz testen können, wie unter stren­gen Aufla­gen und mit einem Testkon­zept einzel­ne Berei­che des öffent­li­chen Lebens wieder geöff­net werden könnten. «Zentra­le Bedin­gun­gen dabei sind lücken­lo­se negati­ve Testergeb­nis­se als Zugangs­kri­te­ri­um, IT-gestütz­te Prozes­se zur Kontakt­ver­fol­gung und ggf. auch zum Testnach­weis, räumli­che Abgrenz­bar­keit auf der kommu­na­len Ebene, eine enge Rückkopp­lung an den Öffent­li­chen Gesund­heits­dienst und klare Abbruch­kri­te­ri­en im Misserfolgs­fal­le», heißt es weiter.

IMPFUNGEN UND GESUNDHEITSWESEN: Ohne «deutlich einschrän­ken­de Maßnah­men» werde die Zahl der Neuin­fek­tio­nen so schnell steigen, dass bereits im April eine Überlas­tung des Gesund­heits­we­sens «wahrschein­lich ist», beton­te der Entwurf. Da der Fortschritt bei den Impfun­gen noch nicht so groß ist, setzt das Papier auf «eine stren­ge Eindäm­mung des Infek­ti­ons­ge­sche­hens in den nächs­ten Wochen». Dies führe zu einer «frühe­ren Rückkehr zur Norma­li­tät und zu insge­samt kürze­ren Beschrän­kun­gen. Sie ist damit aus gesund­heit­li­chen, wirtschaft­li­chen und sozia­len Gründen geboten.»

TESTANGEBOTE: Gerade in der aktuel­len Phase der Pande­mie sei es wichtig, dass Unter­neh­men das Arbei­ten von zu Hause ermög­lich­ten, heißt es im Entwurf weiter. Wo dies nicht möglich sei, sollten den Mitar­bei­tern mindes­tens einmal und bei entspre­chen­der Verfüg­bar­keit zwei Mal pro Woche Testan­ge­bo­te gemacht werden. Tests von Beschäf­tig­ten im Bildungs­be­reich und von Schüle­rin­nen und Schülern sollten weiter ausge­baut werden. Ziel seien «mindes­tens zwei Testun­gen pro Woche». Auch in den Kitas sollten die Beschäf­tig­ten mindes­tens zwei Mal in der Woche getes­tet werden.

CORONA-WARN-APP: Die App soll im April um weite­re Funktio­nen erwei­tert werden, unter anderem um eine anony­me «Event­re­gis­trie­rung». Damit sollen sich Nutzer bei einer Veran­stal­tung wie einer priva­ten Geburts­tags­fei­er oder im Restau­rant digital einche­cken können. Bei einem positi­ven Corona-Fall sollen im Anschluss an die Veran­stal­tung alle Teilneh­mer gewarnt werden.