Nach einer Zitter­par­tie bei der US-Präsi­den­ten­wahl scheint Joe Biden auf dem Weg zum Sieg. Der Erfolg in einem weite­ren Bundes­staat könnte reichen. Doch Donald Trump macht deutlich, dass er nicht kampf­los aufge­ben wird.

Während Amtsin­ha­ber Donald Trump den Sieg bereits für sich rekla­mier­te, scheint Biden nur noch wenige Schrit­te vom Weißen Haus entfernt zu sein. Trump schick­te in mehre­ren Bundes­staa­ten bereits seine Anwäl­te mit Klagen gegen die Auszäh­lung los.

Nach Berech­nun­gen der Nachrich­ten­agen­tur AP und des TV-Senders Fox News kommt Biden inzwi­schen auf 264 der für einen Sieg bei der Präsi­den­ten­wahl nötigen 270 Stimmen von Wahlleu­ten. Demnach bräuch­te der ehema­li­ge Vize von Präsi­dent Barack Obama nur noch einen Bundes­staat für sich zu entschei­den, um zu gewin­nen. Mehre­re Medien, etwa der Sender CNN und die «New York Times», sahen Biden bei 253 Stimmen. Sie rechnen dem Demokra­ten die Wahlleu­te aus Arizo­na im Gegen­satz zur AP noch nicht zu.

Als offen gilt das Rennen unter anderem in Pennsyl­va­nia, North Caroli­na, Georgia und Nevada. In Pennsyl­va­nia und Georgia führte zunächst klar Trump, Biden holte aber deutlich auf, je mehr Brief­wahl-Stimmen ausge­zählt wurden. Anhän­ger der Demokra­ten neigten inmit­ten der Corona-Pande­mie eher dazu, ihre Stimm­zet­tel per Post zu verschi­cken als die Republikaner.

In Nevada, das sechs Stimmen von Wahlleu­ten bringt und Biden damit eine Punkt­lan­dung besche­ren könnte, hielt der 77-Jähri­ge in der Nacht eine knappe Führung. In North Caroli­na lag Trump vorn.

Da es bei der US-Post Verzö­ge­run­gen gab, sollen in Pennsyl­va­nia noch Brief­wahl­un­ter­la­gen gültig sein, die bis zum Nachmit­tag am Freitag ankom­men. Trump und die Republi­ka­ner ziehen erneut dagegen vor Gericht. Vor der Wahl hatte das Obers­te Gericht der USA die Regelung zugelas­sen. Drei Konser­va­ti­ve unter den insge­samt neun Richtern zeigten sich aber offen dafür, das Thema nach der Wahl noch einmal aufzugreifen.

In North Caroli­na ließ das Obers­te Gericht vor der Wahl eine Frist von neun Tagen für das Eintref­fen der Stimm­zet­tel zu, in Wiscon­sin lehnte es hinge­gen eine Verlän­ge­rung über den Wahltag hinaus ab. Das Obers­te Gericht entschei­det dabei unter anderem auf Basis einer Abwägung, ob Entschei­dun­gen von örtli­chen Parla­men­ten, Wahlbe­hör­den oder Richtern getrof­fen wurden.

Trump klagte auch in anderen Bundes­staa­ten. In Michi­gan, wo Biden führt, will er die Auszäh­lung ausset­zen lassen, bis seine Beobach­ter näher an die auswer­ten­den Mitar­bei­ter heran dürfen. In Wiscon­sin verlangt Trump eine Neuaus­zäh­lung angesichts eines knappen Rennens.

Es könnte noch etwas dauern, bis es Klarheit gibt. So will Nevada frische Infor­ma­tio­nen zum Stand der Auszäh­lung erst wieder gegen 9.00 Uhr Ortszeit (18.00 Uhr MEZ) mittei­len. In Georgia wollen die Behör­den gegen 16.30 MEZ ein Update geben.

In Arizo­na ist die Lage eng: AP und Fox News schlu­gen den Bundes­staat mit elf Wahlleu­ten Biden zu, die anderen Sender noch nicht. Vor einem Behör­den­ge­bäu­de in Arizo­na, in dem Stimmen ausge­zählt werden, versam­mel­te sich in der Nacht eine große Gruppe von Trump-Anhän­gern. Mehre­re unter ihnen hätten Waffen wie Automa­tik­ge­weh­re dabei gehabt, berich­te­te eine Korre­spon­den­tin des Nachrich­ten­sen­ders CNN in einer Live-Schal­tung. Auf Fernseh­bil­dern waren mehre­re Dutzend Perso­nen auf dem Parkplatz vor dem Gebäu­de im Bezirk Marico­pa County zu sehen, zu dem unter anderem die Stadt Phoenix gehört.

Biden selbst sah sich im Rennen um die Präsi­dent­schaft vor Trump. «Jetzt, nach einer langen Nacht des Zählens, ist es klar, dass wir genug Staaten gewin­nen, um 270 Wahlstim­men zu errei­chen, die erfor­der­lich sind, um die Präsi­dent­schaft zu gewin­nen», sagte er in Wilming­ton (Delaware).

Überein­stim­men­den Medien­be­rich­ten zufol­ge gewann Biden die umkämpf­ten Bundes­staa­ten Michi­gan und Wiscon­sin gegen Trump. Der Republi­ka­ner hatte sich in der Wahlnacht zum Mittwoch selbst zum Sieger erklärt. Am Mittwoch schrieb er bei Twitter unter anderem, er erhebe Anspruch auf Michigan.

Im Laufe des Tages setzte Trump mehre­re Tweets ab, in denen er über die Stimm­aus­zäh­lung schimpf­te. Sein am Diens­tag­abend noch bestehen­der Vorsprung sei in einem Bundes­staat nach dem anderen «auf magische Weise verschwun­den», schrieb er etwa. Im umkämpf­ten Bundes­staat Pennsyl­va­nia werde «hart daran gearbei­tet», schnell eine halbe Milli­on Stimmen «verschwin­den zu lassen», schrieb er an anderer Stelle. Twitter versah mehre­re Nachrich­ten mit Warnhin­wei­sen wegen «mögli­cher­wei­se irrefüh­ren­der» Aussa­gen. Biden bekräf­tig­te: «Wir ruhen nicht, ehe nicht jede Stimme gezählt ist.»

Trump hatte schon im Wahlkampf Stimmung gegen die Brief­wahl gemacht und Zweifel an der Recht­mä­ßig­keit geschürt — obwohl die Abstim­mung per Post eine etablier­te Form der Stimm­ab­ga­be ist. Er warnte ohne Beleg vor massi­ven Fälschun­gen. Hinwei­se auf nennens­wer­ten Wahlbe­trug gab es nicht. In Georgia zog Trump am Mittwoch vor Gericht, weil laut einem seiner Beobach­ter unrecht­mä­ßig 53 zu spät per Post einge­trof­fe­ne Stimm­zet­tel berück­sich­tigt worden seien.

Trump (74) schnitt bei der Wahl insge­samt deutlich besser ab als nach Umfra­gen erwar­tet. Der drei Jahre ältere Biden verfehl­te den von den Demokra­ten erhoff­ten klaren Sieg und musste sich unter anderem in Flori­da und Texas dem republi­ka­ni­schen Präsi­den­ten geschla­gen geben. Vor der Wahl hatte das Statis­tik­por­tal «FiveThir­ty­Eight» nur eine Wahrschein­lich­keit von rund zehn Prozent für einen Sieg Trumps errechnet.

Der US-Präsi­dent wird nicht direkt von den Bürgern gewählt, sondern von Wahlleu­ten. Deren Stimmen gehen mit Ausnah­me der beiden Staaten Nebras­ka und Maine vollstän­dig an denSie­ger in dem jewei­li­gen Bundes­staat. Für den Einzug ins Weiße Haus sind 270 Stimmen nötig. 2016 hatte Trump zwar landes­weit weniger Wähler­stim­men als Hilla­ry Clinton geholt, aber mehr Wahlleu­te für sich gewonnen.