Mit viel Pathos wirbt Boris Johnson für sein Brexit-Gesetz — und sichert sich im briti­schen Unter­haus eine satte Mehrheit. Er sieht das Land auf einem brillan­ten Weg in die Zukunft. Doch vor allem aus einem Landes­teil kommt schar­fe Kritik. Eine Gefahr für die Einheit?

Gerade noch recht­zei­tig vor dem endgül­ti­gen Ausschei­den Großbri­tan­ni­ens aus der EU hat das briti­sche Unter­haus am Mittwoch dem Brexit-Handels­pakt zugestimmt.

Mit überwäl­ti­gen­der Mehrheit votier­ten die Abgeord­ne­ten des House of Commons für das entspre­chen­de Ratifi­zie­rungs­ge­setz — mit 521 zu 73 Stimmen. Zum Jahres­wech­sel in der Nacht zum Freitag endet die Brexit-Übergangs­pha­se und damit Großbri­tan­ni­ens Mitglied­schaft im EU-Binnen­markt und in der Zollunion.

Für Premier­mi­nis­ter Boris Johnson ist es ein großer Triumph. Mit viel Pathos warb der Premier­mi­nis­ter im Unter­haus für den Deal — als histo­ri­sche Chance und natio­na­le Erfül­lung gleicher­ma­ßen. Nun hätten die «alten, ausge­trock­ne­ten, müden, ausge­lutsch­ten Argumen­te» ein Ende, die das Land seit Jahren verfolg­ten. Endlich könne Großbri­tan­ni­en in eine «neue und große Zukunft» vorzudringen.

Es ist das Mantra, das Johnson seit langem wieder­holt. Erst jetzt könne Großbri­tan­ni­en wirklich souve­rän sein, mit Kontrol­le über Geset­ze und Gewäs­ser, auf Augen­hö­he mit der EU, ohne die Bezie­hun­gen abzubre­chen, so betont es Johnson immer wieder.

In Kraft treten sollte das Gesetz erst, wenn auch das Oberhaus dafür votiert und Queen Eliza­beth II. ihre formel­le Zustim­mung gegeben hat. Das wurde für die frühen Morgen­stun­den am Donners­tag erwar­tet. Es galt als sicher, dass das Gesetz auch in der zweiten Kammer, dem House of Lords, eine Mehrheit finden würde. Premier­mi­nis­ter Johnson wollte den Vertrag dennoch schon am Mittwoch­nach­mit­tag im Regie­rungs­sitz in der Londo­ner Downing Street unterschreiben.

Die EU-Spitze hatte den Brexit-Handels­pakt bereits am Morgen unter­zeich­net. Nachdem EU-Kommis­si­ons­che­fin Ursula von der Leyen und EU-Ratsprä­si­dent Charles Michel das Dokument signiert hatten, wurde es mit einer Maschi­ne der briti­schen Luftwaf­fe nach London geflogen.

Das knapp 1250 Seiten starke Handels- und Partner­schafts­ab­kom­men regelt die wirtschaft­li­chen Bezie­hun­gen nach der Brexit-Übergangs­pha­se ab dem 1. Januar. Damit werden Zölle vermie­den und Reibungs­ver­lus­te im Handel möglichst gering gehal­ten. Zugleich werden viele andere Themen geregelt, darun­ter Fisch­fang und Zusam­men­ar­beit bei Energie, Trans­port, Justiz, Polizei.

«Im Kern dieses Gesetz­ent­wurfs steckt eines der größten Freihan­dels­ab­kom­men der Welt», sagte Johnson zum Auftakt der Debat­te im Unter­haus in London. Es werde Unter­neh­men ermög­li­chen, den Handel mit der EU noch zu inten­si­vie­ren, so der Regie­rungs­chef. Auch die größte Opposi­ti­ons­par­tei Labour stimm­te zähne­knir­schend zu. Opposi­ti­ons­füh­rer Keir Starmer bezeich­ne­te das Abkom­men als «dünn» und «mit vielen Makeln behaf­tet». Es sei jedoch besser als ein No Deal, der Preis­stei­ge­run­gen zur Folge hätte und Unter­neh­men an den Rand der Existenz bringen könnte.

Schar­fe Kritik kam vor allem aus Schott­land: Regie­rungs­chefin Nicola Sturge­on wetter­te vor dem Regio­nal­par­la­ment in Edinburgh gegen den «faulen Brexit, den Schott­land die ganze Zeit abgelehnt hat». Der briti­sche Staats­mi­nis­ter Micha­el Gove warf Sturge­ons Schot­ti­scher Natio­nal­par­tei (SNP) vor, ihren «engstir­ni­gen» Natio­na­lis­mus über das natio­na­le Wohl des Landes zu stellen. Die SNP strebt die Loslö­sung von Großbri­tan­ni­en an — der Brexit könnte dabei helfen. Denn die Schot­ten hatten beim Brexit-Referen­dum 2016 für den Verbleib in der EU gestimmt, in Umfra­gen spricht sich seit Monaten eine Mehrheit für die Unabhän­gig­keit aus.

EU-Ratschef Michel würdig­te das Abkom­men als fair und ausge­wo­gen. Es wahre die Inter­es­sen der EU und schaf­fe für Bürger und Unter­neh­men Stabi­li­tät und Verläss­lich­keit, sagte Michel. Auch künftig werde die EU bei wichti­gen Themen Seite an Seite mit dem Verei­nig­ten König­reich stehen, etwa beim Klima­schutz oder im globa­len Kampf gegen Pandemien.

Der Vertrag kann vorerst nur vorläu­fig angewen­det werden, weil für eine Ratifi­zie­rung durch das Europa­par­la­ment vor dem Jahres­en­de die Zeit fehlte. Das Europa­par­la­ment will den Text noch genau prüfen. Anvisiert wird eine Abstim­mung im Febru­ar oder März.

Großbri­tan­ni­en und die EU hatten sich erst an Heilig­abend auf den Vertrag geeinigt. Großbri­tan­ni­en war bereits Ende Januar 2020 aus der EU ausge­tre­ten, zum neuen Jahr endet auch die Mitglied­schaft im EU-Binnen­markt und in der Zollunion.