COLMAR (dpa/lsw) — Das Atomkraft­werk Fessen­heim ist still­ge­legt, sorgt aber weiter für Schlag­zei­len. Eine deutsch-franzö­si­sche Firma für einen Gewer­be­park steht vor dem Aus. Colmars Stadt­ober­haupt nimmt den Partner jenseits des Rheins in die Pflicht.

Der Colma­rer Bürger­meis­ter Éric Strau­mann hat die Still­le­gung des elsäs­si­schen Atomkraft­werks Fessen­heim kriti­siert und mehr Engage­ment von deutscher Seite bei Folge­pro­jek­ten angemahnt. Das schlie­ße den Ausbau der Bahnstre­cke von Freiburg nach Colmar mit geschätz­ten Kosten von rund 300 Millio­nen Euro ein, sagte der ostfran­zö­si­sche Regio­nal­po­li­ti­ker von der bürger­li­chen Rechten der Deutschen Presse-Agentur.

«Die Deutschen haben sich durch­ge­setzt, weil sie immer die Schlie­ßung von Fessen­heim wollten», sagte Strau­mann mit Blick auf die Abschal­tung vor zwei Jahren. «Seitdem die Still­le­gung gebil­ligt wurde, sind sie (die Deutschen) weniger aktiv und weniger präsent.» Strau­mann, der auch einer der Vizeprä­si­den­ten der Europäi­schen Gebiets­kör­per­schaft Elsass ist, fügte mit Hinweis auf die Energie­kri­se und mögli­che Strom­ab­schal­tun­gen im Winter hinzu: «Aus unserer Sicht war die Schlie­ßung von Fessen­heim eine völli­ge Absurdität.»

Frank­reichs libera­ler Präsi­dent Emmanu­el Macron hatte sich das Aus für Fessen­heim auf die Fahnen geschrie­ben. Das Kraft­werk südöst­lich von Colmar unweit der Grenze zu Deutsch­land wurde 2020 abgeschal­tet. Frank­reich setzt weiter auf die Atomener­gie. Aller­dings altern die Anlagen: Die Hälfte der 56 Atomkraft­wer­ke ist zurzeit wegen Wartun­gen und Repara­tu­ren vom Netz. Paris baut deshalb im Winter auf Strom­lie­fe­run­gen aus Deutsch­land und will im Gegen­zug mit Gas aushelfen.

«Es ist schwie­rig, Fessen­heim neu zu indus­tria­li­sie­ren», räumte Strau­mann ein. Im vergan­ge­nen Monat war bekannt­ge­wor­den, dass die deutsch-franzö­si­sche Firma Novar­hé­na zum Bau eines Gewer­be­parks in Fessen­heim aufge­löst werden soll. «Die Fixkos­ten sind zu hoch», sagte Strau­mann. Wegen Umwelt­schutz­auf­la­gen in Frank­reich umfas­se das verfüg­ba­re Gelän­de auch nur noch rund 55 Hektar. Unabhän­gig davon gibt es einen umstrit­te­nen Plan des franzö­si­schen Energie­kon­zerns EDF, am Stand­ort schwach radio­ak­tiv belas­te­ten Schrott aus Atoman­la­gen zu verwerten.

Berlin und Paris hatten beim Abschluss des Aache­ner Freund­schafts­ver­trags auf Topebe­ne verein­bart, dass es ein Projekt zur Nachnut­zung des Gebiets rund um das AKW Fessen­heim geben solle. Der Vertrag war im Januar 2019 von Macron und der damali­gen Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) unter­schrie­ben worden. Auch die Bahnstre­cke Freiburg-Colmar mit dem Wieder­auf­bau der im Zweiten Weltkrieg zerstör­ten Rhein­brü­cke bei Breisach wurde damals expli­zit als ein vorran­gi­ges deutsch-franzö­si­sches Vorha­ben genannt.

«Es ist erstaun­lich, dass Städte dieser Größe nicht mit dem Zug verbun­den sind», sagte Strau­mann. Die Debat­te zu der Vorzei­ge-Zugver­bin­dung läuft schon seit Jahren. Erste Planungs­er­geb­nis­se sollen nach Angaben des baden-württem­ber­gi­schen Verkehrs­mi­nis­te­ri­ums spätes­tens bis Ende März kommen­den Jahres vorlie­gen. Danach müsse über weite­re Schrit­te bei der Planung entschie­den werden. Ressort­chef Winfried Hermann (Grüne) hatte im Frühjahr bemän­gelt, dass der Bund die Strecke nicht bei der EU als trans­eu­ro­päi­sches Netz zur Förde­rung angemel­det habe. Frank­reich habe das hinge­gen getan.