BERLIN (dpa) — Inmit­ten der massi­ven Omikron-Welle ringen Bund und Länder um einen prakti­ka­blen Kurs für Tests und das amtli­che Krisen­ma­nage­ment bei enormen Fallzah­len. Bekann­te Beschrän­kun­gen gelten vorerst weiter.

Im Kampf gegen die immer stärke­re Corona-Ausbrei­tung in Deutsch­land sollen weitrei­chen­de Alltags­auf­la­gen für Millio­nen Menschen noch länger bleiben. Bund und Länder beschlos­sen am Montag aber vorerst auch keine Verschärfungen.

Die Entwick­lung der Welle mit der neuen Virus­va­ri­an­te Omikron soll jedoch beobach­tet werden. Angesichts der beispiel­los hohen Infek­ti­ons­zah­len sollen genaue­re PCR-Labor­tests und das Nachver­fol­gen von Anste­ckungs­ket­ten stärker auf sensi­ble Berei­che konzen­triert werden. Fürs Impfen soll eine neue Kampa­gne werben.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagte in Berlin nach Beratun­gen mit den Minis­ter­prä­si­den­ten, es gelte, unver­än­dert vorsich­tig zu bleiben. «Die Richtung, die wir einschla­gen haben, hilft», sagte er zu den bestehen­den Zugangs­be­schrän­kun­gen am Arbeits­platz, in Bussen, Bahnen, Gaststät­ten und Geschäf­ten. Diese hätten dazu beigetra­gen, dass hohe Infek­ti­ons­zah­len später erreicht worden seien als anders­wo. Man wisse noch nicht, «ob wir mit einer drasti­sche­ren Situa­ti­on rechnen müssen oder gut durch­kom­men». Jetzt gelte daher erstmal: «Kurs halten». In einzel­nen Ländern wurden Aufla­gen für den Handel gericht­lich gekippt.

«Öffnungs­per­spek­ti­ven» entwickeln

Im Beschluss heißt es, bei einer drohen­der Überlas­tung des Gesund­heits­sys­tems würden Bund und Länder «weiter­ge­hen­de Maßnah­men zur Infek­ti­ons­kon­trol­le» verein­ba­ren. Zugleich wollen sie demnach aber auch «Öffnungs­per­spek­ti­ven» für den Moment entwi­ckeln, zu dem eine Überlas­tung ausge­schlos­sen werden könne. Berlins Regie­ren­de Bürger­meis­te­rin Franzis­ka Giffey (SPD) beton­te, man sei sich einig gewesen, «dass eine Locke­rung der Maßnah­men zum jetzi­gen Zeitpunkt mit den entspre­chen­den Infek­ti­ons­zah­len nicht das Mittel der Wahl ist». Die nächs­te Bund-Länder-Runde ist für 16. Febru­ar geplant. Gesund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) hatte deutlich gemacht, dass er für Mitte Febru­ar den Höhepunkt der Welle erwartet.

Gesund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach rechnet damit, dass die Corona-Maßnah­men in Deutsch­land nach Überschrei­ten der Omikron-Welle gelockert werden können. Im Moment müsse man angesichts der steigen­den Fallzah­len noch hoffen, «dass wir ohne Verschär­fun­gen hinkom­men», sagte der SPD-Politi­ker in der ARD. Wenn die Welle aber überwun­den sei, «beispiels­wei­se Mitte Febru­ar», und die Infek­ti­ons­zah­len wieder runter­gin­gen, «dann ist die Zeit für Locke­run­gen gekommen».

Scholz kündig­te eine neu aufge­leg­te Werbe­kam­pa­gne fürs Impfen mit dem Motto «Impfen hilft» an. Sie solle dazu beitra­gen, jetzt wieder zu erheb­lich mehr Erstimp­fun­gen und Auffri­schungs­imp­fun­gen («Booster») zu kommen, nachdem das Tempo zuletzt nachge­las­sen habe. Radio­spots und Inter­net-Werbung sollen auch Menschen anspre­chen, die bisher nicht erreicht wurden. Scholz räumte ein, dass das erklär­te Ziel von weite­ren 30 Millio­nen Impfun­gen von Weihnach­ten bis Ende Januar nicht mehr zu schaf­fen ist. «Man muss realis­tisch sein, das werden wir nicht mehr zielge­recht errei­chen an dem Tag, wo ich mir das wünschen würde.» Diese Zahl insge­samt zu errei­chen, sei aber durch­aus möglich.

Was ist mit den Tests?

Das Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um recht­fer­tig­te Pläne, den Einsatz von PCR-Tests zu konzen­trie­ren. Künftig sollen sie vorran­gig bei Menschen aus Corona-Risiko­grup­pen und Beschäf­tig­ten einge­setzt werden, die sie betreu­en und behan­deln — in Klini­ken, Pflege­hei­men und Einrich­tun­gen für Menschen mit Behin­de­run­gen. Die Details sollten «zeitnah» in einer Verord­nung festge­legt werden, sagte ein Minis­te­ri­ums­spre­cher. Nach aktuell gelten­der Testver­ord­nung hat beispiels­wei­se noch jeder mit einem positi­ven Schnell­test Anspruch auf eine PCR-Nachtestung.

Der Vorsit­zen­de der Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz, Hendrik Wüst (CDU) aus Nordrhein-Westfa­len, forder­te zugleich, die PCR-Testka­pa­zi­tä­ten schnellst­mög­lich zu erhöhen. Das erwar­te­ten die Menschen auch mit Blick auf Nachbar­län­der, die deutlich größe­re Kapazi­tä­ten vorhiel­ten. «Da helfen jetzt keine Schuld­zu­wei­sun­gen in die eine wie die andere Richtung», sagte Wüst. «Wichtig ist, dass wir an der Lage arbei­ten, dass das besser wird.» Gesund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) habe zugesagt, an der Auswei­tung der Testka­pa­zi­tä­ten zu arbeiten.

Planbar­keit gefordert

Die Länder gaben an die Adres­se des Bundes zu Proto­koll, dass Festle­gun­gen zum Geimpf­ten- und Genese­nen­sta­tus «künftig recht­zei­tig vor ihrem Inkraft­tre­ten angekün­digt und begrün­det werden» sollten. Arbeit­ge­ber­prä­si­dent Rainer Dulger mahnte umsetz­ba­re Vorga­ben für Betrie­be und Beschäf­tig­te an. «Von heute auf morgen die Voraus­set­zun­gen für den Zugang zum Arbeits­platz zu ändern, ist das Gegen­teil von Plan- und Machbar­keit», sagte er mit Blick auf die Verkür­zung des Genese­nen­sta­tus von sechs auf drei Monate. Diese war Mitte Januar kurz nach dem Beschluss einer Verord­nungs­grund­la­ge vom Robert Koch-Insti­tut (RKI) auf der Websei­te veröf­fent­licht worden.

Demons­tra­tio­nen gegen Impfpflicht

In der Debat­te um ein weite­res Ankur­beln der Impfun­gen forder­te die Union die Einfüh­rung eines Impfre­gis­ters. Damit könne man dann auch niedrig­schwel­li­ge Impfan­ge­bo­te ausbau­en, sagte Frakti­ons­vi­ze Sepp Müller (CDU) — etwa durch direk­te Anschrei­ben oder verpflich­ten­de Beratungs­ge­sprä­che für Menschen aus Risiko­grup­pen. Frakti­ons­vi­ze Andrea Lindholz (CSU) erläu­ter­te, dass ein Regis­ter auch für die Kontrol­lier­bar­keit einer mögli­chen Impfpflicht wichtig wäre.

In verschie­de­nen Städten Deutsch­lands demons­trier­ten derweil mehre­re tausend Menschen gegen eine allge­mei­ne Impfpflicht und gegen die Corona-Maßnah­men. Vieler­orts hielten auch Gegen­de­mons­tran­ten mit eigenen Veran­stal­tun­gen oder Mahnwa­chen für die Toten der Pande­mie dagegen.

Vieler­orts waren zudem wie in den vergan­ge­nen Wochen wieder sogenann­te Spazier­gän­ge geplant, weil die Organi­sa­to­ren ihre Treffen nicht als Veran­stal­tung bei den Behör­den anmel­den. Mehre­re Städte haben solch unange­mel­de­ten Protes­te unter­sagt. In einigen Fällen hatten Gerich­te derart pauscha­le Verfü­gun­gen gekippt, weil es milde­re Mittel gäbe.

Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg laut Robert Koch-Insti­tut (RKI) auf den nächs­ten Höchst­wert von 840,3 — nach 806,8 gemel­de­ten Neuin­fek­tio­nen pro 100.000 Einwoh­ner in sieben Tagen am Vortag und 528,2 vor einer Woche. Die Gesund­heits­äm­ter melde­ten 63.393 nun neue Fälle an einem Tages. Die Zahl der Corona-Inten­siv­pa­ti­en­ten stieg erneut leicht. Laut Tages­re­port des Divi-Regis­ters waren am Montag 2438 Menschen in inten­siv­me­di­zi­ni­scher Behand­lung — zwölf mehr als am Vortag. Zum Höhepunkt der vierten Welle im Dezem­ber waren es rund 5000 gewesen. Dann sank die Zahl lange Zeit kontinuierlich.

Von Sascha Meyer und Ulrich Stein­kohl, dpa