BERLIN (dpa) — Viele Länder Europas haben die meisten Corona-Vorschrif­ten fallen gelas­sen. Künftig soll es auch hierzu­lan­de nur noch Basis­re­geln geben. Doch nicht nur aus den Bundes­län­dern kommt Kritik daran.

Die umstrit­te­nen Pläne der Ampel-Koali­ti­on für die künfti­gen Corona-Schutz­re­geln in Deutsch­land sollen am Freitag besie­gelt werden. Am Vormit­tag soll der Bundes­tag (9.00 Uhr) die geplan­te neue Rechts­grund­la­ge für Alltags­auf­la­gen beschließen.

Kurz danach (12.30 Uhr) soll sich der Bundes­rat in einer Sonder­sit­zung abschlie­ßend damit befas­sen. Die Geset­zes­plä­ne sehen nur noch wenige allge­mei­ne Vorga­ben zu Masken und Tests in Einrich­tun­gen für gefähr­de­te Gruppen vor. In Bussen und Bahnen soll weiter­hin Masken­pflicht gelten können.

Für regio­na­le «Hotspots» kann es jedoch weiter­ge­hen­de Beschrän­kun­gen geben, wenn das Landes­par­la­ment für diese eine beson­ders kriti­sche Corona-Lage feststellt. Die neue Rechts­grund­la­ge soll von diesem Sonntag an gelten, da die jetzi­ge am Samstag endet. Zahlrei­che Bundes­län­der wollen aber noch eine vorge­se­he­ne Übergangs­frist nutzen und aktuell gelten­de Schutz­re­geln bis zum 2. April aufrechterhalten.

Beratun­gen und Streitigkeiten

Bei den Beratun­gen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Minis­ter­prä­si­den­ten der Länder hatte es Streit über den neuen Rechts­rah­men gegeben. Konkre­te Beschlüs­se für das weite­re Vorge­hen im Frühjahr wurden nicht gefasst. Von Länder­sei­te kam partei­über­grei­fend Kritik an den Plänen der Bundes­re­gie­rung. Der Vorsit­zen­de der Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz, Hendrik Wüst (CDU) aus Nordrhein-Westfa­len, nannte die geplan­te Neure­ge­lung «recht­lich unsicher und praktisch nicht umsetz­bar». Das gelte vor allem für die Regelung zu «Hotspots» in kriti­scher Lage. Scholz hatte die Pläne verteidigt.

Im Bundes­rat ist das Gesetz nicht zustim­mungs­pflich­tig. Für einen mögli­chen Antrag auf eine Anrufung des Vermitt­lungs­aus­schus­ses wäre eine Mehrheit von 35 Stimmen in der Länder­kam­mer nötig. Zugleich besteht Zeitdruck für eine schnel­le Anschluss­re­ge­lung, da sonst ab Sonntag gar keine Rechts­grund­la­ge für Corona-Maßnah­men mehr bestünde.

Auch Kommu­nen sehen den künfti­gen Rechts­rah­men kritisch. Der Haupt­ge­schäfts­füh­rer des Deutschen Städte- und Gemein­de­bunds, Gerd Lands­berg, bezeich­ne­te die Hotspot-Regelung in der «Rheini­schen Post» (Freitag) als unprak­ti­ka­bel. Sie führe zu einem «Flicken­tep­pich». Lands­berg begrüß­te, dass die Länder die Übergangs­re­ge­lun­gen bis zum 2. April nutzen wollen. Danach «wäre es sinnvoll, jeden­falls die Masken­pflicht nicht nur in den öffent­li­chen Verkehrs­mit­teln, sondern auch in öffent­lich zugäng­li­chen Räumen aufrecht zu erhal­ten, etwa in Behör­den, in Geschäf­ten oder bei Veranstaltungen».

Corona-Maßnah­men in anderen Ländern

Der Präsi­dent des Deutschen Landkreis­ta­ges, Reinhard Sager, sieht die Hotspot-Regelung ebenfalls als «bürokra­tisch und zu träge» an. Betrof­fe­ne Landkrei­se sollten selbst über schär­fe­re Instru­men­te und ohne vorhe­ri­gen Beschlus­ses des Landtags entschei­den können, forder­te Sager in den Zeitun­gen der Funke-Medien­grup­pe (Freitag). Den weitge­hen­den Verzicht auf den bewähr­ten Instru­men­ten­kas­ten werte­te Sager als «vielleicht etwas zu mutig».

Der Bundes­vor­sit­zen­de des Hausärz­te­ver­ban­des, Ulrich Weigeldt, bezeich­ne­te die politi­sche Debat­te zwischen Bund und Ländern in den vergan­ge­nen Tagen als «chaotisch». Nach der Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz bleibe vollkom­men unklar, nach welchen Krite­ri­en die Politik die Corona-Lage bewer­te, sagte Weigeldt der «Rheini­schen Post». «Das ist Pande­mie-Bekämp­fung nach tages­ak­tu­el­lem Bauchgefühl.»

FDP-Vize Wolfgang Kubicki hinge­gen vertei­dig­te die Pläne der Koali­ti­on. Fast alle Länder um Deutsch­land herum hätten ihre Corona-Maßnah­men ohne Proble­me für ihr Gesund­heits­sys­tem gelockert, sagte er der «Augsbur­ger Allge­mei­nen». «Wir müssen den gleichen Weg gehen, sonst sind wir der Geister­fah­rer in Europa», warnte der Liberale.