Die Zahlen der Corona-Infek­tio­nen und der Todes­fäl­le in Deutsch­land steigen wieder. Locke­run­gen dürften die Verbrei­tung der anste­cken­de­ren briti­schen Varian­te nun noch beschleunigen.

BERLIN (dpa) — Das Corona-Virus breitet sich in Deutsch­land wieder weiter aus. Exper­ten halten im April eine so starke Ausbrei­tung wie vor Weihnach­ten für wahrscheinlich.

Der Grund: Die anste­cken­de­re und wohl auch tödli­che­re Mutati­on B.1.1.7 greift um sich. Zugleich gibt es mehr Kontak­te wegen Lockdown-Lockerungen.

Bereits am Samstag stieg die Zahl der binnen sieben Tagen gemel­de­ten Neuin­fek­tio­nen pro 100.000 Einwoh­ner um 1,2 auf 63,8. Das melde­te das Robert Koch-Insti­tut (RKI). Die Inzidenz war infol­ge des Lockdowns bis Mitte Febru­ar gesun­ken — auf 57,4 zum Ende der zweiten Februarwoche.

Zu der Zeit hatte die Ausbrei­tung der zuerst in Großbri­tan­ni­en aufge­tauch­ten Varian­te in Deutsch­land bereits begon­nen. Der Mutati­ons-Anteil stieg binnen zwei Wochen von knapp 6 auf mehr als 22 Prozent zum Ende der dritten Febru­ar­wo­che. Nach den jüngs­ten Zahlen großer Labore hat die briti­sche Varian­te dann einen Anteil von 30 Prozent in Deutsch­land erreicht. Ein aktuel­le­rer Stand vom RKI wird erst kommen­de Woche wieder erwartet.

Die Sieben-Tage-Inzidenz schwank­te ab Mitte Febru­ar zunächst einige Tage um 57. Seit vergan­ge­nen Sonntag lag sie dann wieder bis auf einen Tag konstant über 60.

Der bishe­ri­ge Höchst­stand der Inzidenz war zwei Tage vor Weihnach­ten mit 197,6 erreicht worden. An dem Tag gab es 19.528 neue Fälle inner­halb eines Tages.

Nun melde­ten die Gesund­heits­äm­ter dem RKI 9762 Corona-Neuin­fek­tio­nen binnen eines Tages. Zudem wurden inner­halb von 24 Stunden 369 neue Todes­fäl­le verzeich­net. Den Höchst­stand neu gemel­de­ter Todes­fäl­len gab es nachlau­fend zum Höchst­stand bei der Inzidenz: Nämlich mit 1244 Toten am 14. Januar. Insge­samt sind 69.888 Menschen an oder unter Betei­li­gung einer nachge­wie­se­nen Infek­ti­on mit Sars-CoV‑2 bis heute gestorben.

Es stecken wieder mehr mit dem Virus infizier­te Menschen andere an. So stieg der bundes­wei­te Sieben-Tage-R-Wert laut RKI-Angaben vom Freitag um 0,03 Punkte auf 1,08. 100 Infizier­te geben das Virus also rechne­risch an 108 weite­re Menschen weiter. Der Wert bildet das Infek­ti­ons­ge­sche­hen vor 8 bis 16 Tagen ab. Unter eins flaut das Infek­ti­ons­ge­sche­hen ab — über eins nimmt es zu.

Insge­samt wird die dritte Welle der Corona-Pande­mie nach Berech­nun­gen des Saarbrü­cker Pharma­zie-Profes­sors Thors­ten Lehr ähnlich stark ausfal­len wie die zweite. «Ich gehe schon davon aus, dass wir wieder so Zustän­de wie vor Weihnach­ten bekom­men werden», sagte der Exper­te für Corona-Progno­sen der Deutschen Presse-Agentur in Saarbrü­cken. Er rechne­te damit, dass in der ersten April­hälf­te wieder Sieben-Tage-Inziden­zen um 200 erreicht werden.

Denn die briti­sche Mutan­te, die wohl um die 35 Prozent anste­cken­der sei, werde auch in Deutsch­land die Oberhand gewin­nen und weiter anstei­gen bis zu einem Anteil von mehr als 90 Prozent. Er berief sich auf Zahlen des «Covid-Simula­tors» an der Uni des Saarlandes.

Und seit Mitte Febru­ar hätten mehr Kontak­te zu höheren Zahlen geführt. Es gebe eine Lockdown-Müdig­keit, in manchen Berei­chen laufe das norma­le Leben wieder an, weite­re Öffnun­gen stünden bevor. Lehr: «Auch wenn die Locke­run­gen moderat sind, werden sie sich auswir­ken.» Lehr geht davon aus, dass es nach dem 7. März rund 20 Prozent mehr Kontak­te gebe. Die Kombi­na­ti­on aus Locke­run­gen mit der Mutan­te werde zu einem relativ starken Anstieg führen. Ohne jegli­che Locke­rung würde Anfang April die 100er-Inzidenz erreicht. In weiter Ferne sei eine zuletzt angestreb­te Inzidenz von 35.

Effek­te der Impfun­gen gibt es laut dem Forscher «bei einem optimis­ti­schen Szena­rio» im Juni — wenn man 30 Prozent der Bevöl­ke­rung geimpft habe. Über 95 Prozent seien noch nicht geimpft.
Den Anstieg der Zahlen ausbrem­sen könnte man mögli­cher­wei­se «über geziel­te Schnell­tests, die großflä­chig einge­setzt werden, um infek­tiö­se Mitbür­ger aus dem Verkehr zu ziehen». Lehr bezwei­fel­te, dass die Umset­zung «recht­zei­tig für eine Locke­rung» gelinge.

In den vergan­ge­nen Wochen hatte sich der Verdacht erhär­tet, dass die anste­cken­de­re briti­sche Varian­te B.1.1.7 auch häufi­ger zur Klinik­ein­wei­sung oder zum Tod führt. Eine briti­sche Erhebung fasste Studi­en zusam­men, die auf ein um etwa 40 bis 60 Prozent erhöh­tes Morbi­di­täts- und Morta­li­täts­ri­si­ko hinwei­sen. Exper­ten vermu­ten als Grund einen leich­te­ren Eintritt der Mutati­on in die Zellen und eine stärke­re Infek­ti­on weite­rer Zellen.