1,6 Millio­nen Infizier­te, fast 30.000 Tote: Das ist die erschüt­tern­de Bilanz nach fast einem Jahr Corona in Deutsch­land. Aber jetzt gibt Hoffnung auf ein Ende der Pandemie.

Die bisher größte Impfkam­pa­gne in Deutsch­land hat früher begon­nen als geplant. In einem Senio­ren­zen­trum in Sachsen-Anhalt wurden am Samstag die 101 Jahre alte Edith Kwoiz­al­la und etwa 40 weite­re Bewoh­ner geimpft.Außerdem ließen sich zehn Pflege­kräf­te immuni­sie­ren. Der Start der bundes­wei­ten Impfkam­pa­gne war eigent­lich erst für Sonntag geplant. Der Betrei­ber des Senio­ren­heims, Tobias Krüger, wollte aber offen­sicht­lich keine Zeit verlie­ren. «Jeder Tag, den wir warten, ist ein Tag zu viel», sagte er. Das Landrats­amt hatte zuvor bei ihm angefragt, ob im Heim alles vorbe­rei­tet sei. 

 

Am Sonntag sollen die Impfun­gen in allen Bundes­län­dern begin­nen, mehre­re zehntau­send Impfdo­sen wurden am Samstag ausge­lie­fert. Sie werden von den zustän­di­gen Landes­be­hör­den an Impfzen­tren und mobile Teams verteilt. Zuerst sollen Menschen über 80 Jahre sowie Pflege­kräf­te und beson­ders gefähr­de­tes Kranken­haus­per­so­nal immuni­siert werden.

Gesund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn rief zu einem «natio­na­len Kraft­akt» auf, um so viele Menschen wie möglich gegen das Corona­vi­rus zu immuni­sie­ren. «Dieser Impfstoff ist der entschei­den­de Schlüs­sel, diese Pande­mie zu besie­gen. Er ist der Schlüs­sel dafür, dass wir unser Leben zurück­be­kom­men können», sagte der CDU-Politi­ker in Berlin.

In dem Senio­ren­zen­trum in Halber­stadt im Harz entschie­den sich zwei Drittel der 59 Bewoh­ner für die Impfung sowie ein Viertel der 40 Mitar­bei­ter. Auch Heimlei­ter Krüger war darun­ter. Er halte die Impfung für sinnvoll. «Ich verste­he aber auch die Beden­ken.» Am 15. Januar, also in knapp drei Wochen, erfolgt die zweite Impfung der Bewoh­ner. Damit wird dann erst die volle Wirkung des Impfstoffs der Mainzer Firma Biontech und ihres US-Partners Pfizer gewährleistet.

Die Bundes­re­gie­rung wirbt unter dem Motto «Ärmel hoch» gezielt dafür, an der Impfkam­pa­gne teilzu­neh­men. Um die Pande­mie zu stoppen, müssten nach Schät­zung von Exper­ten etwa 60 bis 70 Prozent der deutschen Bevöl­ke­rung geimpft werden. «Wir wollen so viele Menschen impfen, dass das Virus keine Chance mehr hat, in Deutsch­land und in Europa», sagte Spahn. Jede Impfung mehr bedeu­te weniger Infek­tio­nen und weniger Todes­fäl­le. «Wer mitmacht, rettet Leben.»

Bis Ende des Jahres sollen 1,3 Impfdo­sen ausge­lie­fert werden. Ende März sollen es schon über zehn Millio­nen sein. Und Mitte des Jahres will Spahn allen, die sich impfen lassen wollen, ein Angebot machen können. Der Gesund­heits­mi­nis­ter berei­te­te die Bevöl­ke­rung aber auch darauf vor, dass angesichts der Größe der Kampa­gne vielleicht nicht alles sofort ganz glatt laufen wird. «Es wird an der einen oder anderen Stelle auch mal ruckeln, das ist ganz normal.»

Spahn rief die Jünge­ren zur Solida­ri­tät mit den Alten und Schwa­chen auf, die den Impfstoff nun am dringends­ten benötig­ten. Und er machte Hoffnung, dass die Pande­mie im Laufe des nächs­ten Jahres überwun­den werden kann: «Der Herbst und der Winter und auch das Weihnach­ten des kommen­den Jahres, sollen nicht mehr im Zeichen dieser Pande­mie stehen.»

Der Deutsche Städte­tag dämpf­te dagegen die Erwar­tun­gen. «Es ist ein Anfang gemacht, aber der Spuk mit dem gefähr­li­chen Corona­vi­rus ist noch nicht vorbei», sagte Städte­tags­prä­si­dent Burkhard Jung (SPD) den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe. Die Infek­ti­ons­la­ge sei derzeit weiter­hin besorg­nis­er­re­gend und die Zeit für Massen­imp­fun­gen noch nicht gekom­men. «Dafür gibt es zunächst viel zu wenig Impfstoff», sagte Jung, der auch Oberbür­ger­meis­ter von Leipzig ist.

Der FDP-Vorsit­zen­de Chris­ti­an Lindner sieht Deutsch­land nicht ausrei­chend vorbe­rei­tet auf das Impfen. Die FDP hätte sich eine klare gesetz­li­che Grund­la­ge dafür gewünscht, weil so wichti­ge Fragen von Leben und Tod auf breites­ter Grund­la­ge beschlos­sen werden sollten, sagte Lindner der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Bei der Frage der Logis­tik sollten wir baldmög­lichst über die Impfzen­tren hinaus auch den nieder­ge­las­se­nen medizi­ni­schen Bereich nutzen, damit wir schnell voran­kom­men beim Durch­imp­fen», mahnte der FDP-Chef.

Am 27. Januar 2020 war die erste Corona-Infek­ti­on in Deutsch­land bekannt­ge­wor­den. Seitdem wurden mehr als 1,6 Millio­nen Infek­tio­nen regis­triert. Bis Samstag starben laut Robert Koch-Insti­tut in Deutsch­land 29.422 Infizierte.