Trotz des Teil-Lockdowns rollt die Corona-Welle in Deutsch­land. Das zeigen die tägli­chen Infek­ti­ons- und Todes­zah­len. Bund und Länder ziehen jetzt die Notbrem­se. Aus dem wirkungs­lo­sen Teil-Lockdown wird ein weiter­ge­hen­der Voll-Lockdown.

Zum Eindäm­men der sich weiter stark ausbrei­ten­den Corona-Pande­mie wird das öffent­li­che und priva­te Leben in Deutsch­land schon von diesem Mittwoch an drastisch heruntergefahren.

Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) und die Minis­ter­prä­si­den­ten der Länder haben am Sonntag beschlos­sen, dass vom 16. Dezem­ber bis zum 10. Januar der Einzel­han­del mit Ausnah­me der Geschäf­te für den tägli­chen Bedarf schlie­ßen muss.

In diesem Zeitraum sollen auch Schulen grund­sätz­lich geschlos­sen oder die Präsenz­pflicht ausge­setzt werden. Locke­run­gen der stren­gen Kontakt­be­schrän­kun­gen gibt es zu Weihnach­ten für Feiern im Famili­en­kreis, nicht aber zum Jahreswechsel.

Die schar­fen Einschnit­te sind die Folge der sich seit Wochen verschär­fen­den Pande­mie­la­ge. Am Sonntag­mor­gen melde­te das Robert Koch-Insti­tut (RKI) 20.200 neue Corona-Infek­tio­nen und 321 neue Todes­fäl­le. Am Sonntag vor einer Woche waren es noch 17.767 neue Fälle und 255 Todes­fäl­le gewesen. Am vergan­ge­nen Freitag war der bishe­ri­ge Höchst­stand der Neuin­fek­tio­nen (29.875) und Todes­fäl­le (598) erreicht worden. Merkel ging davon aus, dass die Zahlen zunächst noch steigen werden.

Der seit Anfang Novem­ber gelten­de Teil-Lockdown habe «nicht gereicht», sagte Merkel nach den Beratun­gen von Bund und Ländern in Berlin. Das exponen­ti­el­le Wachs­tum der Corona-Neuin­fek­tio­nen habe eine Zeit lang gestoppt werden können. Dann sei aber eine «Seitwärts­be­we­gung» einge­tre­ten, und seit einigen Tagen gebe es wieder ein exponen­ti­el­les Wachs­tum. «Wir sind zum Handeln gezwun­gen und handeln jetzt auch», sagte die Bundeskanzlerin.

«Corona ist außer Kontrol­le geraten», warnte Bayerns Regie­rungs­chef Markus Söder. «Die Lage ist eigent­lich wieder 5 vor 12. Deswe­gen wollen wir keine halben Sachen mehr machen, sondern konse­quent handeln», beton­te der CSU-Vorsit­zen­de. Nun gelte: «Ab Mittwoch richti­ger Lockdown in Deutsch­land, für alle, konse­quent und auch klar verständ­lich und anwend­bar.» Dieser sei bis zum 10. Januar geplant, müsse aber so lange wie nötig andau­ern. «Corona hält sich nicht an Daten der Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­ren­zen. Corona hält sich nicht an Feier­ta­ge, Corona nimmt sich den Freiraum, den man ihm lässt.» Söder sagte mit Blick auf die kommen­den Wochen: «Die Philo­so­phie heißt: daheim bleiben!»

Berlins Regie­rungs­chef Micha­el Müller (SPD) beton­te, es seien weiter «Dinge möglich», etwa an Weihnach­ten. «Aber man muss auch nicht alles machen, was möglich ist.»

Finanz­mi­nis­ter Olaf Scholz (SPD) machte deutlich, dass der Bund mit erwei­ter­ten Corona-Finanz­hil­fen Firmen und Jobs schüt­zen will. Es gehe um Existen­zen. Der Vizekanz­ler sprach von einer umfas­sen­den Unter­stüt­zung. Die zusätz­li­chen Hilfen hätten einen Umfang von rund 11 Milli­ar­den Euro pro Monat. Die Bundes­re­gie­rung habe Firmen von Beginn der Krise an nicht allei­ne gelas­sen, sagte Scholz. Er nannte die beschlos­se­nen harten Maßnah­men erfor­der­lich: «Das Virus macht keine Ferien.»

Die Beschlüs­se von Bund und Ländern im Einzelnen:

EINZELHANDEL: Der Einzel­han­del wird vom 16. Dezem­ber bis zum 10. Januar geschlos­sen. Ausnah­men gelten für: Geschäf­te für Lebens­mit­tel, Wochen­märk­te für Lebens­mit­tel, Direkt­ver­mark­ter von Lebens­mit­teln, Abhol- und Liefer­diens­te, Geträn­ke­märk­te, Reform­häu­ser, Babyfach­märk­te, Apothe­ken, Sanitäts­häu­ser, Droge­rien, Optiker, Hörge­rä­te­akus­ti­ker, Tankstel­len, Kfz- und Fahrrad­werk­stät­ten, Banken und Sparkas­sen, Poststel­len, Reini­gun­gen, Wasch­sa­lons, den Zeitungs­ver­kauf, Tierbe­darfs­märk­te, Futter­mit­tel­märk­te, den Weihnachts­baum­ver­kauf und den Großhandel.

DIENSTLEISTUNGEN: Dienst­leis­tungs­be­trie­be im Bereich der Körper­pfle­ge wie Friseur­sa­lons, Kosme­tik­stu­di­os, Massa­ge­pra­xen, Tattoo-Studi­os und ähnli­che Betrie­be werden ebenfalls geschlos­sen. Medizi­nisch notwen­di­ge Behand­lun­gen, zum Beispiel Physio‑, Ergo- und Logothe­ra­pien sowie Podologie/Fußpflege, bleiben möglich.

FINANZHILFEN: Der Bund erwei­tert die Corona-Finanz­hil­fen für Unter­neh­men. Bei der Überbrü­ckungs­hil­fe III, die ab Januar gilt, soll der Höchst­be­trag von 200.000 auf 500.000 Euro erhöht werden. Der maxima­le Zuschuss ist demnach geplant für direkt und indirekt von Schlie­ßun­gen betrof­fe­ne Unter­neh­men. Erstat­tet werden betrieb­li­che Fixkos­ten. Für die von der Schlie­ßung betrof­fe­nen Unter­neh­men soll es Abschlags­zah­lun­gen ähnlich wie bei den Novem­ber- und Dezem­ber­hil­fen geben. Auch Entlas­tun­gen für den Einzel­han­del sind vorgesehen.

KONTAKTBESCHRÄNKUNGEN: Weiter­hin dürfen sich nur maximal fünf Verwand­te, Freun­de oder Bekann­te aus höchs­tens zwei Hausstän­den privat treffen. Kinder bis 14 Jahre sind ausgeschlossen.

WEIHNACHTEN: Die Länder werden — abhän­gig vom jewei­li­gen Infek­ti­ons­ge­sche­hen — von dieser Beschrän­kung für die Zeit vom 24. bis 26. Dezem­ber Ausnah­men zulas­sen und Feiern im «engsten Famili­en­kreis» ermög­li­chen, auch wenn dies mehr als zwei Hausstän­de oder fünf Perso­nen über 14 Jahren bedeu­tet. Der engste Famili­en­kreis wird definiert als Ehegat­ten, Lebens­part­ner und Partner einer nicht­ehe­li­chen Lebens­ge­mein­schaft sowie Verwand­te in gerader Linie, Geschwis­ter, Geschwis­ter­kin­der und deren jewei­li­ge Haushaltsangehörige.

SILVESTER: Am Silves­ter- und am Neujahrs­tag gilt bundes­weit ein An- und Versamm­lungs­ver­bot. Der Verkauf von Pyrotech­nik wird generell verbo­ten, vom Zünden von Silves­ter­feu­er­werk wird generell dringend abgera­ten. Zudem gilt ein Feuer­werks­ver­bot auf publi­kums­träch­ti­gen Plätzen, die die Kommu­nen definie­ren sollen.

SCHULEN: Auch an den Schulen sollen vom 16. Dezem­ber bis 10. Januar Kontak­te deutlich einge­schränkt werden. Daher werden in diesem Zeitraum Schulen grund­sätz­lich geschlos­sen, oder die Präsenz­pflicht wird ausge­setzt. Eine Notfall­be­treu­ung wird sicher­ge­stellt und Distanz­ler­nen angebo­ten. Für Abschluss­klas­sen können geson­der­te Regelun­gen vorge­se­hen werden. In Kinder­ta­ges­stät­ten wird ebenso verfahren.

GASTRONOMIE: Das Trinken von Alkohol in der Öffent­lich­keit wird vom 16. Dezem­ber bis 10. Januar verbo­ten. Verstö­ße werden mit einem Bußgeld belegt. Die Liefe­rung und Abholung von Speisen für den Verzehr zu Hause durch Gastro­no­mie­be­trie­be sowie der Betrieb von Kanti­nen bleiben möglich. Der Verzehr vor Ort wird untersagt.

GOTTESDIENSTE: Gottes­diens­te in Kirchen, Synago­gen und Moscheen sowie die Zusam­men­künf­te anderer Glaubens­ge­mein­schaf­ten sind nur erlaubt, wenn ein Mindest­ab­stand von 1,5 Metern gewahrt und eine Masken­pflicht auch am Platz einge­hal­ten wird. Den Besuchern ist Gesang unter­sagt. Bei Zusam­men­künf­ten, in der Besucher­zah­len erwar­tet werden, die zu einer Auslas­tung der Kapazi­tä­ten führen könnten, ist ein Anmel­dungs­er­for­der­nis einzuführen.