Die Sommer­fe­ri­en gehen auch im bevöl­ke­rungs­reichs­ten Bundes­land NRW zu Ende, zugleich zeigt der Trend bei den gemel­de­ten Neuin­fek­tio­nen nach oben. Ein Drittel kommt von Einrei­sen­den aus dem Ausland. Rollt die zweite Welle an?

Politi­ker reagier­ten alarmiert und mahnten, die Hygie­ne­re­geln einzu­hal­ten — also vor allem Abstand zu halten und Masken zu tragen. Auch Gesund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) nannte den Trend besorg­nis­er­re­gend. Es gelte sehr wachsam zu sein, vor allem, weil es viele Ausbrü­che im ganzen Land gebe, sagte er am Mittwoch im Deutschlandfunk.

Etwa jede dritte Corona-Neuin­fek­ti­on ist derzeit auf Reise­rück­keh­rer und andere Einrei­sen­de aus dem Ausland zurück­zu­füh­ren. Mit den Grenz­öff­nun­gen sei der Anteil einge­tra­ge­ner Anste­ckun­gen deutlich gestie­gen, heißt es im Situa­ti­ons­be­richt des Robert Koch-Insti­tuts. In der Melde­wo­che vom 3. bis 9. August habe er bei 31 Prozent gelegen. Als wahrschein­li­cher Infek­ti­ons­ort am häufigs­ten genannt wurden in den vergan­ge­nen vier Wochen Länder des Westbal­kans, die Türkei, Bulga­ri­en, Rumäni­en, Polen und Spanien.

Exper­ten und Behör­den blicken auch gespannt auf die Entwick­lung an den Schulen, denn auch im bevöl­ke­rungs­reichs­ten Bundes­land Nordrhein-Westfa­len sind die Sommer­fe­ri­en nun zu Ende. Rund 2,5 Millio­nen Kinder und Jugend­li­che an 5500 Schulen gehen nun wieder regulär zum Unter­richt. Alle Schüler der weiter­füh­ren­den und berufs­bil­den­den Schulen müssen aber auch in der Klasse am Platz einen Mund-Nasen-Schutz tragen — eine solche Anord­nung gibt es sonst flächen­de­ckend in keinem Bundes­land, aber an einzel­nen Schulen in anderen Ländern.

Die Gesund­heits­äm­ter haben nach Angaben des Robert Koch-Insti­tuts 1226 neue Corona-Infek­tio­nen inner­halb eines Tages gemel­det. Höher lag der Wert zuletzt am 9. Mai. Der Höhepunkt bei den täglich gemel­de­ten Neuan­ste­ckun­gen hatte Anfang April bei mehr als 6000 gelegen. Die Zahl war danach in der Tendenz gesun­ken, seit Ende Juli steigt sie wieder. Medizi­ner und Virolo­gen sind besorgt, dass es zu einem starken Anstieg der Fälle kommt — was die Gesund­heits­äm­ter bei der Verfol­gung von Anste­ckungs­ket­ten überfor­dern könnte. Beson­ders betrof­fen sind derzeit Nordrhein-Westfa­len und Hamburg.

Ärzte­prä­si­dent Klaus Reinhardt sprach sich dagegen aus, bei einzel­nen Corona-Infek­tio­nen ganze Schulen zu schlie­ßen. Er sagte der «Rheini­schen Post», es reiche, wenn einzel­ne Klassen oder Kurse zu Hause blieben.

Angesichts der Sorge vor einer zweiten Corona-Welle verschär­fen mehre­re Bundes­län­der die Regeln. In Berlin etwa sollen 240 zusätz­li­che Mitar­bei­ter der Ordnungs­äm­ter darauf achten, dass die Aufla­gen einge­hal­ten werden. Mecklen­burg-Vorpom­mern und Nordrhein-Westfa­len haben die Bußgel­der erhöht, die bei Regel­ver­stö­ßen drohen. Auch Reise­rück­keh­rer aus Risiko­ge­bie­ten sollen stärker kontrol­liert werden.

Die Schutz­maß­nah­men der Regie­run­gen in Bund und Ländern finden bei den Bürgern weiter Rückhalt. Nur jeder Zehnte hält sie für überflüs­sig, wie aus einer Umfra­ge des Insti­tuts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur hervor­geht. Dazu wurden zwischen dem 7. und 10. August insge­samt 2018 Menschen online befragt. 68 Prozent der Befrag­ten halten die Regelun­gen für «absolut notwen­dig». Drei Prozent der Befrag­ten halten Schutz­maß­nah­men für überflüs­sig, weil das Virus nach ihrer Einschät­zung «nicht so gefähr­lich» ist. Sieben Prozent sehen zudem hinter Warnun­gen und Schutz­vor­keh­run­gen einen «Versuch mächti­ger Kreise, andere Ziele durch­zu­set­zen». Weite­re 16 Prozent sind zwar für Schutz­maß­nah­men, halten die aktuell vorge­schrie­be­nen Regelun­gen aber für überzo­gen. Das Krisen­ma­nage­ment der Bundes­re­gie­rung fand wie schon bei vorigen Umfra­gen hohe Zustimmung.

Seit Beginn der Corona-Krise haben sich mindes­tens 218 519 Menschen in Deutsch­land nachweis­lich mit dem Virus Sars-CoV‑2 infiziert, wie das RKI melde­te (Daten­stand 12.8., 0.00 Uhr). Seit dem Vortag wurden 6 neue Todes­fäl­le im Zusam­men­hang mit einer Corona-Infek­ti­on gemel­det, die Gesamt­zahl liegt nun bei 9207. Bis Sonntag­mor­gen hatten 198 800 Menschen die Infek­ti­on nach RKI-Schät­zun­gen überstanden.

Die Repro­duk­ti­ons­zahl, kurz R‑Wert, lag nach RKI-Schät­zun­gen mit Daten­stand 11.8., 0.00 Uhr, in Deutsch­land bei 0,97 (Vortag: 1,09). Das bedeu­tet, dass ein Infizier­ter im Mittel etwa einen weite­ren Menschen ansteckt. Der R‑Wert bildet jeweils das Infek­ti­ons­ge­sche­hen etwa einein­halb Wochen zuvor ab.

Spahn sagte, in fast allen Regio­nen gebe es kleine­re und größe­re Ausbrü­che, «durch Reise­rück­kehr, aber eben auch durch Partys aller Art, durch Famili­en­fei­ern». Noch könne das Gesund­heits­sys­tem die Infek­ti­ons­zah­len aber gut bewäl­ti­gen. «Sehr zurück­hal­tend» sei er weiter bei Großver­an­stal­tun­gen und Fußball­spie­len vor Zuschau­ern, auch weil diese Symbol­wir­kung für kleine­re Zusam­men­künf­te hätten.

Der Bewer­ber um den CDU-Partei­vor­sitz, der frühe­re Umwelt­mi­nis­ter Norbert Röttgen, sagte in der Sendung «Frühstart» von RTL/ntv, alle Bürger müssten diszi­pli­niert bleiben. So seien etwa Reisen und Urlaub keine reine Privat­sa­che mehr. «Wer in ein Risiko­ge­biet fährt, der kann nicht sagen: Das ist mein priva­ter Urlaub. Das ist nicht mehr nur privat, sondern er gefähr­det damit auch andere.»