Die täglich festge­stell­ten Corona-Neuin­fek­tio­nen pendeln sich auf höherem Niveau ein. Sind die aktuel­len Corona-Regeln zu locker? Darüber wollen Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel und die Minis­ter­prä­si­den­ten der Länder nächs­te Woche beraten.

Berlin (dpa) — Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel (CDU) und die Minis­ter­prä­si­den­ten der Länder wollen am kommen­den Donners­tag über das weite­re Vorge­hen in der Corona-Pande­mie beraten.

Nach Angaben von Regie­rungs­spre­cher Steffen Seibert soll es diesmal kein persön­li­ches Treffen geben, wie beim letzten Mal im Juni, sondern wieder eine Video­kon­fe­renz. Die Schal­te ist demnach für 11.00 Uhr geplant. Es dürfte um einheit­li­che­re Corona-Regeln gehen. In den Ländern sind die Vorga­ben für Veran­stal­tun­gen, Feiern und Bußgel­der bei Masken­ver­stö­ßen im Moment ganz unterschiedlich.

Das Robert Koch-Insti­tut (RKI) melde­te am Freitag­mor­gen 1427 neue Anste­ckun­gen inner­halb eines Tages. Am Vortag lag die Zahl mit 1707 so hoch wie seit Ende April nicht mehr. Seibert sprach von einer beunru­hi­gen­den Entwick­lung. «Da ist eine Dynamik, die uns Sorgen machen muss.» Er rief zur Einhal­tung der Corona-Regeln auf.

Die Bundes­re­gie­rung sieht in priva­ten Feiern und Urlau­ben in Risiko­ge­bie­ten wesent­li­che Ursachen für den Anstieg der täglich festge­stell­ten Neuin­fek­tio­nen. Auch das vermehr­te Testen schlägt sich in den Zahlen nieder. Während Ende April nach RKI-Daten in einer Woche rund 364.000 Tests durch­ge­führt wurden, waren es Ende Juli rund 560.000 und Mitte August mehr als 875.000 in einer Woche.

Die immens gestie­ge­ne Zahl führt inzwi­schen zu Kapazi­täts­pro­ble­men. In der Woche vom 10. bis 16. August hätten die teilneh­men­den Labore einen Rückstau von 17 142 abzuar­bei­ten­den Proben angege­ben, heißt es in einem aktuel­len Bericht des RKI. Die Proble­me könnten zu Verzö­ge­run­gen bei der Abklä­rung mögli­cher Infek­tio­nen führen.

Seibert sagte, jeder müsse achtsam bleiben und sich an die Regeln halten. «Priva­te Feiern mit hundert und mehr Menschen, bei denen sich niemand an diese Regeln hält, sind unver­ant­wort­lich.» Reise­rück­keh­rer aus Risiko­ge­bie­ten rief er dazu auf, sich an Test- und Quaran­tä­ne­re­geln zu halten. «Wir haben viele schlim­me Erfah­run­gen, die andere Länder in dieser Pande­mie machen mussten, vermei­den können. Wir dürfen jetzt nicht nachläs­sig werden und das Erreich­te damit in Gefahr bringen.»

Wie eine Umfra­ge der Zeitun­gen der Funke-Medien­grup­pe in zehn Städten ergab, hat allein Hamburg bereits rund 10.000 Bußgeld­be­schei­de erstellt und mehr als 890.000 Euro einge­nom­men, weil sich Menschen nicht an Corona-Vorga­ben gehal­ten haben. In München seien nach Auskunft der dorti­gen Verwal­tung bislang rund 9500 Ordnungs­wid­rig­kei­ten-Anzei­gen zugelei­tet und Einnah­men von mehr als 950.000 Euro erzielt worden. In Frank­furt am Main wurden dem Bericht zufol­ge bei gut 2500 einge­lei­te­ten Ordnungs­wid­rig­keits­ver­fah­ren Bußgel­der in Höhe von über 650.000 Euro verhängt. In Köln versand­te das Ordnungs­amt 1525 Corona-Bußgeld­be­schei­de über fast 364.000 Euro.

Die große Mehrheit der Menschen halte sich an die Regeln, sagte der Haupt­ge­schäfts­füh­rer des Deutschen Städte­ta­ges, Helmut Dedy. Aber man beobach­te auch, dass sich ein Teil über die notwen­di­gen Corona-Beschrän­kun­gen hinwegsetze.

Disku­tiert wird weiter­hin darüber, ob Pflicht­tests für Rückkeh­rer aus Risiko­ge­bie­ten von den Reisen­den selbst bezahlt werden sollten. Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) lehnt das bisher ab. Die rhein­land-pfälzi­sche Regie­rungs­chefin Malu Dreyer (SPD) plädiert für eine neue Strate­gie im Herbst, wenn wieder Ferien sind. Die «Volks­see­le» koche zu Recht, wenn jemand bewusst ins Risiko­ge­biet Mallor­ca fahre und sich bei der Rückkehr auf Kosten der Allge­mein­heit testen lasse, sagte sie in der ZDF-Sendung «Maybrit Illner».

Der Chef des Bundes­ver­ban­des der Verbrau­cher­zen­tra­len, Klaus Müller, sieht das kritisch. «Kosten­pflich­ti­ge Tests würden von zu vielen Rückkeh­rern vermie­den werden. Dadurch entstün­de der Gesell­schaft ein viel höherer Schaden als durch die Finan­zie­rung durch die Allge­mein­heit», sagte er der «Neuen Osnabrü­cker Zeitung».