STUTTGART (dpa/lsw) — Sprach-Apps, digita­le Assis­ten­ten und Program­me, die Gleichun­gen ohne Proble­me lösen: Der Vormarsch der Künst­li­chen Intel­li­genz macht auch vor den Schulen nicht Halt. Aus Sicht der Kultus­mi­nis­te­rin muss sich Bildung deswe­gen verändern.

Künst­li­che Intel­li­genz (KI) wird die Art der Leistungs­be­ur­tei­lung an Schulen aus Sicht von Kultus­mi­nis­te­rin There­sa Schop­per verän­dern. «Wir werden voraus­sicht­lich deutlich mehr zu mündli­chen Prüfun­gen überge­hen, weil man nur so heraus­fin­den kann, ob etwas wirklich verstan­den worden ist», sagte die Grünen-Politi­ke­rin der Deutschen Presse-Agentur in Stutt­gart. Laut Kultus­mi­nis­te­ri­um könnten schrift­li­che Hausauf­ga­ben und ‑arbei­ten verstärkt mündlich überprüft werden. Grund­sätz­lich sei möglich, dass man mehr mündli­che Prüfun­gen abhal­te statt schrift­li­che Hausar­bei­ten aufzu­ge­ben, weil dabei nicht mit KI geschum­melt werden könne.

Nieder­sach­sens Kultus­mi­nis­te­rin Julia Willie Hamburg kann sich verän­der­te Prüfungs­auf­ga­ben in Schulen vorstel­len, um ein Schum­meln mit KI zu verhin­dern. «Indem wir zum Beispiel sagen: Künst­li­che Intel­li­genz ist Teil Deiner Aufga­be — und Du musst trans­pa­rent machen, wie Du sie genutzt hast», sagte die Grünen-Politi­ke­rin in einem am Freitag veröf­fent­lich­ten Sommer­in­ter­view des NDR. Das Land Hessen hat für die Schulen eine Handrei­chung für den Umgang mit KI wie den Textro­bo­ter ChatGPT erarbei­tet. Dabei geht es um recht­li­che und ethische Grenzen.

KI werde sich an den Schulen deutlich auswir­ken, sagte Schop­per. «Unsere Schul­welt wird sich durch Künst­li­che Intel­li­genz verän­dern. Es ist absurd zu glauben, das macht an der Schul­tür Halt.» Auswen­dig­ler­nen sei dagegen überholt. Sie selbst habe im Geschichts­un­ter­richt noch Jahres­zah­len wichti­ger Ereig­nis­se auswen­dig lernen müssen. «Heute macht schlich­tes Auswen­dig­ler­nen von Fakten kaum noch Sinn. Es ist wichti­ger, dass man die grund­le­gen­den Zusam­men­hän­ge versteht, dass man sich Kompe­ten­zen erarbei­ten kann und nicht, dass man sich ein bulimi­sches Wissen reinzieht», sagte Schop­per. Unter «Bulimie­ler­nen» wird kurzfris­ti­ges Auswen­dig­ler­nen etwa für eine Prüfung verstan­den, wobei das Gelern­te wenig später wieder verges­sen wird.

Auch sonst müsse überprüft werden, ob in den Schulen noch der richti­ge Schwer­punkt gelegt werde. «Wir müssen schau­en: Welche Kompe­ten­zen brauchen die Schüler? Ich glaube, dass wir auf die Medien­kom­pe­tenz deutlich mehr Gewicht legen müssen», sagte Schop­per. Das werde vor allem mit Blick auf KI immer wichti­ger. «Kinder und Jugend­li­che müssen in der Schule lernen, wie man Fake News erken­nen kann, wie man Medien sinnvoll nutzen kann und wo die Grenzen liegen. Da haben wir in der Schule eine große Aufgabe.»

Schüle­rin­nen und Schüler fordern seit Jahren, in den Schulen auch mehr Alltags­wis­sen beigebracht zu bekom­men. Erst Anfang des Jahres hatte der Landes­schü­ler­bei­rat gefor­dert, dass Lehrer stärker unter­rich­ten sollten, wie Steuer­erklä­run­gen ausge­füllt, Versi­che­run­gen abgeschlos­sen und Mietver­trä­ge verhan­delt werden. «Die Schule soll uns mit lebens­wich­ti­gen Kompe­ten­zen ausstat­ten, aber wir lernen nur wenig über Dinge wie Steuer­recht und Inves­ti­tio­nen, die für uns später wichtig sein könnten», sagte der Vorsit­zen­de des Landes­schü­ler­bei­rats, Berat Gürbüz, damals der Deutschen Presse-Agentur.

Dafür hat Schop­per Verständ­nis. «Schüler äußern vielfach den Wunsch nach praxis­nä­he­rem Lernen. Sie wollen erken­nen können, wenn sie abgezockt werden oder wo die Fallen bei einem Handy­ver­trag liegen. Das kann ich gut nachvoll­zie­hen», sagte sie. Man müsse immer wieder schau­en, wie man Unter­richt konkre­ter und näher an der Lebens­wirk­lich­keit der Schüle­rin­nen und Schüler gestal­ten könne.

«Fakten gegen Kompe­ten­zen auszu­spie­len, ist schon grund­ver­kehrt», beton­te hinge­gen der bildungs­po­li­ti­sche Sprecher der AfD-Frakti­on, Rainer Balzer. «Und erst recht verkehrt ist die ebenso alte wie wohlfei­le Forde­rung, den Schul­un­ter­richt mehr auf Alltags­kom­pe­ten­zen auszu­rich­ten.» Wer forde­re, dass Lehrer ihren Schülern beibrin­gen sollen, wie Steuer­erklä­run­gen auszu­fül­len seien, der müsse auch sagen, welcher Stoff dafür gestri­chen werde. Alltags­kom­pe­ten­zen sollten auch im Alltag vermit­telt werden.

Erst kürzlich hatte auch Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann eine Bildungs­de­bat­te ausge­löst. Aus Sicht des Grünen-Politi­kers könnten Technik und KI bald das mühsa­me Erler­nen einer zweiten Fremd­spra­che wie Franzö­sisch erset­zen. Junge Leute müssten zwar gut Englisch können, sagte Kretsch­mann Anfang Juli. Mit Blick auf zweite Fremd­spra­chen wie Franzö­sisch sagte er aber, man müsse mehr Vertrau­en in die Technik haben. «In zehn Jahren wird sich jeder einen Knopf ins Ohr setzen — und der übersetzt das simul­tan, was da gespro­chen wird. Das wird so kommen.»

Auch Schop­per glaubt, dass vor allem gute Englisch-Kennt­nis­se künftig wichtig sein werden. «Natür­lich hat der Minis­ter­prä­si­dent Recht, wenn er sagt: In der Zukunft ist es notwen­dig, dass man Englisch als Verkehrs­spra­che beherrscht.» Das sei schon heute selbst­ver­ständ­lich: «Wenn man heute gut Englisch kann, ist das kein Grund für Anerken­nung mehr, sondern das ist die Voraus­set­zung für viele Jobs», sagte Schop­per. Für einfa­che Überset­zun­gen gebe es in der Tat schon heute andere techni­sche Hilfs­mit­tel. Das werde auch die Schulen verändern.