KIEW/BERLIN (dpa) — Das Waffen­sys­tem Iris‑T kann mit Raketen, die vom Lastwa­gen aus abgefeu­ert werden, Großstäd­te über länge­re Zeit dauer­haft schüt­zen. Nun soll es der Ukrai­ne helfen, sich gegen russi­sche Attacken zu wehren.

Kurz nach den neuen Raketen­an­grif­fen Russlands auf Dutzen­de ukrai­ni­sche Städte hat Deutsch­land das Flugab­wehr­sys­tem Iris‑T SLM an das Land überge­ben. Dies gab der ukrai­ni­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Olexij Resni­kow auf Twitter bekannt.

«Eine neue Ära der Luftver­tei­di­gung» habe nun begon­nen. Ausdrück­lich bedank­te er sich bei Vertei­di­gungs­mi­nis­te­rin Chris­ti­ne Lambrecht (SPD) für ihre starke Unter­stüt­zung der Ukrai­ne, die sich seit Febru­ar gegen eine russi­sche Invasi­on wehrt.

Deutsch­land will Kiew zunächst vier der jeweils 140 Millio­nen Euro teuren Syste­me des boden­ge­stütz­ten Typs von Iris‑T zur Verfü­gung stellen, die Finan­zie­rung von drei weite­ren ist gesichert. Das System besteht aus mehre­ren Kompo­nen­ten: Radar­an­la­ge, Gefechts­stand und drei auf Lastwa­gen montier­ten Raketenwerfer.

Schutz für mittle­re Großstädte

Eines dieser Syste­me kann eine mittle­re Großstadt wie Nürnberg oder Hanno­ver schüt­zen. Iris‑T SLM kann auf Ziele bis 20 Kilome­ter Flughö­he und 40 Kilome­ter Reich­wei­te feuern. Es wird also eine Art Schutz­schirm über einer Fläche gespannt. «Beson­ders die boden­ge­bun­de­ne Luftver­tei­di­gung ist in der Lage, Räume über länge­re Zeit dauer­haft zu schüt­zen», schreibt der Hersteller.

Ukrai­ni­sche Solda­ten wurden in Deutsch­land schon an dem Waffen­sys­tem ausge­bil­det. Die Indus­trie übernahm die techni­sche Betreu­ung. Spezia­lis­ten der Luftwaf­fe übernah­men das takti­sche Training.

Iris‑T wurde maßgeb­lich vom deutschen Herstel­ler Diehl Defence entwi­ckelt. Es feuert eine Rakete zur Abwehr von Hubschrau­bern, Flugzeu­gen sowie Marsch­flug­kör­pern und Raketen. Das Radar ermit­telt die Richtung des Angriffs; am Schluss des Anflugs übernimmt der auf Infra­rot, also Wärme­strah­lung, reagie­ren­de Suchkopf der Rakete.

Einen 100-prozen­ti­gen Schutz gibt es nicht. So können Täusch­kör­per eine einzel­ne Rakete ablen­ken oder eine Überzahl angrei­fen­der Objek­te die Senso­ren oder das ganze System zahlen­mä­ßig überfordern.

Das Luftab­wehr­sys­tem ist mobil und kann seinen Stand­ort schnell wechseln, wenn es vom Gegner ausge­kund­schaf­tet wurde. Die Anlage ist dann in kurzer Zeit wieder feuerbereit.

Die Ukrai­ne soll aus Deutsch­land drei weite­re Syste­me erhal­ten, wobei der genaue Zeitpunkt auch davon abhängt, dass Ägypten einer späte­ren Auslie­fe­rung einer schon erfolg­ten Bestel­lung zustimmt. In der Bundes­wehr selbst soll das boden­ge­bun­de­ne System erst von 2025 an einge­führt werden.

Angrif­fe auf Energieinfrastruktur

Der russi­sche Beschuss hatte offen­sicht­lich beson­ders auf Energie­infra­struk­tur abgezielt, es waren etwa in Lwiw im Westen mehre­re Umspann­wer­ke komplett zerstört worden. Viele Bewoh­ner waren von der Strom­ver­sor­gung abgeschnitten.

Resni­kow teilte mit, auch Raketen­wer­fer­sys­te­me des Typs Nasams aus den USA seien unter­wegs. «Das ist erst der Anfang. Und wir brauchen mehr. Zweifel­los ist Russland ein Terror-Staat», schrieb der Minis­ter weiter. Es gebe einen «morali­schen Impera­tiv», den Himmel über der Ukrai­ne zu schüt­zen, um unsere Bevöl­ke­rung zu schützen.

Die FDP-Politi­ke­rin Marie-Agnes Strack-Zimmer­mann nannte die Auslie­fe­rung von Iris‑T bei «RTL Direkt» eine gute Nachricht, «weil es natür­lich auch dazu dient, Städte zu schüt­zen vor Raketen­an­grif­fen, die ja völlig willkür­lich kommen und eben (…) Menschen bei Tage erwischen, Spiel­plät­ze zertrüm­mern und eben viel Leid verursachen!»

Resni­kow hatte zuvor schon bei Twitter den USA für vier zusätz­li­che Mehrfach­ra­ke­ten­wer­fer vom Typ Himars gedankt, die in der Ukrai­ne angekom­men seien. Die Ankunft der Rüstungs­gü­ter bedeu­te «eine gute Zeit für die Ukrai­ner und eine schlech­te Zeit für die Besatzer».

Von Carsten Hoffmann, Torsten Holtz und Gaby Mahlberg, dpa