Im Kampf gegen Corona darf in der EU künftig voraus­sicht­lich auch der Impfstoff Astra­ze­ne­ca genutzt werden. Dann wären es drei zugelas­se­ne Präpa­ra­te. Wo gibt es Unter­schie­de, wo Gemeinsamkeiten?

Warten auf den dritten Corona-Impfstoff: Nach den Präpa­ra­ten von Biontech/Pfizer und Moder­na wird die Europäi­sche Kommis­si­on dem schwe­disch-briti­schen Produkt Astra­ze­ne­ca vermut­lich an diesem Freitag die Geneh­mi­gung ertei­len. Ein Vergleich:

Wie sind die Impfstof­fe gebaut?

Die Präpa­ra­te von Biontech/Pfizer und Moder­na sind sogenann­te mRNA-Impfstof­fe. «m» steht für messen­ger (Bote), «RNA» für Ribonu­cleic acid (Deutsch: Ribonu­kle­in­säu­re). Die mRNA ist die Bauan­lei­tung für einen Bestand­teil des Covid-19-Erregers und gelangt mit Hilfe winzi­ger Fetttröpf­chen in die Körper­zel­len. Diese stellen dann das Virus­pro­te­in her, gegen das der Körper seine Immun­ant­wort entwickelt.

Astra­ze­ne­cas Produkt mit dem Wirkstoff AZD1222 hinge­gen beruht auf der abgeschwäch­ten Versi­on eines Erkäl­tungs­vi­rus von Schim­pan­sen. Es enthält geneti­sches Materi­al eines Oberflä­chen­pro­te­ins, mit dem der Erreger Sars-CoV‑2 an mensch­li­che Zellen andockt. Auch hier bilden die Zellen mit Hilfe der Bauan­lei­tung das Prote­in und der Körper entwi­ckelt eine Immun­ant­wort dagegen.

Wie gut wirken die Vakzine?

Das US-Unter­neh­men Moder­na hatte Ende Novem­ber 2020 mitge­teilt, sein Impfstoff besit­ze eine Wirksam­keit von 94 Prozent — gemes­sen 14 Tage nach der zweiten Dosis. Comirna­ty, der Impfstoff von Biontech und Pfizer, zeigte eine fast identi­sche Wirksam­keit von 95 Prozent — gemes­sen sieben Tage nach der zweiten Dosis. Das bedeu­tet, dass unter den Proban­den der geimpf­ten Gruppe 95 Prozent weniger Erkran­kun­gen auftra­ten als unter denen der Kontrollgruppe.

Das Mittel von Astra­ze­ne­ca wies in Studi­en eine gerin­ge­re Wirksam­keit von etwa 70 Prozent auf, ist jedoch vergleichs­wei­se leicht zu handha­ben. Die EU-Arznei­mit­tel­agen­tur EMA schloss zunächst aller­dings nicht aus, dass das Mittel nur für bestimm­te Alters­grup­pen zugelas­sen wird, da für Ältere erst wenige Testda­ten vorlä­gen. Bei den Vakzi­nen von Biontech/Pfizer und Moder­na gibt es hinge­gen belast­ba­re­re Daten zu Senio­ren. So schützt das Mittel von Biontech einer Studie zufol­ge ältere Menschen ähnlich gut wie jünge­re, bei Moder­na liegt die Wirksam­keit etwas unter den genann­ten 94 Prozent.

Ob die genann­ten Zahlen jedoch auch bei einem massen­haf­ten Einsatz der Impfstof­fe zu errei­chen sind, wird sich erst in einigen Monaten zeigen. Unklar ist auch noch, wie lange der Impfschutz anhält und ob der Geimpf­te das Virus noch weiter­ge­ben kann.

Wie oft wird geimpft?

Hier gibt es große Überein­stim­mun­gen: alle drei Impfstof­fe erfor­dern zwei Wirkstoff­ga­ben. Bei Biontech/Pfizer bekommt der Patient im Abstand von etwa drei Wochen jeweils eine Dosis, beim Produkt von Moder­na sind es rund vier, bei Astra­ze­ne­ca mindes­tens vier Wochen. Bei beiden Impfun­gen sollte stets dassel­be Präpa­rat zum Einsatz kommen: «Eine begon­ne­ne Impfse­rie muss mit dem gleichen Impfstoff abgeschlos­sen werden, auch wenn zwischen­zeit­lich weite­re Impfstof­fe zugelas­sen worden sind», heißt es beim Robert Koch-Insti­tut (RKI). Bei einem Wechsel des Präpa­rats könne die volle Wirksam­keit derzeit nicht gewähr­leis­tet werden, teilte das Paul-Ehrlich-Insti­tut (PEI) mit. Es gebe noch keine entspre­chen­den Untersuchungen.

Comirna­ty muss vor dem Sprit­zen mit einer Natri­um­chlo­rid-Lösung verdünnt werden. Nach Biontech-Angaben ist der verdünn­te Impfstoff maximal sechs Stunden bei 2 bis 30 Grad haltbar. Er könne also bei Bedarf schon im Impfzen­trum verdünnt und dann auch als vorbe­rei­te­te Dosis in der Sprit­ze vorsich­tig trans­por­tiert werden. Das Produkt von Moder­na wird gebrauchs­fer­tig gelie­fert. Gespritzt wird jeweils in den Oberarm-Muskel. Der Wirkstoff könne für einige Stunden im Muskel bleiben und der Körper habe so Zeit, ihn zu erken­nen und darauf zu reagie­ren, erklärt der Rosto­cker Virolo­ge Andre­as Podbielski.

Welche Neben­wir­kun­gen gibt es?

Dem RKI zufol­ge waren Schmer­zen an der Einstich­stel­le, Abgeschla­gen­heit, Kopf- und Gelenk­schmer­zen sowie Schüt­tel­frost die nach den bishe­ri­gen Impfun­gen am häufigs­ten beobach­te­ten Neben­wir­kun­gen. Im Allge­mei­nen waren diese aber schwach bis mäßig und klangen nach kurzer Zeit wieder ab. Berich­te über schwe­re unerwünsch­te Folgen gibt es bei allen drei Vakzi­nen bisher nicht.

Die Ständi­ge Impfkom­mis­si­on beim RKI empfiehlt die Impfung auch für Menschen mit Immun­schwä­che — also zum Beispiel bei HIV-Infek­tio­nen, Krebs­er­kran­kun­gen oder nach Organ­trans­plan­ta­tio­nen. «Wenngleich Perso­nen mit geschwäch­tem Immun­sys­tem mögli­cher­wei­se nicht so gut auf den Impfstoff anspre­chen, bestehen keine beson­de­ren Sicher­heits­be­den­ken», heißt es auch bei der Europäi­schen Arznei­mit­tel-Agentur EMA. «Immun­ge­schwäch­te Perso­nen können trotz­dem geimpft werden, da bei ihnen mögli­cher­wei­se ein höheres Risiko durch Covid-19 besteht.»

Wer soll nicht geimpft werden?

Der Biontech/P­fi­zer-Impfstoff ist für Menschen ab 16 Jahren vorge­se­hen. Der von Moder­na ist ab 18 Jahren gedacht, obwohl das Unter­neh­men kürzlich damit begon­nen hat, seinen Impfstoff bei 12- bis 17-Jähri­gen zu testen. Über die Wirkung des Astra­ze­ne­ca-Präpa­rats auf Kinder und Jugend­li­che ist nach Angaben der briti­schen Arznei­mit­tel­be­hör­de MRHA bisher nichts bekannt. Eine Impfemp­feh­lung für Kinder ist laut RKI «noch nicht abseh­bar». Studi­en dazu seien jedoch geplant.

Einig­keit besteht darin, wer nicht geimpft werden soll: Menschen mit einer aller­gi­schen Reakti­on auf einen der Inhalts­stof­fe oder mit schwe­ren aller­gi­schen Reaktio­nen nach einer vorhe­ri­gen Dosis.

Schüt­zen die Impfstof­fe auch vor Varian­ten des Virus?

Das ist noch nicht abschlie­ßend geklärt, aller­dings sind die Herstel­ler Moder­na und Biontech/Pfizer zuver­sicht­lich. Erste Tests deuten darauf hin, dass ihre Impfstof­fe auch vor den beiden zunächst in Großbri­tan­ni­en und Südafri­ka nachge­wie­se­nen Mutan­ten schüt­zen. Aller­dings stell­ten die Unter­neh­men auch fest, dass Geimpf­te gegen die Varian­te aus Südafri­ka offen­bar eine schwä­che­re Immun­ant­wort aufbau­en. Die Herstel­ler beobach­ten die Entwick­lung sehr genau. Man könne den Impfstoff gegebe­nen­falls anpas­sen, teilten Pfizer und Biontech mit. Moder­na will unter anderem die Wirkung einer zusätz­li­chen Auffri­schungs­do­sis testen.

Wie werden die Impfstof­fe gelagert?

Der Impfstoff von Biontech/Pfizer wird bei minus 70 Grad aufbe­wahrt. Beim Moder­na-Impfstoff muss es mit etwa minus 20 Grad Celsi­us im Vergleich nicht ganz so kalt sein. Ein großer Vorteil bei Astra­ze­ne­ca ist, dass man das Vakzin bei Kühlschrank­tem­pe­ra­tu­ren von zwei bis acht Grad lagern kann.

Unter­schie­de gibt es auch nach dem Auftau­en: Der Pfizer-Impfstoff kann dann im Kühlschrank gelagert, muss aber inner­halb von fünf Tagen aufge­braucht werden. Der Moder­na-Impfstoff ist 30 Tage bei Kühlschrank­tem­pe­ra­tur und zwölf Stunden bei Raumtem­pe­ra­tur stabil.

Wie teuer sind die Mittel?

Die Preise für die neuar­ti­gen mRNA-Impfstof­fe liegen vermut­lich weit höher als bei dem Mittel von Astra­ze­ne­ca. Die belgi­sche Staats­se­kre­tä­rin Eva De Bleeker hatte die bisher geheim gehal­te­nen Preise zeitwei­se auf Twitter veröf­fent­licht. Demnach kostet eine Dosis des Moder­na-Impfstoffs umgerech­net rund 15 Euro, eine von Biontech/Pfizer 12 Euro, eine von Astra­ze­ne­ca nur 1,78 Euro. Der Tweet wurde später gelöscht.

Wie viel hat die EU bestellt, wie viel bekommt Deutschland?

Die EU-Kommis­si­on hat mit sechs Herstel­lern Rahmen­ver­trä­ge über die Liefe­rung von insge­samt 2,3 Milli­ar­den Impfstoff­do­sen geschlos­sen — mehr als genug für die 450 Millio­nen Europä­er. Von Biontech/Pfizer soll die EU bis zu 600 Millio­nen Dosen bekom­men und von Moder­na noch einmal 160 Millio­nen Dosen. Von Astra­ze­ne­ca erwar­te­te die EU eigent­lich 80 Millio­nen Impfdo­sen bis Ende März. Dass es nun nach EU-Angaben nur 31 Millio­nen sein sollen, sorgt derzeit für Streit zwischen Brüssel und dem Hersteller.

Deutsch­land hat sich nach Angaben des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums mehr als 90 Millio­nen Dosen von Biontech gesichert, von Moder­na rund 50 Millio­nen Dosen. Für das Präpa­rat von Astra­ze­ne­ca sollten es eigent­lich rund 56 Millio­nen aus einer gemein­sa­men EU-Bestel­lung sein.