BERLIN (dpa) — Während es bei heimi­schen Mücken nach einem Stich bisher meist nur böse juckt, können Zecken hierzu­lan­de schon gefähr­li­che Viren und Bakte­ri­en übertra­gen. Doch wie groß ist dieses Risiko?

Zecken sind Parasi­ten, die sich mit dem Blut von Menschen und Tieren vollsau­gen. Das klingt wenig sympa­thisch, zumal durch den Stich auch Krank­heits­er­re­ger übertra­gen werden können. Das kommt in Deutsch­land aber selte­ner vor als vielleicht von einigen angenom­men. Was stimmt und was stimmt nicht?

Behaup­tung: Zecken­sti­che sind sehr gefährlich

Bewer­tung: Eher nicht

Fakten: Manch­mal wird drama­tisch über Zecken berich­tet. Dabei halten sich Gesund­heits­ge­fah­ren, die von den Spinnen­tie­ren ausge­hen können, für Menschen in Grenzen, heißt es beim Insti­tut für Quali­tät und Wirtschaft­lich­keit im Gesund­heits­we­sen. Die Wahrschein­lich­keit, nach einem Zecken­stich schwe­re und langfris­ti­ge Schäden davon­zu­tra­gen, sei sehr gering. Komplett ausge­schlos­sen sind solche Folgen aber nicht. Deshalb sollten sich Menschen von Frühjahr bis Herbst in freier Natur vor Zecken schützen.

Behaup­tung: Vor Zecken kann man sich kaum schützen

Fakten: Falsch

Meist reichen schon ganz einfa­che Mittel wie langär­me­li­ge Hemden, lange Hosen, feste Schuhe und Socken, um sich in freier Natur vor Zecken zu schüt­zen. Günstig ist es, sich in der «Wildnis» die Socken über die Hosen­bei­ne zu ziehen. Dann können die Parasi­ten deutlich schwe­rer Hautstel­len finden, zuste­chen und Blut saugen. Es gibt zudem — ähnlich wie gegen Mücken — chemi­sche Abwehr­mit­tel, die zeitlich beschränkt wirken.

Nach einem Spazier­gang in freier Natur, vor allem abseits breiter Wege, ist es immer ratsam, sich selbst und vor allem Kinder nach Zecken abzusu­chen, heißt es beim Robert Koch-Insti­tut. Die Parasi­ten setzen sich beson­ders gern in die weiche­re Haut von Arm- und Kniebeu­gen, unter Achseln, am Haaran­satz oder im Genital­be­reich fest.

Behaup­tung: Zecken lassen sich von Bäumen fallen

Bewer­tung: Falsch

Fakten: Am häufigs­ten kommt in Deutsch­land der Gemei­ne Holzbock (Ixodes ricinus) als Zecken­art vor. Neben Menschen befällt er unter anderem auch Vögel, Eidech­sen, Igel, Hasen, Reh‑, Dam- und Rotwild, Füchse, Hunde und Katzen. Die meisten Holzbö­cke sitzen aber weder auf Bäumen noch suchen sie aktiv nach Wirten für ihre Blutmahl­zeit. Vielmehr harren sie meist in einer Höhe von 30 bis 60 Zenti­me­tern in Sträu­chern, Büschen und Gräsern nahen­der Beute. Menschen und Tiere strei­fen sie sich meist im Vorüber­ge­hen ab.

Behaup­tung: Zecken übertra­gen immer gefähr­li­che Krankheitserreger

Bewer­tung: Falsch

Im Blut von Mensch und Tier können Krank­heits­er­re­ger vorkom­men, die sich auf die saugen­de Zecke übertra­gen und später weiter­ge­ge­ben werden können. Aber wie häufig passiert das?

Bakte­ri­en: Dazu gehören zum Beispiel die Borre­li­en. Rund 30 Prozent der Holzbö­cke sind Borrelien-Träger,heißt es bei der Bundes­zen­tra­le für gesund­heit­li­che Aufklä­rung. Borre­li­en kommen im Mittel­darm von Holzbö­cken vor. Darum dauert es mehre­re Stunden, bis sie nach einem Stich in den mensch­li­chen Organis­mus gelan­gen können. Wird eine Zecke recht schnell auf der Haut entdeckt und entfernt, droht also eher keine Gefahr.

Kommt es zu einer Infek­ti­on beim Menschen (Lyme-Borre­lio­se), zeigt sich das häufig in einer jucken­den Rötung rund um die Einstich­stel­le. Doch nicht jeder, der durch einen Zecken­stich mit Borre­li­en in Kontakt kommt, wird auch tatsäch­lich krank. Oft kann der Körper die Bakte­ri­en in Schach halten. Wirklich krank werden nach RKI-Berech­nun­gen 0,3 bis 1,4 Prozent der Menschen, die von einer Zecke gesto­chen werden.

Bleibt eine Infek­ti­on lange unent­deckt, kann sie aller­dings in Einzel­fäl­len zu kompli­zier­ten Verläu­fen führen, die aufwen­di­ge Behand­lun­gen nötig machen. Im Frühsta­di­um hilft ein Antibio­ti­kum meist gut. Die genaue Häufig­keit der Erkran­kung in Deutsch­land ist nicht bekannt. Nach vom Zentral­in­sti­tut für die kassen­ärzt­li­che Versor­gung (Zi) ausge­wer­te­ten Daten wurde 2021 bei rund 325.000 gesetz­lich versi­cher­ten Patien­tin­nen und Patien­ten eine Lyme-Borre­lio­se diagnostiziert.

Viren: Die zweite häufig von Zecken übertra­ge­ne Krank­heit ist eine Form von Hirn- oder Rücken­mark­ent­zün­dung, die Frühsom­mer-Menin­go­en­ze­pha­li­tis oder kurz FSME, die sich akut oft durch hohes Fieber zeigt. Gegen das Virus, das in den Speichel­drü­sen der Parasi­ten sitzt und deshalb schnell übertra­gen wird, gibt es eine Impfung. Sie wird vor allem für Risiko­ge­bie­te empfoh­len. Dazu zählen in Deutsch­land vor allem Baden-Württem­berg und Bayern, aber auch Teile von Hessen, Thürin­gen und Sachsen sowie einzel­ne Landkrei­se in anderen Bundesländern.

FSME-Infek­tio­nen bei Menschen sind in Deutsch­land melde­pflich­tig. Nach Daten des Robert Koch-Insti­tuts kommen sie selten vor, jährlich nur 300 bis 600 Mal. Das liegt auch daran, dass selbst in Risiko­ge­bie­ten nur ein sehr kleiner Teil der Zecken — bis zu fünf Prozent — mit dem FSME-Virus infiziert ist. Viele Infek­tio­nen verlau­fen auch hier ohne sicht­ba­re oder mit milden Sympto­men. FSME kann beim Menschen aller­dings in sehr selte­nen Fällen tödlich enden oder Langzeit­schä­den wie Lähmungs­er­schei­nun­gen hervorrufen.

Behaup­tung: Durch den Klima­wan­del gibt es immer mehr und gefähr­li­che­re Zecken­ar­ten in Deutschland

Bewer­tung: noch unklar

Wärme­re Winter machen nicht-heimi­schen Zecken das Überle­ben in Deutsch­land leich­ter. In den vergan­ge­nen Jahren wurden nach Angaben des Robert Koch-Insti­tuts neu vorkom­men­de Arten wie Auwald­ze­cken (Derma­cen­tor reticu­la­tus), Relikt­ze­cken (Haema­phy­sa­lis concin­na), Braune Hunde­ze­cken (Rhipi­ce­pha­lus sangui­neus) und Zecken der Gattung Hyalom­ma beobach­tet. Stiche der Relikt­ze­cke gelten in ihrem Haupt­ver­brei­tungs­ge­biet Asien als Risiko für schwe­res Fieber mit Blutungs­ri­si­ko (SFTS). Zecken der Gattung Hyalom­ma können Krim-Kongo-Fieber übertra­gen, das beim Menschen innere Blutun­gen auslö­sen kann. In Deutsch­land wurden diese Erreger nach RKI-Angaben aber bisher noch nicht in Zecken nachge­wie­sen. Es gab bisher auch keine Fälle, bei denen eine Anste­ckung nachge­wie­sen in Deutsch­land statt­ge­fun­den hat.

Wissen­schaft­ler gehen davon aus, dass jedes Jahr Millio­nen von Hyalom­ma-Larven oder jugend­li­che Tiere (Nymphen) mit Zugvö­geln nach Deutsch­land gelan­gen. Trotz­dem würden vergleichs­wei­se wenige ausge­wach­se­ne Hyalom­ma-Zecken gefun­den. Auch wenn bereits verein­zelt Nymphen gefun­den wurden, die in Deutsch­land geschlüpft sein müssen, sei bislang unklar, ob langfris­tig eine Hyalom­ma-Popula­ti­on in Deutsch­land entste­hen kann. Weiter steigen­de Tempe­ra­tu­ren und eine zuneh­mend gerin­ge­re Luftfeuch­tig­keit könnten jedoch dazu beitragen.

Verän­de­run­gen, die das ökolo­gi­sche Gleich­ge­wicht stören können, sind durch eine Ausbrei­tung der neuen Zecken­ar­ten auch in Deutsch­land nicht ausge­schlos­sen. Auwald- oder Relikt­ze­cken machen hierzu­lan­de nach Unter­su­chun­gen des Robert Koch-Insti­tuts bisher nur etwa ein bis zwei Prozent der Zecken­sti­che aus. Anders als Holzbö­cke krabbeln Auwald‑, Relikt- und Hyalom­ma-Zecken aber aktiv auf Menschen und andere poten­zi­el­le Beute zu.

Von Ulrike von Leszc­zyn­ski, dpa