KOPENHAGEN (dpa) — Bis 2030 will die EU ihre Treib­haus­gas-Emissio­nen um mindes­tens 55 Prozent kappen. Nach dem Corona-Jahr 2020 geht es zunächst in die falsche Richtung. Exper­ten fordern deutlich mehr Tempo im Klimaschutz.

Die wirtschaft­li­che Erholung nach dem schlimms­ten Jahr der Corona-Pande­mie hat in der Europäi­schen Union eine Zunah­me klima­schäd­li­cher Emissio­nen mit sich gebracht. Vorläu­fi­gen Daten zufol­ge stieg der Treib­haus­gas­aus­stoß in der EU 2021 im Vergleich zum Vorjahr um schät­zungs­wei­se fünf Prozent, lag damit aber etwa sechs Prozent unter dem Niveau von 2019. Das geht aus einem heute veröf­fent­lich­ten Bericht der EU-Umwelt­agen­tur EEA hervor. Auch der Energie­ver­brauch nahm zu.

Zum Errei­chen der Klima­zie­le 2030 müssen die 27 EU-Mitglied­staa­ten deutlich mehr tun, wie der Bericht zeigt. Der Fortschritt müsse mehr als verdop­pelt werden, schrie­ben die Exper­ten. Entschei­den­de Maßnah­men seien in den kommen­den Monaten und Jahren nötig, um sicher­zu­stel­len, dass die Mitglied­staa­ten ehrgei­zi­ge Emissi­ons­min­de­rungs­plä­ne aufstel­len könnten, um die Ziele zu errei­chen, erklär­te EEA-Exeku­tiv­di­rek­tor Hans Bruyninckx.

«Nicht im Tempo der Vergan­gen­heit weitermachen»

Zwischen 1990 und 2020 sind die Emissio­nen der 27 EU-Staaten um 32 Prozent gesun­ken — damit haben sie das 2020er Klima­ziel einer Verrin­ge­rung um 20 Prozent klar erreicht. Auf dem Weg zu den ambitio­nier­te­ren EU-Klima­zie­len 2030 reicht das aber lange nicht aus.

«Wir können nicht im Tempo der Vergan­gen­heit weiter­ma­chen», sagte eine der Autorin­nen des Berichts, Melanie Sporer. «Durch­schnitt­lich müssen wir unsere jährli­che Verrin­ge­rung von 2021 bis 2030 im Vergleich zu den jährli­chen Emissi­ons­re­duk­tio­nen der Jahre 1990 bis 2020 verdop­peln.» Oder wie es ihr EEA-Kolle­ge Jorre De Schrij­ver formu­lier­te: «Wir brauchen eine Beschleu­ni­gung in Richtung 2030.»

Dies gilt sowohl beim 2021 stagnie­ren­den Ausbau der Erneu­er­ba­ren Energien als auch bei der Reduzie­rung des Energie­ver­brauchs — und bei der Verrin­ge­rung aller Treib­haus­gas-Emissio­nen. Letzte­re müssen dem Bericht zufol­ge jährlich im Schnitt um 134 Millio­nen Tonnen CO2-Äquiva­len­te sinken. Im Durch­schnitt der Jahre 1990 bis 2020 waren es ledig­lich 52 Millio­nen Tonnen gewesen.

In die umgekehr­te — aus Klima­schutz­sicht völlig falsche — Richtung ging es dagegen 2021: Vor allem beim Verkehr, in der Indus­trie und der Energie­ver­sor­gung nahm der Ausstoß nach EEA-Angaben wieder zu. Den wesent­li­chen Grund hinter dem Anstieg sieht die in Kopen­ha­gen ansäs­si­ge Behör­de in der wirtschaft­li­chen Erholung nach der Pande­mie, die 2020 zu Lockdowns, Produk­ti­ons­stopps in vielen Fabri­ken sowie weitrei­chen­den Beschrän­kun­gen des öffent­li­chen Lebens geführt hatte.

«Auswir­kun­gen des Klima­wan­dels deutli­cher denn je»

Mit dem Klima­pa­ket «Fit for 55» will die EU ihren Ausstoß bis 2030 im Vergleich zu 1990 um mindes­tens 55 Prozent senken. Bis 2050 soll die EU demnach klima­neu­tral werden. All das geschieht auch mit Blick auf Wetter­ex­trem­ereig­nis­se, die längst nicht mehr nur in fernen Weltre­gio­nen, sondern auch in Europa häufi­ger und hefti­ger werden.

«Im Laufe des vergan­ge­nen Jahres sind die Auswir­kun­gen des Klima­wan­dels deutli­cher denn je gewor­den: Schwe­re Dürren, Wasser­knapp­heit, Überschwem­mun­gen und Rekord­tem­pe­ra­tu­ren haben die poten­zi­ell verhee­ren­den Auswir­kun­gen des Klima­wan­dels einmal mehr deutlich gemacht», heißt es im EEA-Bericht.

Die mittle­re Jahres­tem­pe­ra­tur über europäi­schen Landflä­chen sei im vergan­ge­nen Jahrzehnt rund zwei Grad Celsi­us wärmer gewesen als in der vorin­dus­tri­el­len Zeit. Paral­lel verlau­fen­de Krisen unter­stri­chen die Dring­lich­keit von Klima­schutz­maß­nah­men, schrie­ben die Experten.

Nicht zuletzt mit Blick auf die hohen Strom- und Gasprei­se kommt dem Energie­sek­tor eine der entschei­den­den Rollen zu. Diesen Winter seien zwar kurzfris­ti­ge Maßnah­men zur Steige­rung der Energie­ver­sor­gung nötig, erklär­te Bruynin­ckx. Im Ideal­fall dürften diese Inves­ti­tio­nen Europa aber nicht für viele weite­re Jahre von fossi­len Brenn­stof­fen abhän­gig machen. Das Energie­spa­ren und die Stärkung erneu­er­ba­rer Energien seien nicht nur entschei­dend im Kampf gegen die momen­ta­ne Energie­kri­se, sondern auch auf dem Weg zur Klimaneutralität.