Riech­stö­run­gen oder ein komplet­ter Verlust des Geruchs­sinns sind ein typisches Merkmal einer Corona-Infek­ti­on. Einer Analy­se zufol­ge sind gerade Menschen mit mildem Covid-19 stark betrof­fen. Woran liegt das?

Ein gestör­ter Geruchs­sinn oder gar dessen vollstän­di­ger Verlust gehört zu den häufigs­ten Sympto­men einer Infek­ti­on mit Sars-CoV‑2. Beson­ders oft betrof­fen sind offen­bar Patien­ten mit mildem Erkran­kungs­ver­lauf, so das Fazit einer europäi­schen, im Fachblatt «Journal of Inter­nal Medici­ne» vorge­stell­ten Studie.

Während die meisten Erkrank­ten nach durch­schnitt­lich drei Wochen wieder riechen können, berich­ten einige noch Monate später von gestör­ten Sinnes­wahr­neh­mun­gen. In die Unter­su­chung der Wissen­schaft­ler um den Medizi­ner Jerome Lechi­en von der Univer­si­tät Paris-Saclay gingen Daten von 2581 Covid-19-Patien­ten aus 18 europäi­schen Kranken­häu­sern ein, die von März bis Juni 2020 erhoben wurden. 2194 der Patien­ten hatten einen milden Covid-19-Verlauf (85 Prozent), 110 einen mittel­schwe­ren (4,3 Prozent) und 277 (10,7 Prozent) erkrank­ten schwer.

Geruchs­sinn in manchen Fällen zwei Monate beeinträchtigt

Basie­rend auf einer Befra­gung kamen Riech­stö­run­gen in der Gruppe mit milden Verläu­fen bei 85,9 Prozent, bei den modera­ten Fällen bei 4,5 Prozent und in der Gruppe mit ernst­haf­ten bis kriti­schen Verläu­fen bei 6,9 Prozent vor. Im Durch­schnitt dauer­te es nach Auskunft der Betrof­fe­nen gut drei Wochen, bis sie wieder normal riechen konnten. Fast ein Viertel der Erkrank­ten gab an, selbst nach 60 Tagen noch einen gestör­ten Geruchs­sinn gehabt zu haben.

Die Autoren schrän­ken ein, dass die Befra­gungs­er­geb­nis­se der ernst­haft Erkrank­ten dadurch beein­flusst sein könnten, dass viele von ihnen zeitwei­se durch eine Nasen­son­de ernährt werden mussten. Bei spezi­el­len Tests wurde immer noch bei 54,7 Prozent der milden sowie bei 36,6 Prozent der moderat bis kritisch verlau­fen­den Covid-19-Fälle eine Beein­träch­ti­gung oder der Verlust des Geruchs­sinns festgestellt.

Einer US-ameri­ka­ni­schen Meta-Analy­se zufol­ge gehen durch­schnitt­lich 77 Prozent aller Covid-19-Erkran­kun­gen unabhän­gig von der Schwe­re des Verlaufs mit Geruchs­stö­run­gen einher. Im epide­mio­lo­gi­schen Steck­brief zu Sars-CoV‑2 gibt das Robert Koch-Insti­tut zwar für nur 21 Prozent der erfass­ten Covid-19-Fälle in Deutsch­land eine Störung des Geruchs- und/oder Geschmacks­sinns an, betont aber auch, dass die deutlich höhere Präva­lenz in veröf­fent­lich­ten Studi­en «vermut­lich aus der inten­si­ve­ren Ermitt­lung solcher Sympto­me unter Studi­en­be­din­gun­gen im Vergleich zu den im Melde­we­sen übermit­tel­ten Angaben» resultiere.

Üble Gerüche setzen sich oftmals durch

Von den Patien­ten, bei denen eine Störung des Geruchs­sinns durch einen spezi­el­len Test bestä­tigt wurde, war dieser in der aktuel­len Studie bei 15,3 Prozent nach 60 Tagen und bei 4,7 Prozent selbst nach sechs Monaten immer noch beein­träch­tigt. Tatsäch­lich häufen sich insbe­son­de­re im Inter­net Erzäh­lun­gen von Betrof­fe­nen, die Wochen nach einer oft mild verlau­fe­nen Covid-19-Erkran­kung weiter Proble­me mit ihrem Geruchs­sinn haben.

Neben dessen vollstän­di­gem Verlust oder teilwei­sem Ausfall berich­ten manche, seit ihrer Erkran­kung üble Gerüche wahrzu­neh­men. Dieses Phäno­men, Paros­mie genannt, wurde bereits verein­zelt in frühe­ren Studi­en zu Covid-19-Sympto­men beschrie­ben und bedeu­tet für die Betrof­fe­nen nicht selten einen hohen Leidens­druck — wie auch die Störung des Geruchs­sinns generell. Forscher der Westfä­li­schen Wilhelms-Univer­si­tät Münster und des Forschungs­zen­trums Jülich haben einen «Riech- und Schmeck-Check» entwi­ckelt, der online als Selbst­test durch­ge­führt werden kann.

Alles in allem erhole sich der Geruchs­sinn bei den meisten der Erkrank­ten, heißt es in der Studie. «Die olfak­to­ri­sche Dysfunk­ti­on ist bei leich­ten Covid-19-Formen häufi­ger als bei mittel­schwe­ren bis schwe­ren Formen, und 95 Prozent der Patien­ten erlan­gen ihren Geruchs­sinn sechs Monate nach der Infek­ti­on wieder», fasst Haupt­au­tor Lechi­en zusam­men. Die Wissen­schaft­ler vermu­ten, dass die Störung des Geruchs­sinns vor allem bei mild Erkrank­ten auf eine im Vergleich zu schwe­rer Erkrank­ten unter­schied­li­che Antwort des Immun­sys­tems zurück­zu­füh­ren sein könnte.

Geruchs­zel­len erneu­ern sich — aber langsam

Dieser Hypothe­se zufol­ge würde sich das Virus zwar nicht so weit im Körper ausbrei­ten, aber eine lokalen Entzün­dungs­re­ak­ti­on im Geruchs­sys­tem auslö­sen. Eine weite­re Möglich­keit sei, so die Autoren, dass das Virus die Nerven­zel­len im Riech­kol­ben (Bulbus olfac­to­ri­us) schädi­ge — die Dauer und Schwe­re der Geruchs­stö­run­gen würde dann davon abhän­gen, wie viele Geruchs­zel­len betrof­fen sind. Die Nerven­zel­len des Geruchs­sys­tems sind in der Lage, sich zu erneu­ern, auch wenn dieser Prozess Monate dauern kann. Zur Klärung müssten weite­re Analy­sen durch­ge­führt werden, in denen etwa Speichel und Nasen­se­kre­te unter­sucht würden.