MÜNCHEN/BERLIN (dpa) — Die Kanzler­kan­di­da­ten­fra­ge der Union ist entschie­den, viele Baustel­len sind aber geblie­ben. Eine neue Umfra­ge fällt für CDU und CSU ernüch­ternd aus.

Fünf Monate vor der Bundes­tags­wahl hat die Union einer neuen Umfra­ge zufol­ge stark in der Wähler­gunst verlo­ren und wurde von den Grünen von Platz eins verdrängt.

Im «Sonntags­trend» des Meinungs­for­schungs­in­sti­tuts Kantar im Auftrag der «Bild am Sonntag» kommen die Grünen auf 28 Prozent, die Union nur noch auf 27 Prozent. CSU-Chef Markus Söder, der im Macht­kampf um die Kanzler­kan­di­da­tur gegen den CDU-Vorsit­zen­den Armin Laschet den Kürze­ren zog, legte die Latte für Union deutlich höher. «Es muss schon ein Ergeb­nis sein, das deutlich über 30 Prozent liegt — näher an 35 Prozent», sagte der bayeri­sche Minis­ter­prä­si­dent der «Süddeut­schen Zeitung». Bei der Wahl 2017 hatten die Schwes­ter­par­tei­en zusam­men 32,9 Prozent erzielt.

In der Kantar-Befra­gung hat die Union im Vergleich zur Vorwo­che zwei Prozent­punk­te verlo­ren. Die Grünen, deren Bundes­vor­stand Partei­che­fin Annale­na Baerbock als Kanzler­kan­di­da­tin nominiert hat, legten dagegen um sechs Prozent­punk­te zu. Die SPD verlor zwei Punkte und rutsch­te auf 13 Prozent. Auch bei einer Kanzler-Direkt­wahl hätte Baerbock gute Karten, wie eine Insa-Befra­gung für die «Bild am Sonntag» ergab. Demnach würden 30 Prozent Baerbock direkt wählen, SPD-Kanzler­kan­di­dat Olaf Scholz käme auf 20 Prozent und Laschet auf 18 Prozent.

Söder nahm für ein gutes Wahler­geb­nis der Union auch den CDU-Chef in die Pflicht: «Wir werden alles für ein gutes bayeri­sches Ergeb­nis tun, aber die Kernver­ant­wor­tung liegt natür­lich immer beim Kanzler­kan­di­da­ten, auch für das Ergeb­nis in Bayern. Denn heute ziehen Kandi­da­ten die Partei­en und nicht umgekehrt.» Er selbst habe aus Verant­wor­tung für die Union das Votum des CDU-Bundes­vor­stands für Laschet akzep­tiert. Er sei «mit dem Ergeb­nis mehr im Reinen als Teile der CDU-Basis». «Eines ist aber auch klar: Die Entschei­dung lag damit in den Händen der CDU, die damit auch die Verant­wor­tung für das Verfah­ren und das Ergeb­nis übernimmt.»

Die Union befin­det sich nach Einschät­zung Söders «in einer schwe­ren Notsi­tua­ti­on». «Fünf Monate vor der Wahl steckt die CDU in einem Umfra­ge­tief, es bleiben Corona-Schwie­rig­kei­ten, und nach 16 Jahren sieht man schon Ermüdungs­er­schei­nun­gen der ganzen Union», sagte er den «Nürnber­ger Nachrich­ten» (Samstag). Hinzu komme eine nicht geklär­te strate­gi­sche Frage, wie viel Moder­ni­tät oder wie viel Tradi­ti­on die Union zeigen solle. «Einige wollen zurück in die Zeit vor Angela Merkel. Wir wollen das nicht. Wir brauchen einen Aufbruch und eine moder­ne Union», beton­te Söder.

Der CSU-Chef mahnte zugleich in Richtung CDU, Umfra­gen sollten nicht ignoriert werden. Nach seiner Lebens­er­fah­rung zeigten Umfra­gen zumin­dest Tenden­zen auf. «Darauf sollte man achten. The Trend is your friend. Und der Trend ist jetzt so: Der hohe Corona-Vorschuss ist aufge­braucht. Und es gibt viele, die meinen, es könnte nach 16 Jahren auch mal ohne die Union gehen. Wer das alles unter­schätzt, handelt unklug.» Im Macht­kampf mit Laschet hatten Anhän­ger Söders auch immer wieder dessen im Vergleich zum CDU-Chef besse­ren Umfra­ge­wer­te ins Feld geführt.

Dass er in vier Jahren sich erneut um die Kanzler­kan­di­da­tur der Union bemühen würde, bezeich­ne­te Söder in den «Nürnber­ger Nachrich­ten» als «außer­or­dent­lich unwahr­schein­lich». «Denn entwe­der regiert Armin Laschet die nächs­te Amtszeit oder wir werden eine sehr lange Amtszeit einer jungen Bundes­kanz­le­rin erleben», fügte der bayeri­sche Minis­ter­prä­si­dent hinzu. Der CSU-Chef machte aber auch deutlich, dass er sich weiter Gehör verschaf­fen will: «Mit mir muss man auch in Zukunft rechnen. In Bayern als Minis­ter­prä­si­dent und in Berlin als Parteivorsitzender.»

SPD-Kanzler­kan­di­dat Scholz bezeich­ne­te trotz der schwa­chen Umfra­ge­wer­te der SPD das Rennen um das Kanzler­amt als «völlig offen» und brach­te seine Erfah­rung gegen­über den Mitkon­kur­ren­ten ins Spiel. «Deutsch­land ist eines der größten und erfolg­reichs­ten Indus­trie­län­der der Welt. Es sollte von jeman­dem geführt werden, der Erfah­rung im Regie­ren hat, der nicht nur regie­ren will, sondern das auch wirklich kann», sagte der Vizekanz­ler der «Bild am Sonntag». «Ich bin der Kanzler­kan­di­dat, der über die notwen­di­ge Erfah­rung und Kennt­nis­se für diese Aufga­be verfügt. Das unter­schei­det mich von meinen Wettbe­wer­bern», fügte Scholz hinzu.