KABUL (dpa) — Seit der Macht­über­nah­me der Taliban müssen ehema­li­ge Sicher­heits­kräf­te der afgha­ni­schen Regie­rung laut Menschen­recht­lern um ihr Leben fürch­ten; viele von ihnen seien getötet worden oder unauffindbar.

Nach einem Bericht der Menschen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on Human Rights Watch (HRW) sind seit der Macht­über­nah­me der militant- islamis­ti­schen Taliban in Afgha­ni­stan zahlrei­che ehema­li­ge Sicher­heits­kräf­te der Regie­rung verschwun­den oder exeku­tiert worden.

Taliban-Kräfte hätten in vier der 34 Provin­zen des Landes mehr als 100 ehema­li­ge Solda­ten, Polizis­ten oder Geheim­dienst­ler hinge­rich­tet oder verschwin­den lassen, heißt es in dem am Diens­tag veröf­fent­lich­ten Bericht.

Der Report dokumen­tiert auf 25 Seiten die Tötun­gen oder das Verschwin­den­las­sen von ehema­li­gen Angehö­ri­gen der Sicher­heits­kräf­te — Militärs, Polizei, Geheim­dienst oder regie­rungs­freund­li­chen Milizen — die sich ergeben hatten oder von den Taliban zwischen 15. August und Ende Oktober festge­nom­men worden seien. Die Unter­su­chun­gen von HRW hätten ergeben, dass allei­ne in den Provin­zen Gasni, Helmand, Kanda­har und Kundus mehr als 100 ehema­li­ge Angehö­ri­ge der Sicher­heits­kräf­te getötet oder verschwun­den seien.

Die Führung der Taliban habe ihre Mitglie­der angewie­sen, Mitglie­der von Einhei­ten, die sich ihnen ergeben hatten, zu regis­trie­ren. Sie hätten zudem auf zurück­ge­las­se­ne Beschäf­ti­gungs­un­ter­la­gen der ehema­li­gen Regie­rung zugrei­fen können. Die Daten hätten sie genutzt, um Ex-Sicher­heits­kräf­te zu verhaf­ten oder zu töten.

Die Taliban-Führung hatte bereits viele Monate vor ihrer Macht­über­nah­me eine General­am­nes­tie für alle Sicher­heits­kräf­te erklärt und diese auch nach dem Fall der Haupt­stadt Kabul mehrmals erneut bekräf­tigt. Die meisten Provin­zen und auch die Haupt­stadt Kabul waren weitge­hend kampf­los an die Islamis­ten gefal­len. In mehre­ren Provin­zen ergaben sich die Sicher­heits­kräf­te in Massen.

«Die von den Taliban verspro­che­ne Amnes­tie hat lokale Komman­deu­re nicht davon abgehal­ten, ehema­li­ge Sicher­heits­kräf­te zu exeku­tie­ren», sagte Patri­cia Gossmann, Leite­rin der Asien-Abtei­lung bei HRW. In einer Antwort auf die Ergeb­nis­se des HRW-Berichts hätten die Taliban erklärt, dass sie 755 für Übergrif­fe verant­wort­li­che Mitglie­der entlas­sen und Militär­tri­bu­na­le für Mord, Folter und rechts­wid­ri­ge Festnah­men einge­rich­tet hätten. Infor­ma­tio­nen zur Unter­maue­rung ihrer Behaup­tung seien jedoch nicht vorge­legt worden.