BERLIN (dpa) — Long-Covid belas­tet Betrof­fe­ne auf verschie­de­ne Weise — neben Störun­gen der Atmung sind viele auch voller Angst. Tausen­de sind arbeits­un­fä­hig. Erwar­tet wird ein steigen­der Bedarf an Rehabilitation.

Tausen­de Patien­tin­nen und Patien­ten in Deutsch­land leiden nach einer Covid-19-Erkran­kung an Langzeitfolgen.

Allein bei der zweit­größ­ten deutschen Kranken­kas­se, der Barmer, waren zwischen Novem­ber 2020 und März 2021 mehr als 2900 Versi­cher­te von einem Post-Covid-Syndrom betrof­fen, wie eine Auswer­tung von Versi­cher­ten­da­ten der Kasse zeigt, die der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt. Die Deutsche Renten­ver­si­che­rung erwar­tet eine steigen­de Zahl an Reha-Fällen wegen Post- oder Long-Covid.

«Ich gehe davon aus, dass wir in den nächs­ten Monaten eine deutli­che Steige­rung sehen werden», sagte Susan­ne Weinbren­ner vom Geschäfts­be­reich Präven­ti­on der Renten­ver­si­che­rung vor Journa­lis­ten in Berlin. Zu den häufigs­ten Langzeit­fol­gen bei den Patien­tin­nen und Patien­ten in Reha-Einrich­tun­gen der Renten­ver­si­che­rung zählen demnach Belas­tungs­atem­not, Fatigue, einge­schränk­te Belast­bar­keit, musku­lä­re Schwä­che, Angst­stö­run­gen, Depres­si­on, chroni­sche Nieren­er­kran­kun­gen und Brust­schmerz. Die zahlen­mä­ßi­ge Bedeu­tung von Long-Covid sei derzeit aber noch schwer einzuschätzen.

Psychi­sche Belastung

Der ärztli­cher Direk­tor am Reha-Zentrum Seehof in Teltow und Leiter der Forschungs­grup­pe Psycho­so­ma­ti­sche Rehabi­li­ta­ti­on der Chari­té Berlin, Volker Köllner, sagte, wahrschein­lich führe Covid-19 häufi­ger zu länger anhal­ten­den Folge­sym­pto­men als andere Infek­tio­nen. Rund jeder vierte beatme­te Patient sei psychisch stark belastet.

Ursula Marschall, Leiten­de Medizi­ne­rin bei der Barmer, geht davon aus, dass vielen Betrof­fe­nen wegen der unein­heit­li­chen Sympto­me nicht bewusst sei, dass sie unter Long-Covid leiden. Nicht immer sei leicht erkenn­bar, wann die akute Virus­in­fek­ti­on aufhö­re und die Langzeit­fol­gen anfin­gen. Erst seit Januar 2021 könne Post-Covid auch als Erkran­kung offizi­ell im Abrech­nungs­sys­tem der Ärzte codiert werden.

Arbeits­un­fä­hig wegen Long-Covid

Von den Barmer-Versi­cher­ten, die von Januar bis März 2021 zunächst wegen Corona krank­ge­schrie­ben waren, waren mindes­tens 6,3 Prozent anschlie­ßend wegen Post-Covid arbeits­un­fä­hig. Post-Covid-Syndro­me treten der Barmer-Erhebung zufol­ge bei Frauen häufi­ger auf als bei Männern. Sie seien zudem stark alters­ab­hän­gig. So entwi­ckel­ten Frauen ab 60 Jahren nach leich­ten Verläu­fen etwa sechs­mal häufi­ger Post-Covid-Syndro­me als Männer unter 40 Jahren.

Post- oder Long-Covid kommt diesen Daten zufol­ge auch nach leich­tem Infek­ti­ons­ver­lauf recht häufig vor. So seien 47 Prozent der wegen Post-Covid Krank­ge­schrie­be­nen zuvor nicht wegen einer Covid-19-Infek­ti­on arbeits­un­fä­hig gewesen. In diesen Fällen habe zuvor vermut­lich eine asympto­ma­ti­sche Erkran­kung vorgelegen.

Betrof­fe­ne ohne Organ­schä­den im Fokus

Der Psycho­so­ma­tik-Exper­te Köllner erwar­tet wegen der hohen Zahl an Corona-Infizier­ten nun auch einen «relevan­ten Bedarf» nach Rehabi­li­ta­ti­on für Long-Covid-Patien­tin­nen und ‑Patien­ten. Betrof­fe­ne mit Organ­schä­den bräuch­ten eine Reha im jewei­li­gen somati­schen Fachge­biet. Beson­de­res Augen­merk legte der Arzt aber auf die Betrof­fe­nen ohne wesent­li­che Organ­schä­den: Angst, Depres­si­on und dysfunk­tio­na­le Verhal­tens­mus­ter etwa bei der Atmung spiel­ten hier eine beson­de­re Rolle — und müssten entspre­chend behan­delt werden. Geeig­net seien hier etwa bei anderen Krank­hei­ten bereits bewähr­te Patien­ten­schu­lun­gen, Bewegungs­the­ra­pie und psycho­the­ra­peu­ti­sche Angebote.

Die Mehrheit der leicht betrof­fe­nen Patien­tin­nen und Patien­ten erhole sich aber inner­halb von rund drei Monaten ohne gravie­ren­de Folgen. Köllner taxier­te deren Anteil auf rund 90 Prozent. «Wir brauchen keine Angst haben, dass Long-Covid die Deutschen in ein Volk von Zombies verwan­delt», sagte der Arzt.