BERLIN (dpa) — 100.000 neue Sozial­woh­nun­gen pro Jahr — mit diesem Ziel war die Ampel angetre­ten. Doch auch im vergan­ge­nen Jahr waren es deutlich weniger. Kriti­ker sehen darin einen Weckruf.

In Deutsch­land gibt es immer weniger Sozial­woh­nun­gen. Ende vergan­ge­nen Jahres gab es bundes­weit rund 1,088 Millio­nen solcher Wohnun­gen für Menschen mit kleinen Einkom­men — rund 14.000 weniger als ein Jahr zuvor. Damit setzte sich ein langjäh­ri­ger Abwärts­trend entge­gen der Zielset­zung der Ampel­ko­ali­ti­on fort. Die neuen Zahlen gehen aus der Antwort der Bundes­re­gie­rung auf eine Frage der Bundes­tags­frak­ti­on der Linken hervor, die der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt.

Bewil­ligt wurde 2022 demnach der Bau von 22.545 Sozial­woh­nun­gen. Die Koali­ti­on hatte angekün­digt, jedes Jahr für 100.000 neue Sozial­woh­nun­gen sorgen zu wollen. Rund 36.500 Preis­bin­dun­gen liefen 2022 aus, wie die Wohnungs­po­li­tik-Exper­tin der Linken, Caren Lay, feststell­te. Sie hatte die Anfra­ge gestellt.

Regio­na­le Unterschiede

Im Vergleich der Bundes­län­der ist die Entwick­lung unter­schied­lich. So gab es etwa in Hessen einen Zuwachs von knapp 1700 auf 82.172 Sozial­woh­nun­gen. In Hamburg stieg die Zahl nach einem Rückgang in den Vorjah­ren um gut 600 auf 81.006 Sozial­woh­nun­gen. Viele Länder hatten aller­dings einen teils deutli­chen Rückgang zu verzeich­nen. So sank die Zahl der Sozial­woh­nun­gen etwa in Nieder­sach­sen um fast 2600 auf 52.601 und in Berlin um rund 4500 auf 104.757.

Die meisten Sozial­woh­nun­gen insge­samt verzeich­ne­ten Nordrhein-Westfa­len mit 435.025, Bayern mit 133.129 sowie Berlin. Spitzen­rei­ter gemes­sen an der Einwoh­ner­zahl waren Hamburg (4281 pro 100.000 Einwoh­ner), Berlin (2790) und NRW (2398). Den umfang­reichs­ten Neubau in dem Bereich gab es in Bayern mit 4056 bewil­lig­ten Neubau­maß­nah­men im Bereich der Mietwoh­nungs­för­de­rung und in Baden-Württem­berg mit 3898 solcher Maßnahmen.

Langjäh­ri­ger Trend und Ampelpläne

Die Zahl der Sozial­woh­nun­gen nimmt seit Jahren ab. Gab es in der alten Bundes­re­pu­blik noch fast vier Millio­nen Sozial­woh­nun­gen, waren es 2010 rund 1,66 Millio­nen und 2020 nur noch rund 1,13 Millio­nen. Die Mieten sind bei Sozial­woh­nun­gen staat­lich reguliert. Wohnen dürfen dort nur Menschen, bei denen die Behör­den beson­de­ren Bedarf sehen. Nach einer bestimm­ten Zeit können die Wohnun­gen normal am Markt vermie­tet werden — je nach Regelung im jewei­li­gen Land.

Insge­samt hatte die Ampel-Koali­ti­on wegen des enormen Bedarfs vor allem in den Städten im Koali­ti­ons­ver­trag den Bau von jährlich 400.000 neuen Wohnun­gen angepeilt — davon 100.000 Sozial­woh­nun­gen. Auch wegen der Folgen des Ukrai­ne-Kriegs räumte sie aber ein, das Ziel zunächst zu verfeh­len. Knappe Materia­li­en, Fachkräf­te­man­gel und gestie­ge­ne Zinsen zählen zu den Haupt­hin­der­nis­sen. Insge­samt wurden 2022 aber 0,6 Prozent mehr Wohnun­gen fertig­ge­stellt als 2021 — nämlich 295.300. Zu den Sozial­woh­nun­gen hatte Baumi­nis­te­rin Klara Geywitz (SPD) in einem Inter­view gesagt, sie werde den Erfolg ihrer Politik nicht an einer fixen Zahl messen, «sondern daran, ob es bei den Sozial­woh­nun­gen eine Kurve nach oben gibt».

Forde­rung an die Ampel

«Die bishe­ri­ge Bilanz der Ampel beim Sozial­woh­nungs­bau ist ein Trauer­spiel», sagte der Bau-Exper­te der Unions­frak­ti­on, Ulrich Lange (CSU), der dpa. Die Linken-Abgeord­ne­te Lay warf der Ampel ein krachen­des Schei­tern ihrer Wohnungs­po­li­tik vor. Stefan Körzell, Vorstands­mit­glied des Deutschen Gewerk­schafts­bunds, sagte: «Der histo­ri­sche Tiefstand an Sozial­woh­nun­gen muss ein Weckruf für die Bundes­re­gie­rung sein.»

Der Gewerk­schaf­ter forder­te den Bund unter anderem auf, Grund­stü­cke anzukau­fen, um sie verbil­ligt an Kommu­nen für sozia­len Wohnungs­bau abzuge­ben. Lange verlang­te ein Sofort­pro­gramm für den Bau: Die Neubau­för­de­rung solle erhöht, «realis­ti­sche» Effizi­enz­stan­dards sollten gesetzt und Erleich­te­run­gen bei der Grund­er­werbs­steu­er umgesetzt werden. Lay forder­te unter anderem ein öffent­li­ches Wohnungs­bau­pro­gramm und ein Sonder­ver­mö­gen für bezahl­ba­res Wohnen. Mindes­tens 20 Milli­ar­den Euro müssten pro Jahr in den Bereich fließen. Die IG BAU hatte bereits ein Sonder­ver­mö­gen von 50 Milli­ar­den für den Bau von Sozial­woh­nun­gen gefor­dert. AfD-Vorstands­mit­glied Carlo Clemens forder­te die Förde­rung genos­sen­schaft­li­cher Wohnfor­men und den Ausbau der Bestän­de kommu­na­ler Wohnungsbaugesellschaften.

Von Basil Wegener, dpa