DORTMUND/HANNOVER (dpa) — In NRW können Menschen demnächst wohl schon einen Monat nach der zweiten Impfung gegen das Corona­vi­rus eine dritte Sprit­ze bekom­men. Macht das Sinn? Immuno­lo­gen haben dazu eine ganz klare Meinung.

Eine Booster-Impfung schon nach vier Wochen macht aus Sicht von Immuno­lo­gen wenig Sinn. In Nordrhein-Westfa­len ist eine dritte Impfung gegen das Corona­vi­rus nach einem Erlass der Landes­re­gie­rung künftig wohl bereits nach einem Monat möglich.

Manche Politi­ker fordern bereits, diesen Weg auszu­wei­ten. Die Deutsche Gesell­schaft für Immuno­lo­gie sieht das kritisch: Vier Wochen nach der Zweit­imp­fung seien bestimm­te immuno­lo­gi­sche Prozes­se noch nicht abgeschlos­sen. Der Booster wirke dann viel schlechter.

Menschen mit geschwäch­tem Immunsystem

«Die Politik hat hier zwei Dinge vermischt, die nicht vermischt werden dürfen», sagte Prof. Carsten Watzl (Dortmund), General­se­kre­tär der Deutschen Gesell­schaft für Immuno­lo­gie, der Deutschen Presse-Agentur. Das eine ist die Empfeh­lung der Ständi­gen Impfkom­mis­si­on, manche Menschen schon nach vier Wochen zu boostern. «Das bezieht sich aber nur auf Menschen mit geschwäch­tem Immun­sys­tem, die auf die ersten beiden Impfun­gen nicht oder kaum reagiert haben», erklär­te der Immuno­lo­ge. «Mit der dritten Impfung wird deren Immuni­tät nicht geboos­tert — ich muss sie erst einmal herstellen.»

«Bei allen anderen — und das ist die Mehrheit — möchte ich mit der dritten Impfung eine Verstär­kung der Immuni­tät errei­chen», sagte Watzl. «Dafür müssen bestimm­te Prozes­se erst abgeschlos­sen sein.» Es müssten sich ausrei­chend antikör­per­pro­du­zie­ren­de Plasma­zel­len und T‑Zellen gebil­det haben, manche müssten in Gedächt­nis­zel­len umgewan­delt werden, andere ins Knochen­mark wandern. «Das sind Prozes­se, die nach vier Wochen noch nicht abgeschlos­sen sind.»

Vier Monate Pause — Minimum

Aus immuno­lo­gi­scher Sicht seien vier Monate das Minimum, sagte Watzl. «Wenn ich dann ein drittes Mal impfe, hat der Körper die Zellen, die am besten auf den Erreger zugeschnit­ten sind, bereits ausge­bil­det — und die möchte ich noch mal verstär­ken. Damit ist die Immuni­tät viel besser als wenn ich nach vier Wochen erneut impfe.» Die Entschei­dung sei vermut­lich aus Angst vor Omikron gefal­len, sagte Watzl, hält das aber «für nicht zielfüh­rend. Was zielfüh­ren­der wäre, wäre jetzt noch mal die Rate der Erst- und Zweit­imp­fun­gen zu steigern.»

Eher kontra­pro­duk­tiv

Auch die Präsi­den­tin der Deutschen Gesell­schaft für Immuno­lo­gie, Prof. Chris­ti­ne Falk (Hanno­ver), hält eine Verkür­zung für falsch. «Aus immuno­lo­gi­scher Sicht sind vier Wochen Abstand zu der dritten Impfung zu früh», sagte Falk der Deutschen Presse-Agentur. Das Immun­sys­tem sei dann noch mit der «Reifung» zugan­ge. «Dabei werden vor allem die Antikör­per noch einmal verbes­sert — wie bei der Reifung eines guten Weines».

«Wenn man diesen Vorgang zu früh durch eine dritte Impfung mit der Verab­rei­chung des Antigens beschäf­tigt, stört das den Reifungs­pro­zess eher, als dass es ihn unter­stützt.» Außer­dem seien die Antikö­per­spie­gel nach vier Wochen auf dem höchs­ten Niveau — «daher bringt eine dritte Impfung zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht so viel», sagte Falk. Es sei besser, die Ressour­cen dafür einzu­set­zen, um Menschen zu boostern, deren Zweit­imp­fung mehr als sechs Monate zurück­lie­ge oder für Risikogruppen.