BERLIN (dpa) ‑Die um sich greifen­de Corona-Varian­te Omikron zwingt Bund und Länder schon zu Jahres­be­ginn zu neuen Schrit­ten. Die hochin­fek­tiö­se Varian­te gibt auch einem weite­ren Streit­the­ma neue Nahrung.

Vor den Beratun­gen von Bund und Ländern über die Corona-Lage wird angesichts der sich rasant ausbrei­ten­den Omikron-Varian­te der Ruf nach weite­ren Kontakt­be­schrän­kun­gen lauter.

«Wir werden wahrschein­lich noch einmal zulegen müssen», sagte Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach am Mittwoch­abend im ZDF-«heute journal». Grünen-Frakti­ons­chefin Britta Haßel­mann rief dazu auf, beruf­li­che Kontak­te einzu­schrän­ken und Homeof­fice auszu­wei­ten. Auch die Kommu­nen erwar­ten verschärf­te Kontaktbeschränkungen.

Die Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz berät am Freitag erneut mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) über das Vorge­hen in der Pande­mie. Aus Sicht der Bundes­re­gie­rung dürfte die anste­cken­de­re Omikron-Varian­te schon in wenigen Tagen auch deutsch­land­weit dominie­rend sein. Lauter­bach und die Ressort­chefs der Länder legten am Mittwoch jeweils Vorschlä­ge zu künfti­gen Quaran­tä­ne-Vorga­ben vor — mit kürze­ren Auszei­ten für Perso­nal in wichti­gen Versor­gungs­be­rei­chen, geknüpft an PCR-Tests. Lauter­bach beton­te am Abend im ZDF, damit würden solche Berei­che lebens­fä­hig gehalten.

Der Minis­ter warnte davor, die Gefah­ren durch Omikron wegen der Berich­te über leich­te­re Verläu­fe herun­ter­zu­spie­len. Omikron werde bei vielen bleiben­de Schäden hinter­las­sen. «Das kann man nicht auf die leich­te Schul­ter nehmen. Hier werden viele schwer krank werden», warnte Lauter­bach. Er halte weiter­ge­hen­de Kontakt­be­schrän­kun­gen für notwen­dig, sagte der Minis­ter, ohne Details zu nennen. Der beste Schutz vor Omikron seien aber die Booster-Impfun­gen. Lauter­bach rief dazu auf, das hohe Impftem­po wie vor Weihnach­ten wieder aufzu­neh­men. Gut 40 Prozent der Bevöl­ke­rung haben inzwi­schen eine Booster-Impfung.

Kontakt­be­schrän­kun­gen

Der Deutsche Städte- und Gemein­de­bund forder­te Bund und Länder auf, Vorbe­rei­tun­gen für eine weite­re Booster­imp­fung gegen das Corona­vi­rus zu treffen, wenn ein angepass­ter Impfstoff zur Verfü­gung steht. Entschie­den werden müsse auch, ob eine Priori­sie­rung der nächs­ten Impfun­gen für beson­ders gefähr­de­te Perso­nen, ältere Menschen und Perso­nal in der kriti­schen Infra­struk­tur statt­fin­den solle, sagte Haupt­ge­schäfts­füh­rer Gerd Lands­berg dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land. Er beton­te zugleich, die Reduzie­rung der Kontak­te sei die einzi­ge Möglich­keit, um das Infek­ti­ons­ge­sche­hen zu begrenzen.

Grünen-Frakti­ons­chefin Haßel­mann setzt auf eine Verrin­ge­rung der Kontak­te auch im Beruf. «Wir befin­den uns in einer schwie­ri­gen Phase der Pande­mie», sagte Haßel­mann den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe (Donners­tag). Zusätz­li­che Schutz­maß­nah­men seien erfor­der­lich. «Das gilt für weite­re Kontakt­be­schrän­kun­gen, nicht nur im Priva­ten, sondern auch bei der Arbeit», sagte Haßel­mann. «Homeof­fice ist da ein zentra­ler Baustein. Das muss jetzt wieder mehr Anwen­dung finden.»

Bundes­bil­dungs­mi­nis­te­rin Betti­na Stark-Watzin­ger (FDP) sagte der «Neuen Osnabrü­cker Zeitung»: «Wir müssen angemes­sen auf Omikron reagie­ren. Das können weite­re Kontakt­be­schrän­kun­gen sein, aber auch eine kürze­re Quaran­tä­ne, um unsere kriti­sche Infra­struk­tur aufrechtzuerhalten.»

Omikron-Varian­te

Die Omikron-Varian­te facht auch die Debat­te über eine allge­mei­ne Impfpflicht neu an. Der baden-württem­ber­gi­sche FDP-Landes­chef Micha­el Theurer sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Je länger die Diskus­si­on anhält, desto mehr stellt sich heraus, dass die Impfpflicht kein Allheil­mit­tel ist.» Es sei eine trüge­ri­sche Hoffnung, dass die Impfpflicht als Patent­re­zept zu einem Ende der Pande­mie führe. Der Parla­men­ta­ri­sche Staats­se­kre­tär im Bundes­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um führte etwa an, dass Geimpf­te dennoch anste­ckend sein könnten, dass es neue Mutatio­nen gebe und Menschen mit Vorer­kran­kun­gen, die sich nicht impfen lassen könnten.

FDP-Vize Johan­nes Vogel erwar­tet, dass die Ausbrei­tung von Omikron die Impfpflicht-Debat­te beein­flus­sen wird. «Vielleicht wird die Frage einer Impfpflicht dadurch auch obsolet, weil die Heraus­for­de­rung für das Gesund­heits­sys­tem sich verän­dert», sagte Vogel der «Welt» (Donners­tag). «Vielleicht aber bleibt zum Beispiel unsere Impflü­cke gerade bei den Älteren gefähr­lich. Hier lernen wir derzeit ja jeden Tag dazu. In der Bundes­tags­de­bat­te werden diese Themen bespro­chen werden.»

Wie die «Bild»-Zeitung unter Berufung auf hochran­gi­ge Bundes­tags­krei­se berich­tet, soll eine erste Debat­te über eine allge­mei­ne Impfpflicht erst Ende Januar statt­fin­den. SPD-Frakti­ons­vi­ze Dirk Wiese hatte kurz vor dem Jahres­wech­sel noch die kommen­de Woche für eine erste Befas­sung genannt. Eine späte­re Abstim­mung soll ohne Frakti­ons­zwang erfolgen.

Die Vorsit­zen­de des Deutschen Ethik­rats, Alena Buyx, mahnte zu einer diffe­ren­zier­ten Diskus­si­on über die Einfüh­rung einer allge­mei­nen Impfpflicht. Die körper­li­che Selbst­be­stim­mung, um deren Einschrän­kung es bei der Impfpflicht gehe, sei ein hohes Gut, sagte Buyx der dpa. Es müsse also sorgfäl­tig überlegt werden. Am Ende müsse die Politik entscheiden.

In seiner im Dezem­ber veröf­fent­lich­ten Stellung­nah­me hatte der Ethik­rat mehrheit­lich eine Auswei­tung der kürzlich beschlos­se­nen Corona-Impfpflicht für Perso­nal in sensi­blen Einrich­tun­gen auf «wesent­li­che Teile der Bevöl­ke­rung» befür­wor­tet. Zum Umfang und der genau­en Ausge­stal­tung einer erwei­ter­ten Impfpflicht gab es aber unter­schied­li­che Ansichten.