BERLIN (dpa) — Die Omikron-Welle rollt, eine allge­mei­ne Impfpflicht wird sie nicht stoppen können. Dennoch fordert die Union Tempo bei dem Vorha­ben. Ampel­ko­ali­tio­nä­re haben es aber nicht ganz so eilig.

Die Debat­te über eine allge­mei­ne Impfpflicht im Kampf gegen die Corona-Pande­mie in Deutsch­land könnte sich hinziehen.

Politi­ker von SPD und Grünen dämpf­ten am Wochen­en­de Erwar­tun­gen an einen raschen Beschluss des Bundes­ta­ges. SPD-Frakti­ons­vi­ze Dirk Wiese sagte dem Berli­ner «Tages­spie­gel»: «Die Beratun­gen im Bundes­tag sollten wir im ersten Quartal zum Abschluss bringen.» Das sei ein anspruchs­vol­ler Zeitplan. Mit Blick auf mögli­che Verzö­ge­run­gen sagte er, die Impfpflicht wirke ohnehin nicht kurzfris­tig, sondern sei «perspek­ti­visch eine Vorsor­ge für den kommen­den Herbst und Winter».

«Keine einfa­che Entscheidung»

Die Frakti­ons­chefin der Grünen im Bundes­tag, Britta Haßel­mann, beton­te: «Das ist keine einfa­che Entschei­dung, das bedeu­tet einen tiefen Eingriff.» In den Fraktio­nen müsse zunächst disku­tiert werden, welche Vorstel­lun­gen es gebe. «Und dann können wir Ende Januar die öffent­li­che Debat­te im Bundes­tag darüber führen», sagte Haßel­mann den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe. Die Frage sei «so relevant und weitge­hend», dass es eine «fundier­te und sehr sorgfäl­ti­ge Beratung» brauche. Haßel­mann selbst sprach sich für eine Impfpflicht aus.

Bundes­jus­tiz­mi­nis­ter Marco Busch­mann (FDP) sagte hinge­gen der «Bild am Sonntag»: «Der Bundes­tag sollte schnell entschei­den, ob eine Impfpflicht einge­führt wird. Und wenn ja, für wen.» Die Abgeord­ne­ten müssten sich aber auch die Zeit für eine sorgfäl­ti­ge Abwägung nehmen.

Abstim­mung ohne Fraktionsvorgaben

Über eine Impfpflicht soll der Bundes­tag ohne Frakti­ons­vor­ga­ben abstim­men. Eine schnel­le Entschei­dung wird es aber voraus­sicht­lich nicht geben. Im Gespräch ist zunächst eine «Orien­tie­rungs­de­bat­te» im Januar. Die SPD strebt den Abschluss eines Gesetz­ge­bungs­pro­zes­ses «im ersten Quartal» an, also bis Ende März.

Der Deutsche Städte­tag setzt auf eine rasche Entschei­dung. «Um die Pande­mie hinter uns zu lassen, müssen wir ganz überwie­gend geimpft sein, das schaf­fen wir vermut­lich nur mit einer allge­mei­nen Impfpflicht», sagte Städte­tags­prä­si­dent Markus Lewe den Funke-Zeitun­gen. «Die notwen­di­ge Debat­te dazu muss der Bundes­tag zügig führen und entschei­den. Dann würden wir besser gerüs­tet in die fünfte Welle gehen.»

Unions­frak­ti­ons­ge­schäfts­füh­rer Thors­ten Frei forder­te Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) auf, in der Frage aktiver zu werden. «Der Bundes­kanz­ler kann jetzt nicht mit verschränk­ten Armen warten, ob es Vorschlä­ge aus dem Parla­ment gibt oder nicht. Da wird wertvol­le Zeit vertrö­delt. Das ist das Gegen­teil von Führung, das ist Arbeits­ver­wei­ge­rung!», sagte der CDU-Politi­ker der «Bild am Sonntag».

Gesund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) unter­strich die Bedeu­tung einer hohen Impfquo­te im Kampf gegen die Pande­mie. Eine Impfpflicht sei «auch für weite­re Varian­ten wichtig, die sich noch entwi­ckeln können», sagte er der «Welt am Sonntag». Nach eigenen Angaben arbei­tet der SPD-Politi­ker derzeit «als Abgeord­ne­ter» an einem Vorschlag für eine allge­mei­ne Impfpflicht für Über-18-Jährige.

Umfra­ge: Mehrheit für Impfpflicht

Eine Mehrheit der Bürger spricht sich einer Umfra­ge des Meinungs­for­schungs­in­sti­tuts Insa zufol­ge für eine allge­mei­ne Impfpflicht aus. In der Umfra­ge für die «Bild am Sonntag» befür­wor­te­ten 61 Prozent eine solche Impfpflicht, 32 Prozent sind dagegen, 7 Prozent machten keine Angabe.

Die Frage einer allge­mei­nen Impfpflicht war auch Thema der Bund-Länder-Beratun­gen am Freitag. «Alle 16 Regie­rungs­chefin­nen und Regie­rungs­chefs der Länder haben sich dazu bekannt, dass sie für eine allge­mei­ne Impfpflicht sind», hatte Kanzler Scholz im Anschluss gesagt. Die Runde hatte auch neue Maßnah­men zur Pande­mie­be­kämp­fung beschlos­sen — unter anderem eine flächen­de­cken­de 2G-plus-Regelung in der Gastro­no­mie und geänder­te Quarantänebestimmungen.

Das Robert Koch-Insti­tut (RKI) melde­te am Sonntag erneut einen Anstieg der bundes­wei­ten Sieben-Tage-Inzidenz. Es gab den Wert der Neuin­fek­tio­nen pro 100.000 Einwoh­ner und Woche mit 362,7 an. Am Vortag hatte der Wert bei 335,9 gelegen. Vor einer Woche lag die bundes­wei­te Inzidenz bei 222,7 (Vormo­nat: 390,9). An diesem Montag begin­nen in den letzten acht Bundes­län­dern nach den Weihnachts­fe­ri­en wieder die Schulen, darun­ter in den drei bevöl­ke­rungs­reichs­ten Ländern Nordrhein-Westfa­len, Bayern und Baden-Württemberg.

Der Ärzte­ver­band Marbur­ger Bund befürch­tet unter­des­sen, dass sich viele Menschen unbemerkt mit der Omikron-Virus­va­ri­an­te infizie­ren. «Es besteht die Gefahr, dass viele Menschen ihre Corona-Infek­ti­on gar nicht als solche wahrneh­men und ledig­lich von einer Erkäl­tung ausge­hen», warnte die Verbands­vor­sit­zen­de Susan­ne Johna im Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND/Sonntag). Sie riet, auch bei ganz leich­ten Sympto­men einen Antigen-Schnell­test zu machen.

Der Präsi­dent der Bundes­ärz­te­kam­mer, Klaus Reinhardt appel­lier­te an die Menschen, sich wegen der rasant ausbrei­ten­den Omikron-Varian­te umgehend impfen oder eine Auffri­schungs­imp­fung geben zu lassen. Wer noch nicht erst- und zweit­ge­impft sowie geboos­tert sei, sollte dies dringend nachho­len, sagte Reinhardt der «Rheini­schen Post» (Sonntag). «Zwar schützt auch die Booster-Impfung nicht verläss­lich vor einer Corona-Infek­ti­on, sehr wahrschein­lich bleibt einem aber ein schwe­rer Krank­heits­ver­lauf mit Kranken­haus­auf­ent­halt oder sogar inten­siv­me­di­zi­ni­scher Behand­lung erspart», machte Reinhardt deutlich.